James E. Young: Nach-Bilder des Holocaust in zeitgenössischer Kunst und Architektur. Aus dem Amerikanischen von Ekkehard Knörer, Hamburg: Hamburger Edition 2002, 293 S., zahlr., z.T. vierfarb. Abb., ISBN 978-3-930908-70-7, EUR 30,00
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Der Verfasser, Professor für Englisch und Judaic Studies an der Universität von Massachusetts, Amherst, und Direktor der Association of Jewish Studies, hat sich schon in früheren Arbeiten mit der Erinnerung an den Holocaust und mit künstlerischen Verarbeitungsformen beschäftigt, außerdem war er seit 1997 Mitglied der fünfköpfigen Berliner Findungskommission zum Holocaust-Mahnmal. Er hat sich in wichtigen Beiträgen an der Debatte beteiligt. Sein neues Buch stellt keine systematische Studie zum Umgang mit dem Holocaust in Kunst und Architektur dar, sondern enthält eine Reihe von reflektierenden Essays, die verschiedenen, durch zahlreiche Abbildungen anschaulich gemachten Beispielen der Holocaust-Verarbeitung gewidmet sind. Auch wenn die in den letzten Kapiteln zunehmend persönlich gehaltene Darstellungsweise nicht jedem Leser liegen muss, bietet das Buch doch geistreiche und anregende Erörterungen.
Die Einleitung enthält Überlegungen zur Erinnerung an den Holocaust und zur Problematik einer Künstlergeneration, die nicht mehr aus eigener Erfahrung berichtet, sondern der nur die Erinnerungen der Überlebenden zur Verfügung stehen, die streng genommen lediglich ihre Erfahrung mit diesen Erinnerungen in der Kunst verarbeiten kann. Es geht also primär um die Übermittlung der Geschichte. Für Young tritt sie allerdings "nicht in Konkurrenz zur historischen Wirklichkeit", vielmehr ist sie "einer ihrer Bestandteile" (9). Denn erst aus der Art und Weise, wie Vergangenheit erinnert, vermittelt und künstlerisch dargestellt werde, ergebe sich, "warum es so wichtig sein soll, sich überhaupt an sie zu erinnern" (12). Dies ist der rote Faden, der die Essays durchzieht. Die nach Auschwitz Geborenen, so Young, müssten sich nicht nur mit dem Holocaust, sondern ebenso mit der Erinnerung an ihn und mit der Erfahrung der Erinnerung auseinandersetzen. Ereignis und Erinnerung seien eng verknüpft, die Erinnerung und die Tradierung durch "Akteure der Geschichte" nur "eine andere Art von Geschichtserzählung" (19). Künstler könnten dabei wiederum der Geschichtswissenschaft Anregungen zu einer komplexeren Sicht auf die Vergangenheit geben.
Das Buch behandelt in den ersten Kapiteln drei amerikanische Künstler, die Erzählungen über den Holocaust in ihrer Kunst verarbeit haben, nämlich Art Spiegelman und seine umstrittenen Maus-Comics über den Holocaust, die Fotografien der "Mein Kampf-" Serie von David Levinthal, der Elemente der Spielzeugkultur verwendet, und Shimon Atties unter dem Titel "Sites Unseen" entworfene Installationen. Darauf folgen Beispiele von Denkmälern zum Holocaust. Das reicht von verschiedenen Gegendenkmälern, darunter besonders die Projekte von Jochen Gerz, über Daniel Libeskinds Jüdisches Museum in Berlin bis zum Holocaust-Mahnmal. Durchweg geht es um die Frage, ob nicht schon jede Darstellung des Holocaust, sei es durch Geschichtsschreibung, sei es durch Kunst, "von potentiell versöhnlicher Wirkung" ist, weil sie Zweifel überspielt, Gewissheiten vermittelt und Verstehen suggeriert. Es geht Young um die Überwindung dieses Dilemmas und die Suche nach angemessenen Formen der Erinnerung, um "eine antierlöserische Geschichte des Holocaust" (13).
Behandelt wird eine Kunst, die diejenigen Orte ins Bewusstsein ruft, an denen Erinnerung präsent wird, die - reale oder imaginierte - Erinnerungsorte im eigentlichen Sinn gestalten will. Versenkte, unsichtbare, imaginierte, verzerrte, verfremdete, ironisierte oder interaktive Denkmäler stehen für unterschiedliche Formen des Bemühens um eine "antierlöserische Geschichte". Tatsächlich allerdings bemühen sich auch manche derartige Gegendenkmäler, darunter nicht wenige Entwürfe zum Holocaust-Mahnmal wie das erfolgreiche Eisenman-Projekt, doch um eine erlösende Erinnerung. Das gilt selbst für das Jüdische Museum und seine nur scheinbar verunsichernde Architektur. Der durch große Besucherzahlen schon vor der Eröffnung der Dauerausstellung belegte Erfolg liegt nicht zuletzt darin begründet, dass das Museum eben doch eine sehr eindeutige Botschaft vermittelt: die Gewissheit der Verstörung.
Diese Ambivalenz wird von Young freilich nicht mehr diskutiert, obwohl er in Bezug auf das Holocaustmahnmal durchaus Sinn für die Ironie der Erinnerungsarbeit zeigt: Anfangs ablehnend gegenüber dem Mahnmalsprojekt eingestellt, "wurde ich mit der Zeit meinem eigenen Skeptizismus gegenüber immer skeptischer" (216). Immerhin habe er sich mit seiner Haltung "in Deutschland viele Freunde gemacht und ein gutes Auskommen als Skeptiker gehabt" (227). Von Young stammt auch die - hier wiederholte - Idee, dass die lange Jahre ergebnislose Mahnmalsdebatte selbst als Denkmal verstanden werden müsse. Optimistisch vertritt er schließlich die These, dass mit der Entscheidung über die endgültige Gestaltung noch nicht das Ende der Debatte erreicht und keine offizielle Staatserinnerung fixiert, sondern erst "die Hälfte der Debatte zurückgelegt" sei. Erst mit der Vollendung beginne die Diskussion um "Deutschlands nationales Holocaust-Narrativ", um den eigentlichen "Text des Mahnmals" (260).
Winfried Speitkamp