Karl-Friedrich Krieger: Rudolf von Habsburg (= Gestalten des Mittelalters und der Renaissance), Darmstadt: Primus Verlag 2003, 294 S., ISBN 978-3-89678-459-9, EUR 29,90
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Michael Hochedlinger: Austria's Wars of Emergence. War, State and Society in the Habsburg Monarchy 1683-1797, London / New York [u.a.]: Longman 2003
Rudolf Leeb / Martin Scheutz / Dietmar Weikl (Hgg.): Geheimprotestantismus und evangelische Kirchen in der Habsburgermonarchie und im Erzstift Salzburg (17./18. Jahrhundert), Wien: Böhlau 2009
Karin J. MacHardy: War, Religion and Court Patronage in Habsburg Austria. The Social and Cultural Dimensions of Political Interaction, 1521-1622, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2003
Petr Mat'a / Thomas Winkelbauer (Hgg.): Die Habsburgermonarchie 1620 bis 1740. Leistungen und Grenzen des Absolutismusparadigmas, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2006
Ilsebill Barta: Familienporträts der Habsburger. Dynastische Repräsentation im Zeitalter der Aufklärung, Wien: Böhlau 2001
Rudolf von Habsburg zählt gewiss zu den faszinierendsten Herrscherpersönlichkeiten des Mittelalters. Seine historische Bedeutung gründet vor allem darin, dass mit seiner Wahl zum König (1273) jene 'Zwischenzeit' nach dem Tod Friedrichs II. (1250) endete, die nach Schillers bekanntem Diktum als "die kaiserlose, die schreckliche Zeit" in die Geschichtsbücher einging. Das Bild vom Interregnum als einer im Vergleich zu anderen Epochen besonders anarchischen Zeit wurde in der neueren Forschung allerdings nachdrücklich in Frage gestellt [1] und die Rolle Rudolfs als Erneuerer des Königtums zuletzt dadurch relativiert, dass er als "kleiner" König [2] an den bestehenden politischen Verhältnissen nur wenig oder gar nichts zu ändern vermochte.
Einhundert Jahre nach Oswald Redlichs bis heute unübertroffener Biografie Rudolfs von Habsburg [3] scheint es also an der Zeit, sich erneut mit dem ersten Habsburger auf dem Königsthron auseinander zu setzen und eine Neubewertung seines Königtums vorzunehmen. Karl-Friedrich Krieger hat sich dieser Aufgabe gestellt und ein Buch vorgelegt, das durch seine abwägende und differenzierende Betrachtungsweise überzeugt. Dass den Leser dabei keine revolutionären Neueinsichten erwarten, versteht sich angesichts der Gründlichkeit, mit der Redlich seinerzeit zu Werke ging, von selbst. Auch Krieger ist sich dessen bewusst, und schon der verhältnismäßig bescheidene Umfang des Bandes zeigt, dass hier keineswegs ein zweiter 'Redlich' intendiert war. Kriegers Darstellung zielt vielmehr auf eine stärkere Einbindung des Habsburgers in sein historisches Umfeld, um Erwartungshaltungen und Handlungsspielräume aufzudecken, in die Rudolfs Herrschaftspolitik eingebunden war. Dabei geht es vor allem um verfassungsgeschichtliche Fragestellungen, Probleme der Königsherrschaft, der Landfriedens- und Städtepolitik sowie Fragen der Herrschaftskonzeption und der Herrschaftspraxis.
In einem handbuchartigen Überblick werden zunächst die strukturellen Rahmenbedingungen für Rudolfs Herrschaft als Territorialherr und König ausgeleuchtet. Die Darstellung konzentriert sich hierbei ganz auf die habsburgischen Kerngebiete in Südwestdeutschland, die gleichsam exemplarisch für die grundlegenden politischen und gesellschaftlichen Veränderungen der späten Stauferzeit stehen.
Vor diesem Hintergrund wendet sich Krieger sodann der Territorialpolitik Rudolfs als Graf von Habsburg zu, die ganz entscheidend von der Schwäche der königlichen Gewalt profitierte. Trotz der jüngst von Martin Kaufhold erhobenen Einwände hält Krieger in seiner Deutung des Interregnums an der traditionellen Sichtweise fest, wonach schon die Zeitgenossen ein deutliches Krisenbewusstsein erkennen ließen, das einer zunehmenden Gewaltbereitschaft entsprochen habe. Dabei sind es nicht zuletzt die von Rudolf selbst angewandten Methoden zur Durchsetzung territorialpolitischer Ziele, die das Bild einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft stützen. Dass die "Neigung zu gewaltsamer Selbsthilfe" gerade im Oberrheingebiet und der Nordschweiz besonders ausgeprägt gewesen sein soll (54), scheint indes weniger überzeugend. Hier ließen sich auch andere Regionen des Reiches wie etwa der hessisch-thüringische Raum zum Vergleich mit anführen, wo durchaus ähnliche Verhältnisse zu konstatieren sind.
Im Verlauf seiner Darstellung greift Krieger immer wieder über den engen biografischen Rahmen hinaus, um allgemeine verfassungsgeschichtliche Probleme am Beginn des Spätmittelalters zu erläutern. Dies gilt insbesondere für das Kapitel über die nach wie vor kontrovers diskutierte Wahl Rudolfs zum König. In leicht verständlicher Weise führt der Autor hier an die Problemlage heran, wobei die zuletzt etwas ins Hintertreffen geratene Rolle des Papsttums noch einmal gestärkt wird (96 f.). Dass die Wähler in Rudolf lediglich einen 'Übergangskandidaten' gesehen hätten, wird von Krieger mit Recht zurückgewiesen (100).
