Stiftung Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) (Hg.): Historisches Lexikon der Schweiz. Band 1: Aa - Basel (Fürstbistum), Chefredaktor: Marco Jorio, Basel: Schwabe 2002, XXXIX + 754 S., ISBN 978-3-7965-1901-7, EUR 173,50
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Karin Schmidt-Kohberg: "Manche Weibspersonen haben offtmals viel subtilere Ingenia als die Manspersonen". Weibliche Gelehrsamkeit am Beispiel frühneuzeitlicher Frauenzimmerlexika und Kataloge, Königstein: Ulrike Helmer Verlag 2014
Das Historische Lexikon der Schweiz (HLS) versteht sich als Fachlexikon, das wissenschaftlich fundierte Beiträge in allgemein verständlicher Form präsentieren will. Insgesamt arbeiten über 2.000 Experten an diesem auf zwölf Bände (rund 36.000 Artikel) angelegten Werk mit, was die gigantischen Ausmaße des Projekts verdeutlicht. Die Bände erscheinen in Deutsch, Französisch und Italienisch, also in drei der vier Schweizer Landessprachen. Im Jahr 2010 soll der letzte Band zum Abschluss gebracht werden. Der erste Band (Herren von Aa - Basel, Fürstenbistum) ist 2002 erschienen. Eine einbändige Fassung in Rätoromanisch ist ebenfalls in Arbeit, die einzelnen Beiträge erscheinen zunächst sukzessive in den "Annales de la Societad Retorumantscha". Die muttersprachlich abgefassten Autorenbeiträge werden jeweils in die anderen Sprachen übersetzt. Dies unterstreicht den Anspruch des Historischen Lexikons der Schweiz, ein gesamtschweizerisches historisches Nachschlagewerk zu sein. Für die italienischsprachige Schweiz liegt damit überhaupt erstmals ein historisches Nachschlagewerk in ihrer Landessprache vor. Zudem erleichtert die Mehrsprachigkeit die internationale Rezeption. Das Lexikon steht in der Nachfolge des zwischen 1921 und 1934 erschienenen Historisch-Biographischen Lexikons der Schweiz (HBLS).
Im Historischen Lexikon der Schweiz wird der Begriff "Schweiz" als geografische Größe verstanden; er umfasst damit mehr als der rechtlich-institutionelle Begriff "Eidgenossenschaft". Der zeitliche Horizont des Nachschlagewerks reicht von der Ur- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Je näher ein Artikel an die Gegenwart heranreicht, desto mehr Umfang kann er beanspruchen.
Der Entwicklung der Geschichtswissenschaft trägt das Historische Lexikon der Schweiz insofern Rechnung, als es seine Beiträge nicht nur - wie noch das Historisch-Biographische Lexikon der Schweiz - unter den Aspekten von Politik-, Verfassungs-, Ideen- und Kirchengeschichte befragt, sondern verstärkt sozial-, kultur- und wirtschaftsgeschichtliche Aspekte berücksichtigt und stärker an übergreifenden Strukturen und Prozessen interessiert ist. Ein ausgeklügeltes Verweissystem verbindet Teilphänomene mit dem Gesamtkontext.
