Rotraud Becker (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Vierte Abteilung: 17. Jahrhundert, Band 7: Nuntiaturen des Malatesta Baglioni, des Ciriaco Rocci und des Mario Filonardi. Sendung des P. Alessandro d'Ales (1634-1635), Tübingen: Niemeyer 2004, LXXVII + 833 S., ISBN 978-3-484-80162-2, EUR 142,00
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Rotraud Becker (Bearb.): Nuntiaturen des Giovanni Battista Pallotto und des Ciriaco Rocci (1630-1631), Tübingen: Niemeyer 2009
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Rotraud Becker (Bearb.): Nuntiaturberichte aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. Abt. 4. 17. Jahrhundert. Band 6: Nuntiatur des Ciriaco Rocci. Ausserordentliche Nuntiatur des Girolamo Grimaldi - Sendung des P. Alessandro D'Ales (1633-1634), Berlin: De Gruyter 2016
Die Editionen der Nuntiaturberichte des 16. und 17. Jahrhunderts gehören zu den großen und traditionsreichen Unternehmen der deutschen und europäischen Geschichtswissenschaft und zählen als Veröffentlichungen gleichzeitig zu den Kernarbeitsgebieten der verschiedenen historischen Auslandsinstitute in Rom. Zu den Nuntiaturen des deutschsprachigen Raumes arbeiten zum Teil seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert das Deutsche Historische Institut, das Institut der Görres-Gesellschaft, das Österreichische Historische Institut und das Tschechische Historische Institut in Rom.
Das Deutsche Historische Institut in Rom hat nun seinen zahlreichen Nuntiaturberichtseditionen einen weiteren Band hinzugefügt. Durch die Bearbeiterin Rotraud Becker liegt nun eine Edition zur Kaiserhofnuntiatur für die Jahre 1634/1635 vor. Der Band bietet dabei den Schriftverkehr von insgesamt vier päpstlichen Diplomaten mit der Zentrale in Rom.
Das Kernstück der Edition bildet die Korrespondenz aus dem ersten Amtsjahr des ordentlichen Nuntius Malatesta Baglioni, der von November 1634 bis 1639 an den Hof Kaiser Ferdinands II. entsandt war. Daneben enthält der Band den Schriftwechsel von Baglionis Vorgänger, Ciriaco Rocci, der noch bis Mai 1635 am Kaiserhof verblieb und parallel zu Baglioni mit Rom korrespondierte. Schließlich ist die Korrespondenz des Sondernuntius Mario Filonardi aufgenommen, der Mitte August 1635 eintraf, und in einem Anhang sind die Berichte des inoffiziell von Kardinalnepot Francesco Barberini entsandten P. Alessandro d'Ales enthalten, der sich seit Mai 1635 in Wien aufhielt.
Durch das teilweise parallele Wirken von vier päpstlichen Gesandten ergibt sich eine dichte Überlieferung, die durch die gute Quellenlage - praktisch alle Korrespondenzstücke sind erhalten - noch mehr begünstigt wird. So erschließt der Band eine Fülle von Themen und Aufgaben, denen die Nuntien nachgingen. Nur ansatzweise können diese Themenkreise hier benannt werden. Baglioni als ordentlicher Nuntius befasste sich neben dem politisch-diplomatischen Tagesgeschäft und den Bemühungen, die katholische Reform und Gegenreformation in den oberdeutschen und habsburgischen Territorien voranzutreiben, insbesondere mit den durch den Dreißigjährigen Krieg bedingten Problemen. Hier ging es vor allem darum, die Spannungen zwischen Wien und Rom zu mindern, die sich an der Frage entzündeten, inwieweit Papst Urban VIII. den katholischen Krieg führenden Parteien gegenüber neutral war. Ferner standen Verhandlungen zur Vorbereitung eines allgemeinen Friedenskongresses sowie das Hinarbeiten auf eine Ernennung von Friedensbevollmächtigten durch die verschiedenen Krieg führenden Mächte auf der Agenda. Die Korrespondenz des scheidenden Nuntius Rocci spiegelt mehr oder weniger parallel zu der seines Nachfolgers das weite Aufgabenspektrum der Wiener Nuntiatur wider.
Für den Sondernuntius Mario Filonardi sollte der Kaiserhof dagegen nur eine Durchgangsstation auf seiner Reise nach Polen sein, wohin er als Nuntius bestimmt war. Er hatte sich in Wien in erster Linie um den Fall des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Philipp Christoph von Sötern zu kümmern, der durch die Spanier im März 1635 gefangen genommen worden war, was Frankreich zum Anlass für seine Kriegserklärung im Mai 1635 nahm. Filonardi sollte sich um eine Überstellung Söterns in kirchlichen Gewahrsam bemühen. Der Kapuziner Alessandro d'Ales war schließlich als persönlicher, geheimer Agent Francesco Barberinis an den Kaiserhof geschickt worden, um das Klima zwischen dem Papst und Ferdinand II. zu verbessern, sich um Frieden zwischen den habsburgischen Kronen und Frankreich zu bemühen sowie im Streit um die Präzedenz des Stadtpräfekten von Rom zu vermitteln.
