Robert Bireley: The Jesuits and the Thirty Years War. Kings, Courts, and Confessors, Cambridge: Cambridge University Press 2003, XII + 300 S., ISBN 978-0-521-82017-2, GBP 47,50
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Jesuitische Beichtväter und katholische Monarchen: kaum ein Thema provoziert derart spontan Gedanken an Verschwörungen und dunkle päpstliche Machenschaften. Besonders für den Dreißigjährigen Krieg wird der Einfluss der Beichtväter auf katholischer Seite immer wieder betont, doch nur selten genauerer Analyse unterzogen. Der Jesuit Bireley hat sich mit diesem Thema seit Jahren ohne derartige Vorbehalte sachlich auseinander gesetzt und bislang ausführliche Arbeiten zu zwei bedeutenden geistlichen Beratern im Kontext der katholischen Reform vorgelegt. [1]
In der vorliegenden Arbeit konzentriert Bireley sich auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, das Wirken der Beichtväter an den wichtigsten katholischen Höfen (Wien, München, Madrid, Paris) und auf ihren Anteil bei der Ausgestaltung der Politik, der Formulierung der Kriegsziele und Friedensinitiativen. Er legt dabei konsequent die Perspektive der Ordenzentrale in Rom zugrunde, wobei deutlich wird, dass die Anliegen des Ordengenerals nicht unbedingt mit päpstlichen Interessen übereinstimmten und die einzelnen Beichtväter nur begrenzt lenk- und steuerbar waren, ja sich bisweilen stärker den jeweiligen höfischen Zwängen unterordneten als der Ordenleitung. Die unterschiedlichen politischen Entscheidungen der katholischen Höfe, der Krieg katholischer Fürsten gegeneinander, begleitet von wahren Pamphletschlachten, die teilweise von den Beichtvätern verfasst oder unterstützt wurden, brachten den Orden an den Rand seiner Belastbarkeit und drohten staatliche Konflikte in den Orden hineinzutragen. Diesen zentrifugalen Kräften widerstand die Gesellschaft Jesu nicht zuletzt dank der Langlebigkeit des Ordensgenerals Muzio Vitelleschi, der von 1615 bis 1645 ihre Geschicke leitete. Die persönliche Kontinuität verhinderte so, dass die Verschiebungen im europäischen Kräftegleichgewicht direkt auf den Orden durchschlugen. Die letzten Jahre bis zum Westfälischen Frieden fallen dann in die Zeit des Ordensgenerals Vincenzo Carafa (1646-1649), der die Politik Vitelleschis mit leichten Akzentverschiebungen weiterführte. Bireleys Arbeit ist auch unter dem Gesichtspunkt der Ordensgeschichte von hohem Interesse, denn trotz des üppigen Archivmaterials in Rom existieren bislang keine historischen Arbeiten zu dem langen und bedeutenden Generalat Vitelleschis.
Die Situation des Ordens war in den Ländern der verschiedenen katholischen Kriegsparteien durchaus unterschiedlich, was wiederum direkten Einfluss auf die Gewichtungen in Bireley Darstellung hat. Am Hof der katholischen Weltmacht Spanien war der Einfluss der Jesuiten am geringsten, da bis zur Ablösung der Habsburger durch die Bourbonen meist Dominikaner die Position des Beichtvaters besetzten. Jesuitischer Einfluss war allerdings indirekt über die Beichtväter des ersten Ministers Olivares spürbar. Diese waren zum Teil recht intensiv in Regierungsgeschäfte verwickelt und beteiligten sich an Gremien zu Justiz- und Wirtschaftsfragen, nicht aber an der Gestaltung der Außenpolitik. Spanien setzte im Gegensatz zu den deutschen Mächten immer auf Mäßigung, nie wurde der Krieg unter religiösen Vorzeichen als Kampf gegen Häretiker interpretiert.
Im Gegensatz zu Madrid waren in Paris Jesuiten durchgehend als königliche Beichtväter beschäftigt. Dies darf allerdings nicht mit besonderen politischen Wirkungsmöglichkeiten gleichgesetzt werden. Die Jesuiten waren in Frankreich aufgrund der Feindschaft der Parlements und der Universitäten in ihrer Existenz direkt vom Königshaus abhängig. Gegen die zunehmend gallikanisch formulierten Staatsinteressen konnten sie sich nicht zur Wehr setzen, wollten sie nicht die Stellung des Ordens in Frankreich insgesamt gefährden. Richelieu schließlich setzte 1638 mit der Absetzung des Beichtvaters Caussin der Ausformulierung und Umsetzung einer "katholischen" Politik ein Ende. Caussin hatte, allerdings ohne die Konstruktion des "gerechten Religionskriegs", ein Eintreten auf Seiten der katholischen Mächte befürwortet und vor allem auf eine Versöhnung Ludwigs XIII. mit seiner Mutter gedrängt und somit versucht, im Rahmen einer großen Hofkabale gegen den ersten Minister Stellung zu beziehen. Seine Absetzung wurde von Vitelleschi nicht etwa behindert, sondern voll mitgetragen.