Das Historische Lexikon der Schweiz umfasst vier unterschiedliche Kategorien: Biografien und Familienartikel sowie Orts- und Sachartikel. Unter Ortsartikeln werden nicht nur Gemeinden verstanden, sondern auch andere Länder und Herrschaften, Herrschaftssitze wie Burgen und Schlösser und beispielsweise archäologische Fundorte. Die Sachartikel befassen sich mit Institutionen und Ereignissen sowie mit historischen Phänomenen und Strukturen. Der weitaus größte Anteil am Gesamtprojekt ist für biografische Artikel reserviert. Verschiedene Darstellungstypen sind vorgesehen: So genannte "Dachartikel" bieten die wichtigsten Themen im Überblick. Hier findet sich, um nur einige wenige Beispiele herauszugreifen, die Agrarverfassung von der römischen Zeit bis zum Ende des 20. Jahrhunderts, aber auch ein Überblick über die Geschichte der Alpen unter vielfältigen landeskundlichen Aspekten bis hin zu Fragen des Tourismus und des Alpentransits sowie zu "Wahrnehmung und Ideologie". Hierzu gehören aber auch Abrisse der Geschichte der Diözese Basel sowie des Fürstbistums Basel und die Geschichte der Kantone (zum Beispiel Appenzell). Übersichtsartikel erläutern beispielsweise wichtige geografische Begriffe (zum Beispiel Aare). Den größten Raum nehmen so genannte Kurzartikel (biografische Skizzen, thematische Einzelfragen) ein. Ergänzend werden in kleinen Notizartikeln unter anderem Begriffserläuterungen vorgenommen. Die einzelnen Artikel sind namentlich gekennzeichnet und enden mit einer Zusammenstellung der wichtigsten Literatur. Sie befinden sich auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand, wie die jüngsten Erscheinungsjahre ausweisen. Besonders hervorgehoben werden müssen neben den anschaulichen Karten und Tabellen, die auf kleinstem Raum komprimierte Informationen bieten, die Schaubilder und Grafiken, wie beispielsweise jene zu den fürstbischöflichen Institutionen im Fürstbistum Basel im 18. Jahrhundert (750). In dieser enzyklopädisch ausgerichteten Zusammenstellung begegnen immer wieder auch Artikel, die man so an dieser Stelle nicht erwartet hätte, wie Ägypten, ABC-Waffen, Aids und Akten, um willkürlich einige herauszugreifen.
Eine elektronische Publikation des Historischen Lexikons der Schweiz (e-HLS) ist schon länger auf dem Markt; 1998 wurde damit begonnen, die fertig redigierten Artikel sowie die Stichwortliste der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. [1] Das Historische Lexikon der Schweiz soll zur Basis eines schweizergeschichtlichen Informations- und Dokumentationszentrums werden und, über den Abschluss des 12-bändigen Werkes hinaus, in Form von Datenbanken weitergeführt werden.
Dass sich die Herausgeber darüber hinaus entschieden haben, das wissenschaftliche Nachschlagewerk auch zu publizieren, kann nur begrüßt werden. Nicht nur, weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine gesicherten Aussagen über die Langfristigkeit elektronisch gespeicherter Daten vorliegen, sondern auch, weil es ganz offenkundig Vergnügen bereitet, in diesem Band zu blättern und sich immer wieder in einzelnen, manchmal auch ganz unerwartet aufgefundenen Artikeln festzulesen. Hinzu kommt natürlich noch, dass die gedruckte Version rund ein Fünftel des ihr zur Verfügung stehenden Platzangebots mit Abbildungen füllt, die informativen, dokumentarischen oder einfach illustrativen Wert haben und damit eine weitere Möglichkeit der Informationsaufnahme eröffnen. Der didaktische Wert der beigefügten Bilder, Karten, Tabellen und Grafiken kann gewiss nicht hoch genug veranschlagt werden.
Finanziert wird dieses ehrgeizige Unternehmen übrigens (bis zur Druckreife) in vorbildlicher Art und Weise durch die Schweizer Eidgenossenschaft. Deshalb wird - auch nach dem Erscheinen der gedruckten Bände - ein kostenloser Zugriff auf das e-HLS möglich sein.
Zweifellos stellen Konzeption und Umsetzung eines solchen Lexikons ein "lexikografisches Abenteuer" (VIII) dar. Aber die Herausforderung angenommen zu haben hat sich ohne jeden Zweifel gelohnt! Der vorliegende erste Band genügt nicht nur wissenschaftlichen Ansprüchen, er ist auch für ein interessiertes Publikum geschrieben. Er bietet neben fundierten Ausführungen zu zentralen Themen der Schweizer Geschichte auch Einblicke in völlig unbekannte Aspekte. Das Historische Lexikon der Schweiz lädt ein zu einer informativen wie faszinierenden Lektüre.
Anmerkung:
[1] Die elektronische Publikation des Historischen Lexikons der Schweiz findet sich unter < http://www.hls.ch >.
Sabine Holtz