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Maria Goloubeva: The glorification of Emperor Leopold I in image, spectacle and text (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abtlg. Universalgeschichte; Bd. 184), Mainz: Philipp von Zabern 2000, XI + 254 S., 11 schwarz-weiss-Abbildungen, 1 Frontispiz, ISBN 3-8053-2704-8, DM 78,00

Rezensiert von:
Martin Wrede
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Nachdem Peter Burke vor einigen Jahren die "fabrication of Louis XIV" untersucht hat, widmet sich die Dissertation seiner Schülerin Maria Goloubeva jetzt der "glorification" von Ludwigs dauerhaftem Rivalen Leopold I. und schließt damit eine Forschungslücke. Sie stützt sich auf sehr unterschiedliche Quellen aus dem Bereich der höfischen Repräsentation - "image, spectacle and text" -, legt allerdings den Schwerpunkt auf die Hofopern, die, wie sie nachdrücklich herausstellt, das Herzstück der kaiserlichen Selbstdarstellung bildeten (21-25 u. 46-47). Damit ist bereits angedeutet, dass der methodische Zugriff zwischen (Selbst-) Darstellung und Propaganda unterscheidet und der Blick auf die letztere nur gelegentlich ergänzend hinzutritt. Dies ist auch schon anders gesehen worden (Vocelka), und die Grauzonen sind der Verfasserin bewusst, doch der so gewählte und definierte Zugriff garantiert eine Konsistenz des Quellenmaterials, schützt vor dem Abdriften ins unendlich Ungefähre und kommt der Arbeit daher zweifellos zugute.

Auf die Thema und Methode reflektierende Einleitung folgen vier inhaltlich strukturierte Hauptteile, die dabei allerdings auch einer groben Chronologie folgen: Teil 1 ("The Settings", 29-81) blickt auf die Traditionslinien höfischer Repräsentation bei den österreichischen Habsburgern und arbeitet die Rahmenbedingungen heraus, unter denen sich Leopolds "glorification" vollzog. Diese war im Vergleich zu Ludwig XIV. weniger zentral gesteuert, weniger genau überwacht, operierte mit vielfältigeren Urhebern und Übermittlern - ein Zufallsprodukt war sie aber nicht (66).

Teil 2 ("Peacetime Representations", 85-120) zeigt, wie der Kaiser vornehmlich in seiner ersten Regierungshälfte herausgestellt wurde als Friedenswahrer (auch konkret auf 1648 bezogen, 88) und Stütze der göttlichen Ordnung. Immer wieder wurde auch in dieser Phase relativer Schwäche auf die Stellung des Kaisers als Haupt der Christenheit zurückgegriffen (93). Militärisches Dekor und Gepränge vermied man in Reaktion auf den Dreißigjährigen Krieg offenbar gezielt, um statt dessen das Bild von Freude und Frieden zu verbreiten (89). Das Ausbleiben eines Erben schien die dargestellte Stabilität allerdings in zentraler Weise in Frage zu stellen, so dass hier zu ihrer Aufrechterhaltung im höfischen Fest nachdrückliche Anstrengungen unternommen wurden - eine Strategie, die auch in anderen Krisensituationen Anwendung fand, und die die Verfasserin als recht erfolgreich einschätzt (118).

Teil 3 ("Leopold at War", 123-163) zeigt dann ein verändertes "Bühnenbild", vor dem Leopold nicht mehr als Dulder, sondern als Sieger agierte. Das Jahr 1683 markierte hier naturgemäß einen Wendepunkt. Der "unmilitärischste aller Habsburger" (Aretin) wurde zum Türkensieger und Beschirmer der Christenheit ausgerufen; das dabei bestehende Problem der militärischen Enthaltsamkeit des Kaisers spiegelte sich zwar wider, wurde aber aufgefangen durch die Berufung auf die überragende "Tugend" Leopolds. Dieses Motiv verklammerte alle Aspekte seiner öffentlichen Darstellung. Auch der triumphierende Leopold wartete weniger mit ´gloire´ als vielmehr mit ´vertu´ auf (141). Eindrucksvoller und erfolgreicher noch als im Kontext der Türkenkriege ließ sich dies dann in die Auseinandersetzung mit Frankreich einfügen, in der Leopolds "moralische Überlegenheit" Ludwig XIV. programmatisch entgegengestellt wurde (152). Moralisch überlegen musste auch der strafende Kaiser sein, der den ungarischen Rebellen gegenübertrat. Merkmal seiner Größe war exemplarische Festigkeit, vor allem aber "Clemenz" (163).

