Günther Barisch / Marie-Luise Barisch: Fächer - Spiegelbilder ihrer Zeit, München: Hirmer 2003, 262 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-7774-9920-8, EUR 65,00
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Der hier vorzustellende Katalog dokumentiert die umfangreiche und qualitätsvolle Fächersammlung von Marie-Luise und Günter Barisch. Der Anspruch des Paares, die "Miniatur-Kunstwerke in Halbrund" (17) nicht nur zu bewahren und zu erforschen, sondern darüber hinaus einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, führte 1996 zur Eröffnung des einzigen deutschen Fächermuseums in Bielefeld und nun zu dieser opulent ausgestatteten Publikation.
Die Sammlung umfasst nicht nur Fächer aus Europa, sondern auch aus China und Japan. Der zeitliche Rahmen erstreckt sich über das 17. bis hin zum Anfang des 20. Jahrhunderts, wobei der Schwerpunkt der Sammlung auf Fächern des 18. und 19. Jahrhunderts liegt. Die Gliederung erfolgt nach topografischen (Ostasien / Europa) und untergeordnet nach chronologischen Gesichtspunkten. Jedem Kapitel geht ein einführender Aufsatz voran, bevor die Fächer - insgesamt 156 - einzeln vorgestellt werden.
Der Leser gewinnt einen Einblick in die Gestaltungsvielfalt, dabei in die unterschiedlichen Materialien und in die verschiedenen Fächertypen und deren Entwicklung. Darüber hinaus wird ihm die Motivvielfalt vor Augen geführt, bei der eine enge Verwandtschaft mit der zeitgenössischen Malerei deutlich wird. Vertiefend finden sich Exkurse zum Beispiel zum Berliner Eisenkunstguss oder zu den Wiener Schmuckfächern. Ergänzt wird der Katalog durch das Kapitel "Beiwerk", in dem weitere Accessoires, allen voran Sonnenschirme, präsentiert werden. Ein Glossar und eine Liste von Fächerherstellern und -händlern in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts sowie ein Literaturverzeichnis runden das Buch ab.
Auf der Basis ihrer mit Leidenschaft zusammengetragenen Fächer, die in dieser Publikation durchweg mit hervorragenden Fotos dokumentiert sind, stellt Marie-Luise Barisch ihre Kostbarkeiten des 18. und 19. Jahrhunderts vor. Während man in dem einführenden Text zum 'Jahrhundert des Rokoko' insbesondere über die Motivvorlieben der Fächermaler informiert wird, schickt die Autorin für das stilpluralistische 19. Jahrhundert vorweg, welche Fächerarten und Materialien in dieser Zeit bevorzugt wurden - Briséfächer im Biedermeier, dann auch Fächer aus Nadel- und Klöppelspitze. In ihren Katalogbeiträgen zu den einzelnen Fächern legt Barisch den Fokus auf deren ikonographische Beschreibung. Lassen sich Fächer mit historischen Personen oder Gegebenheiten verbinden, legt sie zudem den historischen Kontext umfassend dar, beispielsweise für den Hochzeitsfächer von Philippe Duc d'Orléans und Maria Dorothea von Österreich (Kat. 96) oder für den Autographenfächer (Kat. 119). Übrigens offenbart sich hier das besondere Interesse des Sammlerpaares an der Provenienz ihrer Fächer.
Mit Monika Kopplin, der zweiten Hauptautorin, hat das Sammlerpaar eine ausgewiesene Expertin gewinnen können. Sie stellt die Fächer Ostasiens sowie die europäischen Fächer des 17. und frühen 18. Jahrhunderts und die der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert vor. In einem ihrer Aufsätze skizziert sie die Entwicklung der Fächer Chinas und Japans und deren Einfluss auf die europäische Fächergestaltung. An anderer Stelle erfährt der Leser vom Novum der Kunstgeschichte im späten 19. Jahrhundert, als erstmals "Große der Malerei" (231) wie Manet, Degas, Pissarro oder Gauguin Fächerbilder in größerer Anzahl schufen. Hier stellt Kopplin zudem dar, dass die Künstler der verschiedenen Jugendstilrichtungen einen letzten, wirklich schöpferischen Gegenpol zu der zunehmenden kommerziellen Fächerherstellung bildeten. Ihre Beiträge zu den einzelnen Fächern gehen über eine ikonographische Beschreibung hinaus und zeigen, wie versiert sie die 'Kompositionen im Halbrund' in den jeweiligen kunsthistorischen Kontext einzuordnen versteht. Beispielsweise führt sie den in schwarz-weißer Farbtonalität gehaltenen Faltfächer "Alexander und die Frauen des Darius" (Kat. 16) überzeugend auf Charles Lebruns gleichnamiges Gemälde von 1660/61 zurück.
Eine wunderbare Ergänzung wäre eine Abhandlung zur Sprache der Fächer gewesen, die sich im 18. Jahrhundert zu einem bedeutsamen Kommunikationsmittel herausgebildet hatte. Dem Anspruch, sich an ein breites Publikum zu richten, wird das Buch nicht immer gerecht. Der interessierte Laie wird oftmals alleine gelassen, wenn es darum geht, im Fächer das Spiegelbild seiner Zeit zu sehen, wie der Buchtitel verheißt. Verweise innerhalb des Kataloges hätten manche der aufkommenden Fragen leicht beantworten können. So wäre bei dem Fächer "Les Bouquetières" (Kat. 71) oder überhaupt bei jenen des zweiten Rokoko ein Hinweis auf die Ausführungen im Aufsatz "Fächer der Jahrhundertwende" (231) sinnvoll gewesen. Ebenso verhält es sich bei den anmutigen Fächern des "berühmten Fächerhauses Alexandre", wo man in den Katalogbeiträgen nichts über diese famose Eventaillisten-Werkstatt erfährt und warten muss, bis man wie zufällig bei dem Exkurs zu den Fächern der Weltausstellungen auf eine Präsentationsseite dieses Fächerhauses (200) stößt.
Insgesamt würdigt der Katalog Fächer als handwerklich und kunsthistorisch bedeutende Gegenstände und offenbart mit seinen grandiosen Abbildungen einen glanzvollen Einblick in die Welt der Fächer. Er lädt ein zum Schmökern, aber auch zum Nachschlagen und Vertiefen und stellt sowohl für die breite Öffentlichkeit als auch für das Fachpublikum ein gewinnbringendes Buch dar.
Maria Spitz