Besondere Aufmerksamkeit widmet der Autor dem Kampf Rudolfs gegen König Ottokar von Böhmen, dessen Niederwerfung in der Schlacht von Dürnkrut (1278) als Ereignis von europäischer Geltung gewürdigt wird: "Sie ermöglichte nicht nur den Aufstieg der Habsburger zu einer wirklichen Königs- und Großdynastie, sondern legte auch den Grundstein für die Entstehung eines neuen Donaureiches, in dem nicht Böhmen, sondern die österreichischen Länder das machtpolitische Zentrum bilden sollten" (153). Entsprechend lebendig und quellennah werden die Ereignisse auf dem Marchfeld geschildert (148 ff.).
Die Herrschaftspolitik Rudolfs nach dem Sieg über Ottokar war geprägt durch eine konsequente Fortsetzung der Revindikationsmaßnahmen und eine Landfriedenspolitik, wodurch die "im Interregnum schon weitgehend aufgegebene königliche Friedensgewalt wieder grundsätzlich aktiviert und - wenigstens in den 'königsnahen' und 'königsoffenen' Landschaften des Reiches - zu neuerlicher Geltung gebracht" wurde (166). Im Südwesten zielten die königlichen Maßnahmen zugleich auf die Errichtung eines fürstlichen Territoriums, das nach Krieger weniger an einer Erneuerung des staufischen Herzogtums Schwaben als vielmehr am Vorbild des ehemals zähringischen Herzogtums orientiert gewesen sei (170). Ob Rudolf diesbezüglich genauer differenzierte, mag dahingestellt bleiben, in jedem Fall aber wird deutlich, dass sein Wirken als König nach der endgültigen Sicherung seiner Herrschaft eng mit den Hausinteressen seiner Familie verknüpft wurde. Auch zeigt ein Blick auf die Stützen und Opponenten seiner Herrschaft, wie sehr Rudolfs Königtum im Südwesten verankert war, während der nord- und mitteldeutsche Raum sich immer wieder der königlichen Herrschaftspolitik entzog. Krieger verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die im weiteren Umkreis der habsburgischen Hausmachtzentren betriebene Herrschaftspropaganda, die vor allem von den süddeutschen Minoriten und Dominikanern, aber auch von den bürgerlichen Eliten der Stadt Straßburg und - wie man ergänzend hinzufügen muss - der Stadt Basel betrieben wurde (177 f.). Zu Recht hebt der Verfasser hier die Bedeutung der von den oberrheinischen Bettelmönchen über Rudolf in Umlauf gebrachten Anekdoten hervor, die den Habsburger - ganz im Sinne der kirchlichen Armutsbewegung - als anspruchslosen, gegenüber Gott und der Kirche demütigen König populär machen sollten (236 f.). Ungeachtet dessen bietet diese zuweilen etwas vernachlässigte Quellengattung für Krieger aber auch eine Chance, "der individuellen Persönlichkeit Rudolfs so nahe wie der kaum eines anderen Königs des 13. Jahrhunderts zu kommen" (230).
Im Ergebnis kommt Krieger zu dem Schluss, dass die Herrschaft des Habsburgers einerseits zwar stark von staufischen Traditionen geprägt gewesen sei, seine "eher pragmatische Haltung" es andererseits aber auch ermöglicht habe, "Zeichen für die Zukunft zu setzen" (251). Die von Peter Moraw formulierte These, Rudolf sei nur ein "kleiner" König gewesen, weist Krieger indes zurück, da sie die persönlichen Leistungen der handelnden Personen nicht genügend berücksichtige. Gerade in dieser Hinsicht aber habe sich Rudolf, trotz ungünstiger Ausgangsvoraussetzungen und Rahmenbedingungen, als "ein bedeutender König" (255) erwiesen.
Mit dem vorliegenden Band ist es Karl-Friedrich Krieger gelungen, vor dem Hintergrund neuerer Forschungsansätze ein kompaktes und dennoch differenziertes Bild Rudolfs von Habsburg zu zeichnen, das sowohl als Einführung als auch zur schnellen Orientierung bestens geeignet ist. Zwar wird man auch in Zukunft immer wieder auf Oswald Redlichs umfassende Biografie zurückgreifen müssen, doch verdient Kriegers Buch wegen seiner klaren und übersichtlichen Darstellung und nicht zuletzt wegen seiner kritischen Haltung gegenüber älteren wie neueren Forschungsmeinungen deshalb nicht weniger Aufmerksamkeit.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Martin Kaufhold: Deutsches Interregnum und europäische Politik. Konfliktlösungen und Entscheidungsstrukturen 1230-1280 (= MGH Schriften; 49), Hannover 2000.
[2] Peter Moraw: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490 (= Propyläen Geschichte Deutschlands. Studienausgabe), Frankfurt am Main / Berlin 1989, 211 ff.
[3] Oswald Redlich: Rudolf von Habsburg. Das deutsche Reich nach dem Untergange des alten Kaisertums, Innsbruck 1903 (Neudruck: Aalen 1965).
Mathias Kälble