Ullrich Schwarz (Hg.): Christian Frederik Hansen und die Architektur um 1800, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2003, 232 S., 25 Farb-, 200 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06366-2, EUR 39,90
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Im Rahmen der Veranstaltungen des Hamburger Architektursommers 2000 fand ein international besetztes Symposion über den dänischen Architekten Christian Frederik Hansen statt. Anlass hierfür war das Erscheinen der deutschsprachigen Ausgabe der großen Hansen-Monographie von Hakon Lund und Lise Thygesen sowie die Ausstellung über "C.F. Hansen in Hamburg, Altona und den Elbvororten". Die Ergebnisse bzw. Aufsätze dieses Symposions wurden mit dem vorliegenden Paperback-Buch von Ulrich Schwarz, der auch organisatorischer Leiter des Architektursommers ist, herausgegeben.
Das ausgesprochene Ziel des Symposions war es, den Architekt Hansen (1756-1845) in den Kontext der europäischen Architekturentwicklung um 1800 zu stellen und dabei die spezifischen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in Dänemark und Hamburg am Ende des 18. Jahrhunderts weiter auszuleuchten. Erst in der jüngeren Forschungsliteratur zur Architektur des 19. Jahrhunderts[H1] weist man auf die europäische Stellung des dänischen Architekten Christian Frederik Hansen hin [1].
Der Sammelband gliedert sich in vier thematische Großkapitel. Eingeleitet wird er mit einer kurzen Biografie von Hansen von Hakon Lund. Hansen, der am 29. Februar 1756 geboren wurde, begab sich im Jahre 1783, nach dem Abschluss seines Architekturstudiums, auf eine ausgedehnte Italienreise. In Rom studierte er, wie es zur damaligen Zeit für junge Architekten üblich war, die antike Baukunst. Nach seiner Rückkehr wurde er Landbaumeister von Holstein. In der Zeitperiode von 1789-1815 liegt seine größte Entwurfs- und Bautätigkeit, unter anderem auch sein größtes Projekt, der Wiederaufbau des Kopenhagener Stadtschlosses Christiansborg, danach fungierte er bis zu seinem Tod 1845 hauptsächlich als Amtsarchitekt. In Altona, das damals zu Dänemark gehörte, findet sich noch heute eine Vielzahl seiner Stadthäuser und Villenbauten.
Die Gebäude Hansens zeichnen sich durch eine klare klassizistische Formensprache aus, deren Einzelformen und Proportionen sich auf die damals gängigen klassischen Architekturtraktate zurückführen lassen, die allerdings von Hansen frei kombiniert wurden. Die Villengrundrisse zeigen auf der einen Seite einen gewissen Einfluss der schematisierenden Forderungen des französischen Theoretikers Jean-Nicolas Durand, zum anderen ist ihre Raumorganisation an Villen von Andrea Palladio angelehnt. Das Äußere der Werke ist deutlich von Hansens italienisch-römischen Erfahrungen geprägt. "Hansen war kein revolutionärer Neuerer, aber er verstand es virtuos, die Möglichkeiten der Architektur seiner Zeit zu nutzen"(20).
Als Architekt war er in seiner Zeit anerkannt, das bezeugen die Mitgliedschaften in den ausländischen Akademien oder auch die lobenden Äußerungen seiner Zeitgenossen und Kollegen, allen voran Friedrich Schinkel und Christian D. Rauch.
Im zweiten Aufsatz des ersten Kapitels versucht Jörg Deuter deutlich zu machen, dass der "Stilwandel" vom Barock zum Klassizismus in Dänemark bereits in den 50er-Jahren des 18. Jahrhunderts stattgefunden hat, und zwar durch die an der römischen "Académie de France" ausgebildeten Architekten Saly und Jardin, die als Hofbildhauer beziehungsweise -baumeister nach Kopenhagen berufen wurden (28). Darauf aufbauend stellt Deuter in kurzer monografischer Form die ersten Architekten- und Künstlergenerationen des dänischen Frühklassizismus vor, die Hansens Schaffen mehr oder weniger beeinflusst haben.
Die vier Aufsätze des zweiten Kapitels beleuchten die politischen und die sozial-kulturellen Verhältnisse in Dänemark und der Stadt Hamburg. In diesem breit angelegten Abschnitt wird deutlich, dass Kopenhagen zu den wichtigsten Zentren der Aufklärung des 18. Jahrhunderts zählte und "einen weiten Rahmen für kulturelle Aktivitäten in Literatur, Publizistik, bildende Kunst und nicht zuletzt Architektur" bildete (60). Vor allem der wirtschaftliche Aufschwung der großen Hansestadt Hamburg und der unmittelbar benachbarten dänischen Stadt Altona, die hinter Kopenhagen die zweitgrößte Stadt des dänischen Gesamtstaates bildete, war der Auslöser für zahlreiche Bauaktivitäten des Großbürgertums. Genau in dieser Zeitspanne bekleidete Hansen das Amt des Landbaumeisters von Holstein (1785-1804).
Werner Oechslin zeigt anhand der Schriften von Friedrich J. L. Meyer, der als Sprachrohr und Organ der hamburgischen Spätaufklärung gilt, wie die damalige Architektur ganz und gar in einen umfassend formulierten Gesellschaftsbezug gebracht wurde und so für die Bedürfnisse einer neuen Gesellschaft differenzierte Bauaufgaben hervorbrachte (86). Während die ersten drei Aufsätze dieses Kapitels fast ausschließlich die historischen Bedingungen beleuchten, stellt der Aufsatz von Hermann Hipp einen konkreten Zusammenhang zwischen der Hamburger Gesellschaft beziehungsweise den Bauherren und der Architektur Hansens her. Hipp analysiert hier allerdings nur die Grundrissdispositionen der Stadt- und Landhäuser Hansens in Hamburg.
