KOMMENTAR ZU

Stefan Altorfer: Rezension von: Friedrich Edelmayer / Maximilian Lanzinner / Peter Rauscher (Hgg.): Finanzen und Herrschaft. Materielle Grundlagen fürstlicher Politik in den habsburgischen Ländern und im Heiligen Römischen Reich im 16. Jahrhundert, München: Oldenbourg 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 7/8 [15.07.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/07/5240.html

Von Peter Rauscher, Wien

Kommunikation zwischen ForscherInnen ist eine der Voraussetzungen für die Modifizierung der eigenen und die Entwicklung neuer Ideen. Rezensionen können und sollen diesen Austausch intensivieren, Inhalt und Ziel des besprochenen Werks darlegen und kritisch bewerten, um so mögliche LeserInnen zu informieren. Gerade dies geschieht in der Besprechung des von mir mitherausgegebenen Bandes "Finanzen und Herrschaft" durch Stefan Altorfer leider nicht, weil der Rezensent Anspruch und Inhalt des Buches verunklarend bzw. gar nicht darstellt. Daher einige Bemerkungen:

Stefan Altorfer widmet mehr als die Hälfte seiner Rezension der Einleitung (S. 9-19) und der Zusammenfassung (S. 291-304), also einem relativ kleinen Teil des Buches. Dies ist insofern durchaus verständlich, als vor allem in der Einleitung das Konzept des gesamten Bandes erklärt werden sollte (und wird). Etwas befremdlich ist allerdings, dass Altorfer zwar geneigt ist, den Herausgebern zu "verzeihen", nicht die gesamten mit dem Themenkomplex "Staatsfinanzierung" zusammenhängenden Fragestellungen und Erkenntnisziele eingehend diskutiert zu haben (was wir auch nicht wollten) und durchaus feststellt, dass die AutorInnen den Hauptzielen des Bandes, nämlich den aktuellen Forschungsstand zur Finanzgeschichte des Habsburgerreiches zu dokumentieren, gerecht wurden, den Leserinnen und Lesern aber andererseits mitteilt, der Band habe nur in einzelnen Kapiteln die gesetzte "Messlatte" erreicht.

Nun, nichts auf dieser Welt ist fehlerlos, auch kein wissenschaftlicher Text, darüber brauchen wir kaum zu diskutieren, und es ist ebenso selbstverständlich die Aufgabe eines Rezensenten, die Schwachstellen und Vorzüge eines Buches herauszustreichen. Reden wir daher besser über die Messlatte: Das meiste, was Stefan Altorfer kritisiert, nämlich vor allem die "beinahe vollständige Absenz theoretischer Überlegungen" hat mit der unserem Autorenteam gelegten Messlatte kaum etwas zu tun. Zwar wurden in der Einleitung mögliche Erträge finanzhistorischer Forschungen für die Geschichtswissenschaft angesprochen, es war jedoch nicht unser Ziel, in diesem Rahmen einen weiteren Beitrag zur Modellbildung zu leisten (zu den Zielen des Bandes siehe ausführlich S. 19). Ist dies zulässig? Ich denke schon. So hat der Rezensent selbst durchaus zu recht festgestellt, dass "solche Modelle nicht für mehr gehalten werden [dürfen], als sie sind, nämlich grobe Vereinfachungen oder Typologien". Wie nicht zuletzt die Absolutismusdebatte gezeigt hat, sind alle Typologien relativ leicht angreifbar, weil sie entweder einen großen Teil des historischen Befundes nicht integrieren können, oder inhaltsleer sind. Geschichte kann nicht auf den Begriff gebracht werden. Das heißt nicht, dass die Geschichtswissenschaft auf jede Form von Begriffsbildung zu verzichten hat, es heißt vielmehr dass innerhalb der Geschichtswissenschaft ein vernünftiges Verhältnis zwischen Typologie, Komparatistik, Theoriebildung etc. und von methodisch einwandfrei gewonnenen empirischen Befunden bestehen muss. Wie gerade auch die Sammelwerke von Richard Bonney gezeigt haben, stößt die Vergleichbarkeit im europäischen Kontext sehr schnell an ihre Grenzen, ganz einfach weil der Quellen- und Forschungsstand zu einzelnen Herrschaftseinheiten sehr unterschiedlich ist. Ziel unseres Sammelbandes war es, einige der Forschungslücken auszufüllen und ein Forum für neueste, auf breiter Quellenbasis gearbeitete Beiträge zur Finanzgeschichte der Habsburgermonarchie und einiger benachbarter Territorien zu bieten.