Rotraud Becker hat mit ihrer sorgfältigen Aufbereitung der Texte eine sehr gelungene Edition vorgelegt, die sich bestens in die große Reihe der Nuntiaturberichte einfügt. In ihrer ausführlichen Einleitung (I-LXXVII) geht sie nicht nur auf die archivalische Überlieferung und auf ihre Editionsprinzipien ein, sondern gibt auch aufschlussreiche Hinweise zu Fragen wie der Chiffrierung der Schreiben oder ihrem Bearbeitungsgang.
Die Einleitung enthält zudem eine ausführliche Würdigung des ordentlichen Nuntius Malatesta Baglioni, seiner Familie, seines persönlichen Werdegangs sowohl vor als auch nach seiner Nuntiatur, Ausführungen zu seinem ihm während des Nuntiaturamtes zur Verfügung stehenden Personal und dem Verhältnis zu seinen Vorgesetzten (XXVI-LXXVII). Die Nützlichkeit dieser Ausführungen wird umso deutlicher, als die Bearbeiterin den drei anderen Persönlichkeiten, deren Wirken die Edition ja ebenfalls dokumentiert, keine ähnlich ausführlichen Erläuterungen zukommen lässt. Zu den Biografien von Alessandro d'Ales und Mario Filonardi wird lediglich in kurzen Fußnoten verwiesen (XV, Anmerkung 30 beziehungsweise Anmerkung 1 zum Schreiben Nr. 69.2.; 403 f.), für Rocci auf eine in Vorbereitung befindliche Edition von dessen Nuntiaturberichten (XI).
Der Wert der Edition besteht weiterhin in einer zuverlässigen, nicht nur auf Literatur, sondern auch auf weitere archivalische Quellen gestützten Kommentierung sowie einem detaillierten Register, das nicht nur Personen und Orte, sondern auch Sachbetreffe nachweist. Angesichts der Vielzahl der in den Korrespondenzen auftauchenden Themen und den vielfältigen Fragestellungen der potentiellen Benutzer der Edition ist dies von besonderem Wert. Die präzisen Regesten erleichtern den Zugang zu den in italienischer Sprache verfassten Schreiben ganz erheblich. Für die Benützung der Edition außerdem sehr hilfreich ist die Nummerierung der Korrespondenzen nach Posttagen (statt einer durchlaufenden Zählung aller Schreiben), die so den Überblick über den Umfang der jeweiligen dispacci (Briefpakete) erleichtert. Auch die Nachweise darüber, wenn Briefe oder Briefpassagen bereits in gedruckter Form zitiert sind, sind für die Benutzung der Edition in Kombination mit der einschlägigen Literatur sehr förderlich.
Rotraud Becker verweist in der Einleitung (XVII-XIX) mit gutem Grund darauf, dass angesichts der großen Zahl der Korrespondenzstücke nicht alle Schreiben Eingang in die Edition finden konnten und zuweilen Kürzungen notwendig waren. Allerdings bleiben die Kriterien für die Aussonderungen weitgehend vage formuliert. Manche Antworten auf oder Gegenstücke zu in extenso gedruckten Schreiben finden so beispielsweise nur im Nachweisapparat Erwähnung (so zum Beispiel Nr. 47.2 und Nr. 54.1 oder die Nummern 84.2; 93.1 und 106.1), sodass unklar bleibt, was den Ausschlag zur Aufnahme oder Nicht-Aufnahme eines Schreibens in die Edition gegeben hat. Da man der Bearbeiterin allerdings die größte Kompetenz der Materie und intimste Kenntnis der archivalischen Grundlagen und damit auch das Recht zur Auswahl zugestehen muss, beeinträchtigt eine solche Beobachtung den Wert der Edition insgesamt keineswegs.
Vielmehr kann nicht genug der Wert und die Wichtigkeit der Fortführung solcher Editionsunternehmen zur Geschichte der Frühen Neuzeit herausgehoben werden, die viel Mühe und langen Atem erfordern. Gerade weil Editionen wie die vorliegende weit mehr archivalisches Material erschließen als das unmittelbar zum Druck gebrachte, bilden sie wertvolle Wegweiser in einer komplexen und umfangreichen Quellengemengelage, wie sie für diplomatiegeschichtliche und damit international ausgerichtete Arbeiten typisch ist. Somit wird die Edition viele Benutzer finden: den an der Nuntiaturgeschichte interessierten Forscher ebenso wie den Kirchenhistoriker oder den zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges arbeitenden Historiker. Ihnen allen kann und wird der von Rotraud Becker vorgelegte Editionsband als tragfähige Grundlage dienen können.
Bettina Scherbaum