Das dritte Kapitel befasst sich schließlich in sieben Beiträgen eingehend mit der Architektur von Hansen.
Anne Lise Thygesen stellt in ihrem Aufsatz das Verhältnis des Architekten zu seinen Bauherren in Altona vor. Dabei wird deutlich, wie der Architekt auf die Wünsche der Bauherren einging, und wie deren "unmissverständlicher Drang (...) nach einer leicht parvenühaften Selbstdarstellung" die Form der Häuser beeinflusste (118).
Der Beitrag von Adrian von Buttlar geht der Frage nach, ob man die Altonaer Landsitze - namentlich die Villen Christian Frederik Hansens - mitsamt ihren im englischen Stil angelegten Landschaftsgärten als Gesamtkunstwerk und Bedeutungsträger ansehen kann. Der Autor veranschaulicht, dass sich diese relativ homogene Gruppe der Altonaer Landsitze in der Zeit von 1790-1830 "als Gesamtkunstwerk im Sinne eines 'liberalen Weltentwurfs'" präsentiert (134).
Julia Berger untersucht die architektonische Gestalt des Landhauses Gebauer (1806) in Kopenhagen. In diesem Entwurf von Hansen, der einen zweigeschossigen, zylindrischen Baukörper mit reetgedecktem Kuppeldach vorsah, vereinen sich die drei Architekturströmungen der Umbruchzeit um 1800: die Antikenrezeption, die französische Revolutionsarchitektur und die englische Gartenarchitektur.
Wolfgang Kemp vergleicht die Stadthäuser Hansens mit den Bürgerhäusern am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert. Wie in dem Aufsatz von Hermann Hipp geht Kemp hier vor allem auf die Grundrissdispositionen der Häuser ein. Sein Hauptaugenmerk richtet er auf die einzelnen Erschließungsvarianten innerhalb der Gebäude. Dabei überrascht, dass Hansen den Treppenanlagen innerhalb der Häuser keine größere Bedeutung beimisst; sie liegen weder zentral noch werden sie optisch inszeniert.
Volker Plagemann weist in seinem Beitrag auf die vielen Zusammenhänge zwischen den Entwürfen von Hansen und den "vier Büchern" des Andrea Palladio hin. Vor allem lassen sich an den einzelnen Gebäuden Hansens eine große Zahl von "Pantheon-Paraphrasen" finden, die von einer Teiladaption in der Apsis der Frauenkirche in Kopenhagen (1811) bis hin zur detailgenauen Reproduktion des korinthischen Kapitells im Landhaus Baur (1803) reichen (163). Ganz im Sinne Palladios zeigt sich auch bei Hansen eine große Vorliebe für das römische Pantheon, das er auf seiner Italienreise (1783) genau studierte und vermaß. Überall gelingt es Hansen, "sein Pantheon-Grundthema mit den Mitteln palladianischer Methoden so zu variieren, dass es zwar erkennbar bleibt, aber doch zu einer neuen architektonischen Komposition geworden ist" (166).
Der Aufsatz von Olaf Bartels über die Hansen-Rezeption in der Altonaer Architektur der Zeit zwischen 1910 und 1930 rundet das dritte Kapitel des Buches ab.
Das kurz gehaltene vierte Kapitel beschäftigt sich in jeweils einem Beitrag mit der klassizistischen Architektur in Frankreich und England.
Daniel Rabreau versucht an einigen öffentlichen Pariser Bauten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts darzustellen, dass die an der römischen Académie de France ausgebildeten Künstler und Architekten eine ganz andere Architekturauffassung im Bezug auf die "imitatio" der antiken Architektur vertraten als ihre deutschen und englischen Kollegen. Rabreau geht davon aus, dass sich hier vor allem die politischen und gesellschaftlichen Ideologien dieser neuen Architektursprache bedienten und diese instrumentalisierten, um die "Idee eines Frankreichs 'á la grecque'" darzustellen (205).
Der letzte Beitrag des Buches von Robert Middelton liefert einen kurzen Querschnitt über das Schaffen von John Soane (1753-1837) und den Klassizismus in England. Middelton sieht in Soane einen Architekten, der die Kontinuität und den Kanon der bis dahin gängigen Architektursprache durchbricht.
Zusammenfassend lässt sich über diese Publikation sagen, dass sie einige interessante Einzelaspekte zum Verständnis der Architektur von Christian Frederik Hansen beiträgt: hier vor allem zu den Stadt- und Landhäusern in Hamburg und Altona; als monografische Arbeit ist sie allerdings nicht zu verstehen. Die vielen historischen Beiträge nehmen im Umfang des Buches einen zu großen Raum ein; zwar wird dies einleitend erwähnt, aber der Leser erwartet dann zumindest einen konkreteren Bezug zur Architektur Hansens. Schade ist auch, dass die Querverweise, Beziehungen und Gegenüberstellungen der hansischen Architektur zum Klassizismus in anderen Regionen oder Ländern nur punktuell angerissen werden. Ein Buchtitel wie "Das architektonische Wirken C. F. Hansens in Hamburg und Altona im Kontext der Gesellschaft" hätte den Inhalt des Buches wohl besser beschrieben.
Anmerkung:
[1] Middelton, Robin / Watkin, David: Klassizimus und Historismus. 2 Bde. Stuttgart 1987; Hitchcock, Henry-Russel: Die Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. München 1994.
Thomas Werner