Im Gegensatz zu seiner ausführlichen Besprechung der Einleitung will sich Altorfer auf eine Diskussion über die Inhalte des Buches nicht einlassen und meint, dass "[a]uf eine detaillierte Zusammenfassung der einzelnen Beiträge (...) verzichtet werden" kann, weil das "im Band an zwei Stellen geschieht". Selbstverständlich kann in einer Rezension von einer "detaillierten" Zusammenfassung keine Rede sein, eine etwas intensivere Auseinandersetzung mit den Aufsätzen, immerhin dem größten Teil des Buches, wäre freilich wünschenswert gewesen. Eine solche Besprechung der Beiträge wird jedoch vermieden, obwohl der Rezensent davon ausgehen muss, dass die LeserInnen der Rezension weder Einleitung noch Zusammenfassung des Bandes zur Hand haben. Altorfer "benotet" zwar die Beiträge im Ton von "Julia Zangerl liefert eine anregende Studie über das Wiener Salzamt (...)", was er an dem Aufsatz als anregend empfindet, behält Altorfer jedoch für sich.

Soweit ich das richtig gesehen habe, wird vom Rezensenten kein einziger Beitrag in den Kontext der bisherigen Forschungen gestellt. Nur so wäre es aber möglich, den wissenschaftlichen Wert der Aufsätze zu beurteilen. Allerdings ist dies auch relativ schwierig, weil einem dazu der Stand der Forschung geläufig sein muss. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Die Arbeiten von Géza Pálffy haben in den letzten Jahren erheblich zum Verständnis der sogenannten "Türkengrenze", ohne deren Finanzbedarf weder die Reichstage des Heiligen Römischen Reichs, noch die Landtage der habsburgischen Länder verständlich wären, beigetragen; István Kenyeres geht in seiner (deutschsprachigen!) Darstellung der Finanzen des Königreichs Ungarn sowohl hinsichtlich des Zahlenmaterials, als auch in seiner Analyse weit über die bisherigen Forschungen von Ignác Acsády oder Győző Ember hinaus. Davon ist in der Rezension keine Rede. Stattdessen meint Altorfer, es "ließe sich für einige der untersuchten Gebiete mit relativ wenig Zeitaufwand ein Nährungswert zur Pro-Kopf-Belastung durch die Finanzierung der Türkenabwehr berechnen". Nach meinen Kenntnissen der Quellen ist dies alles andere als leicht, da uns für das 16. Jahrhundert schlichtweg das notwendige Zahlenmaterial fehlt (z. B. ist – wie an mehreren Stellen des Bandes betont wird – allein die Ermittlung und Interpretation der Finanzdaten keineswegs einfach, noch schwieriger ist z. B. das Abschätzen von Bevölkerungszahlen), das für eine seriöse Quantifizierung notwendig wäre. Welchen Fortschritt brächte eine solche Pro-Kopf-Quote, wenn wir kaum über eine Vergleichsbasis in Form von Zahlen zu Lebenshaltungskosten, Löhnen, Abgaben etc. verfügen (für das 18. oder 19. Jahrhundert sieht die Situation freilich völlig anders aus)? Die ungleiche Belastung der einzelnen Länder – und damit auch Bevölkerungen – lässt sich jedenfalls auch anhand der veranschlagten Steuersummen zeigen.

Am Ende seiner Besprechung stellt der Altorfer fest: "Leider teilt der Sammelband mit vielen ähnlich gelagerten Projekten den Nachteil, dass er letztlich mehr ein Nebeneinander durchaus interessanter Einzelartikel als einen umfassenden Vergleich bietet." Dieser Befund ist weitgehend richtig. Allerdings trifft er zwangsläufig auf (fast?) jeden Sammelband und noch viel mehr auf jede Zeitschrift zu. Sollen wir diese Medien deswegen abschaffen, oder sollten wir nicht froh sein, dass wir uns mit ihrer Hilfe über aktuelle Forschungsarbeiten austauschen können?