Am eindrucksvollsten war die direkte Teilnahme der Beichtväter am Geschehen in München und Wien, wo die Schwächung der traditionellen Orden in Folge der Reformation die Jesuiten zum schlagkräftigsten Arm der Gegenreformation machte. Contzen in München und Lamormaini in Wien waren bis zum Frieden von Prag maßgeblich für die militante Politik im Dienste der Gegenreformation verantwortlich. Für sie handelte es sich um einen gerechten Religionskrieg, eine Interpretation, die weder von den spanischen noch von den französischen Jesuiten geteilt wurde. Vitelleschi unterstützte die militant gegenreformatorisch motivierte Politik, deren Scheitern schließlich in den 30er-Jahren mehr als deutlich wurde. Das Ende der katholischen Übermacht und damit der realen Möglichkeit zur Durchsetzung maximalistischer Positionen, wie sie noch im Restitutionsedikt von Contzen und Lamormaini formuliert worden waren, leitete ein Umdenken auf kaiserlicher und bayrischer Seite ein. In diesen Umschwung fällt der Tod von Contzen und Lamormaini, doch die Benennung gemäßigter Nachfolger zeigt deutlich, dass die neuen Beichtväter auch Ausdruck einer veränderten politischen Konzeption waren. Die Abkehr von radikalen Positionen vollzog allmählich auch Vitelleschi mit, der im Streit zwischen gemäßigten und militanten Jesuiten im Reich immer deutlicher auf die moderaten Kräfte setzte.
Von Anfang an stellte sich im Dreißigjährigen Krieg die Frage nach der Beziehung von Politik und Religion sowie nach den Kompetenzen der Beichtväter als Verantwortliche für das königliche Gewissen der katholischen Fürsten. Wie Bireley im ersten Kapitel - "Setting the scene" - sehr gut deutlich macht, war die Frage der Rolle der Jesuiten am Hof ein nicht zu unterschätzender Faktor in der Vorgeschichte des Prager Fenstersturzes, der wiederum direkt auf den Orden zurückwirkte, da die Aufständischen die Vertreibung der Gesellschaft Jesu aus Böhmen veranlassten. Die Vorwürfe gegen den Orden entstammten aus dem internationalen Repertoire des antijesuitischen Arsenals: Missbrauch des Beichtsakraments zu politischen Zwecken, Unterstützung der Monarchomachen und der Theorie der indirekten "potestas" des Papstes über weltliche Herrscher. Die Präsenz der Beichtväter an den katholischen Höfen erschien so als Materialisierung vermeintlich stringenter jesuitischer Machtpolitik. Wie Bireley beweist, hält dies jedoch keiner Überprüfung stand. Die unterschiedlichen nationalen Kontexte führten zu einer jeweils spezifischen Definition dessen, was im Interesse der "Religion" war. Die Instruktionen für königliche Beichtväter schließlich, die Acquaviva 1608 erlassen hatte, erwiesen sich als den Herausforderungen zwischen 1618 und 1648 kaum gewachsen und veranlassten Vitelleschi, sie enger und präziser zu fassen. Ein Dauerproblem war die Beteiligung von Jesuiten an Regierungsgeschäften, was grundsätzlich gegen die Statuten verstieß und dennoch immer wieder vorkam. An diesem Punkt hakte besonders päpstliche Kritik ein, weshalb Carafa ab 1646 eine deutlich restriktivere und strengere Gangart einschlug.
Die Frage, inwiefern der Westfälische Frieden von den katholischen Mächten akzeptiert werden konnte und musste, setzte unter den deutschen Jesuiten einen wahren Krieg der Pamphlete in Gang, dem der Ordensgeneral entgegenzutreten versuchte. Sein Aufruf zur Mäßigung hatte nur beschränkten Erfolg, zumal der päpstliche Nuntius Chigi die militanten Publizisten unterstützte. Ein Großteil der im deutschen Reich ausgetauschten Pamphlete blieben in Rom unbekannt, wohl weil die Verantwortlichen wussten, dass sie sich dort mit ihren Produkten kaum beliebt machen würden. Das Verhältnis von Politik und Religion, die moralischen Fragen, die von der Politik immer aufgeworfen wurden, blieben nicht nur für die Jesuiten auch nach 1648 ein letztlich ungelöstes Problem. Nach der Überanstrengung des Ordens auf dem weltlichen Parkett zeigt sich jedoch nach 1648 eine zunehmende Zurückhaltung in politischen Fragen, was sicherlich auch eine Folge der zurückgehenden Inanspruchnahme der Beichtväter durch die Monarchen selbst war.
Bireley schreibt mit diesem kleinen Buch eine politische Geschichte des Dreißigjährigen Krieges lückenlos aus den Archiven der Gesellschaft Jesu. Die Reichhaltigkeit des Materials beweist, dass der Orden tief in den Konflikt verstrickt war. Angesichts der Fülle der Fakten, die Bireley in erster Linie chronologisch und geografisch anordnet, hätte man sich einige unter thematischen Aspekten strukturierte Kapitel gewünscht, anhand derer die Evolution der divergierenden Meinungen und ihr Dialog innerhalb des Ordens und über die Grenzen hinweg deutlicher hätte herausgearbeitet werden können.
Anmerkung:
[1] Robert Bireley: Maximilian von Bayern, Adam Contzen, S.J., und die Gegenreformation in Deutschland, 1624-1635 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, 13), Göttingen 1975; ders.: Religion and Politics in the Age of the Counterreformation: Emperor Ferdinand II, William Lamormaini, S.J., and the Formation of Imperial Policy, Chapel Hill 1981.
Nicole Reinhardt