Dietegen Guggenbühl: Mit Tieren und Teufeln. Sodomiten und Hexen unter Basler Jurisdiktion in Stadt und Land 1399 bis 1799 (= Quellen und Forschungen zur Geschichte des Kantons Basel-Landschaft; Bd. 79), Liestal: Verlag des Kantons Basel-Landschaft 2002, 392 S., ISBN 978-3-85673-272-1, CHF 39,00
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Wie nähert man sich einer geschichtlichen Darstellung, deren Autor das Fachpublikum in der Einleitung präventiv um eine "allenfalls notwendige Nachsicht" (15) bittet? In der Tat gehört der Verfasser des vorliegenden Werkes nicht zur angesprochenen Zunft, sondern blickt auf ein reiches Berufsleben als Arzt und Psychiater zurück. Mit seiner, wie er sich selbst ausdrückt, "historischen Ader", die ihn bereits eine medizingeschichtliche Dissertation schreiben ließ, Fleiß, Disziplin und einer anhaltenden Passion zum gewählten Thema bringt er jedoch die Voraussetzungen mit, die sein Buch zu einem ernst zu nehmenden Beitrag zur Forschung machen.
Guggenbühls Stärke liegt in der Archivarbeit. Mit respekteinfordernder Ausdauer hat er vor allem im Staatsarchiv Basel-Stadt die im Laufe des langen Untersuchungszeitraumes angelegten Wochenausgabenbücher, Urfehdenbücher, Ratsprotokolle, Prozessakten und anderes mehr im Hinblick auf Sodomie- und Hexereifälle durchkämmt. Die Präsentation der gefundenen Stücke, sei es integral, sei es als Regesten, macht denn auch mehr als die Hälfte des Buchumfangs aus, was aber nicht zu verhindern vermochte, dass aufgrund ihrer großen Menge nicht alle Funde berücksichtigt werden konnten. Während sämtliche Hexereiangelegenheiten in der einen oder anderen Form Aufnahme gefunden haben, erwiesen sich die Sodomiefälle als zu zahlreich, sodass eine Auswahl getroffen werden musste, wobei eine knapp gehaltene Aufstellung der unberücksichtigt gebliebenen Fälle weitere Forschungen zweifellos erleichtert hätte. Guggenbühls Streben nach Vollständigkeit ist es zu verdanken, dass die Aufmerksamkeit seiner Leserschaft immer wieder auf kleine, unscheinbare Quellen gelenkt wird, in erster Linie Auszüge aus den Wochenausgabenbüchern, die sehr pragmatisch zu nennende Einblicke in den Verfolgungsalltag bieten. Die Einrichtung der Edition an sich lässt sich diskutieren, darunter die Beibehaltung der originalen Groß- und Kleinschreibung, was bei kleingeschriebenen Toponymen das Lesen unnötig erschwert. Bedauerlicher ist jedoch das Fehlen eines Orts- und Namensregisters, das bei punktuellen Recherchen wertvolle Dienste geleistet hätte.
Der Editionsteil folgt einer längeren Einführung, in der Guggenbühl im Anschluss an die Darstellung des in Basel gängigen Verfahrensweges auf die beiden thematisierten Delikte zu sprechen kommt. "Sodomie" erweist sich dabei als ausgesprochen unscharfer Begriff, unter dem ebenso männliche Homosexualität, Zoophilie wie Geschlechtsverkehr in "unnatürlichen Stellungen" subsumiert wurden. Den größten Teil des entsprechenden Quellenbestandes scheinen in Basel sexuelle Handlungen mit Tieren auszumachen (vergleiche 51), was die Frage nach dem Willen zur Verfolgung von Homosexualität aufwirft. Dass die Verfolgungsbereitschaft vom tatsächlichen Vorkommen einer bestimmten Erscheinung in der Gesellschaft unterschieden werden muss, zeigt sich auf schöne Weise in der Chronologie der Basler Sodomieverfahren (hier in einem umfassenden Sinn): In den Jahren zwischen 1441 und 1581 (ein Fall) beziehungsweise 1600 wurden, soweit die versammelte Dokumentation einen Schluss zulässt, unter Basler Jurisdiktion keine Verfahren allein wegen Sodomie eingeleitet, sie häuften sich jedoch im 17. und 18. Jahrhundert. Auffallenderweise füllt das "weibliche" Gegenstück zur männlich konnotierten Sodomie, die Hexerei, diese "Lücke" aus: Im fraglichen Zeitraum fanden, wie Guggenbühl festhält, die meisten Basler Hexenprozesse statt, die aber - eine Basler Besonderheit - nach 1519 zu keinem Todesurteil mehr führten (die Verbrennung einer angeblich dreizehnfachen Giftmörderin und Hexe im Jahr 1680 ist eine atypische Ausnahme). Stattdessen wurden Hexen aus Basler Gebiet verbannt.
Die Ursachen dieser Komplementarität von Sodomie und Hexerei, die sich erst durch die gleichzeitige Behandlung beider Delikte offenbart, bleiben zu klären, ebenso die Gründe für das im Vergleich mit anderen eidgenössischen Orten milde Hexenverfolgungsklima, das eher die Frucht einer besonnenen Vorsicht denn einer grundlegenden Skepsis gegenüber Hexendingen war: In einem juristischen Gutachten, das der Rat 1642 beim Stadtadvokaten einholte, wird entsprechend "die Notwendigkeit der Verfolgung und Bestrafung solcher Taten durch die Obrigkeit" betont, gleichzeitig jedoch zur Vorsicht geraten, "weil durch die Verblendung und Verführung des Teufels ganze Landstriche verwirrt werden könnten" (140). Mit der Aufarbeitung der Basler Verfolgungskonjunktur legt Guggenbühl willkommenes Material für den regionalen Vergleich vor, der aber noch unternommen werden muss. Die Deutung und Einbettung der Ergebnisse bleibt anderen überlassen, was nicht zuletzt mit der Theoriescheu des Autors in Hexenfragen zu tun hat, die ihn mehr als alles andere als "Nichtfachhistoriker" kennzeichnet. So bekennt er in der Einleitung freimütig, "mit der weitläufigen allgemeinen Hexenliteratur, die unübersehbar viele verschiedene Ansichten, Deutungen und Spekulationen in die Welt setzt", habe er sich nicht auseinandergesetzt (15). Dadurch beraubt er sich selbst vorhandener interpretatorischer Werkzeuge, die den einen oder anderen Gedankenanstoß hätten geben können. Als Beispiel mag die Beobachtung genügen, dass an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert "oft Frauen aus dem Amt Waldenburg und aus Muttenz der Hexerei beschuldigt wurden" (122). Diese Konstellation weckt den Verdacht auf die Instrumentalisierung von Hexereiprozessen in einem Herrschaftskonflikt, zumal der Autor im selben Zug - doch ohne weiter darauf einzugehen - anmerkt, beide Gebiete seien dem territorialen Expansionsdruck des benachbarten Solothurn besonders ausgesetzt gewesen! Guggenbühls eigenste Fachkompetenz entfaltet sich hingegen im - auch für Nichtmediziner anregenden - Versuch, die in den Quellen sporadisch vorzufindenden sodomitischen Selbstbezichtigungen als Ausdruck psychischer Erkrankungen zu deuten (64-69), wobei er diese Problematik äußerst behutsam angeht, da er um die Schwierigkeiten historischer Ferndiagnostik weiß.
Georg Modestin