Der dritte Teil macht zweifellos eine besonders interessante Partie des Buches aus, da er den Kaiser von einer sonst weniger akzentuierten Seite zeigt, der eigentliche inhaltliche "Kern" ist aber wohl Teil 4, der unter Rückgriff auf die vorher erarbeiteten Ergebnisse "The Ideal Leopold" skizziert (167-228). ´Clementia´ und ´pietas´, ´prudentia´ und ´fortitudo´ machten als leopoldinische Tugenden den Monarchen zum "model of virtue" (189) und erschienen als Grundlagen seiner von Gott verfügten politischen Erfolge. Unter diese Erfolge waren aus Wiener Sicht auch die der Rekatholisierungsmaßnahmen in Ungarn zu zählen, doch blieb das Kaiseramt sogar vor diesem Hintergrund nicht ohne Ausstrahlung auf die reformierte Christenheit (192), die im Übrigen partiell auch den Gedanken vom Türkenkrieg als ´bellum domini´ rezipierte (210). Der Stellenwert der ´pietas austriaca´ für Dynastie und Land ist seit langem bekannt, Goloubeva weist indes zudem differenziert darauf hin, dass im Wettstreit mit Versailles Wien weltliche ´grandeur´ zwar gleichfalls reklamierte und inszenierte, an der spezifischen habsburgischen ´pietas´ aber weiterhin mit besonderem Nachdruck festhielt. Dies war im Übrigen weit über Leopold hinaus der Fall, doch auch in der langen Traditionslinie setzte die Stilisierung des "fast heiligmäßigen Kaisers" einen besonderen Akzent (201-202). Die Rezeption des so erzeugten Bildes Leopolds wird in einer Art "Ausblick" untersucht (213-228), der die Frage zwar nicht abschließend beantwortet, aber bereits klar erweisen kann, dass Leopold offenbar im Reich "ankam" (wie gleichfalls in Italien und Spanien). Denn auch in unterschiedlichsten Schriften wurden die in Wien vorgegebenen Muster der "glorification" nachvollzogen, und dies galt nicht nur für den katholischen Reichsteil oder kaisernahe oberdeutsche Reichsstädte, sondern, zumindest ab 1683, ebenso für das protestantische Norddeutschland. Dort wurde das Bild zwar von den ungarischen Religionsquerelen überschattet, nicht aber wirklich verdunkelt (219f.).

Die Zusammenfassung bündelt dann nicht nur die Ergebnisse - Leopold als moralisch überlegener Monarch, Stütze der göttlichen Ordnung und, dem Anspruch nach, weiterhin Haupt der Christenheit -, sondern zeigt auch noch einmal ausdrücklich auf, inwieweit dieser Kaiser in der Tradition habsburgischer Selbstinszenierung stand und in welchem Maße "Leopold der Große" sie auch überragte.

Die "glorification" Leopolds war wesentlich Antwort auf die "fabrication" Ludwigs, und Goloubeva zeigt die Wechselbeziehung allenthalben auf, sie hat jedoch aus gutem Grund keine Geschichte der bloßen höfischen Konkurrenz zwischen Wien und Versailles geschrieben, denn ein bloßer Reflex der französischen Sonne war, wie sie gleichfalls hinreichend deutlich machen kann, der Wiener Glanz nicht.

Die Arbeit ist klug dimensioniert, prägnant wie zugleich sorgsam abwägend formuliert, und wenn sie vielleicht nicht alle möglichen Aspekte des Themas mit gleicher Entschlossenheit angeht, so bietet sie weiteren Forschungen doch Anregungen, neue Grundlagen und Erkenntnisse. Das ist es auch genau, was eine Dissertation leisten kann, soll, und was die Verfasserin selbst will. Wer sich künftig mit Leopold I., seinem Hof und mit dem Herrscherbild seiner Epoche beschäftigt, wird gerne und mit Gewinn nach dem Buch von Goloubeva greifen.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass diese in Deutschland erschienene, am Mainzer Institut für Europäische Geschichte für den Druck bearbeitete Cambridger Dissertation einer lettischen Historikerin ein schönes Beispiel für einen gesamteuropäischen akademischen Austausch ist.

Am Rande angemerkt: Der Rezensent schätzt sich glücklich, auf S. 157, Fußn. 8, einen Druckfehler gefunden zu haben (lies: Wagner). Es war der einzige.

Empfohlene Zitierweise:

Martin Wrede: Rezension von: Maria Goloubeva: The glorification of Emperor Leopold I in image, spectacle and text, Mainz: Philipp von Zabern 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=106>

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