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Roland Pieper: Dalheim. Pfarrort - Kloster - Staatsdomäne, Münster: Ardey 2000, 288 S., ISBN 3-87023-115-7, DM 48,00

Aus: Geschichtsblätter für Waldeck

Rezensiert von:
Gerhard Aumüller

Die Säkularisation der Klöster nach 1803 hat zwar nach der Einschätzung H. Kluetings nur geringen wirtschaftlichen Schaden verursacht, welcher kulturelle Reichtum dabei aber vernichtet wurde, läßt sich allein abschätzen, wenn man nur einen Blick in die beiden Bände des von K. Hengst herausgegebenen "Westfälischen Klosterbuchs" wirft. Plastisch und differenziert wird jedoch das Bild der kulturellen und spirituellen Vielfalt, die durch die Säkularisation unwiederbringlich verlorengegangen ist, erst nach der Lektüre von so fundierten Darstellungen, wie sie nunmehr der Münsteraner Kunsthistoriker Dr. Roland Pieper mit seinem Band über das ehemalige Augustiner-Chorherren-Kloster Dalheim im Sintfeld vorlegt. Schon im Mittelalter berührte das im südlichen Paderborner Land nahe der Grenze des kurkölnischen Sauerlandes und der Grafschaft Waldeck gelegene Kloster die Interessensphäre der Waldecker, und noch in der Barockzeit gehörte das obere und mittlere Diemelgebiet mit den genannten Anrainern zu einer kulturell relativ geschlossenen Region, wenn sie auch konfessionell und herrschaftlich verschiedenartig untergliedert war. Von daher ist Kloster Dalheim auch für die waldeckische Landes- und Kulturgeschichte von besonderem Interesse. Seit dem Erwerb dieser mit zu den bedeutendsten Klosteranlagen Norddeutschlands zählenden ehemaligen Komände durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Jahre 1979 und den darauffolgenden Restaurations-, Sicherungs- und Erschließungsarbeiten entwickelt sich der eindrucksvolle Komplex zu einem touristischen Schwerpunkt, der durch die Aktivitäten des "Dalheimer Sommers" mit Theater- und Konzertaufführungen, mit Kunstausstellungen, wissenschaftlichen Tagungen und durch Kunsthandwerksmärkte weit über die Region hinaus als Kuturzentrum bekannt geworden ist. Durch den seit 1995 vorliegenden Band Dalheim des Westfäl. Urkundenbuchs (hrsg. V. Dr. H. Müller, Staatsarchiv Münster) und die Tätigkeit vor Ort ist dem Verfasser R. Pieper wesentlich erleichtert worden, den relativ komplizierten Werdegang der mächtigen Klosteranlage mit all seinen Brüchen, Umschwüngen und Wechseln im Baubestand und dessen Nutzung darzustellen. Aber auch das nach wie vor fehlende Gesamtnutzungskonzept dieser Anlage wird in Zeiten knapper werdenden Geldes als wesentliches Desiderat herausgestellt.

Ursprünglich als ministerialischer Pfarrort angelegt, wurde Dalheim ab der Mitte des 13. Jahrhunderts bis nach 1384 als Frauenkonvent genutzt, dessen Untergang sicher im Zusammenhang mit den schweren Ministerialenkämpfen im Sintfeld (Sternerbund, Michaelsbrüder) und dem Untergang der Stadtgründung Blankenrode (unter kräftiger Mitwirkung des Grafen Heinrich VI. von Waldeck, "des Eisernen") zu sehen ist. Einen entscheidenden Aufschwung nach der jahrelangen Verwüstung leiteten die der Devolio moderna nahestehenden, über Frenswegen (hei Nordhorn) und Kloster Böddeken (bei Büren) nach Dalheim entsandten Augustiner-Chorherren ein, die bis zum Dreißigjährigen Krieg die Grundlage der Klosteranlage mit spätgotischer Kirche, Klausur und Wirtschaftshof schufen. Unter den bedeutenden Prälaten Schonlau und Westrup erfolgte dann im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts die Barockisierung der Anlage, an der u.a. vermutlich auch der aus Norden (bei Warburg) stammende bedeutende westfälische Barockarchitekt Johann Conrad Schlaun und natürlich die Giershagener Papen-Werkstatt beteiligt gewesen sind. Nicht ausdrücklich im Text vermerkt ist die Tatsache, daß bei der großzügigen Umgestaltung der Anlage auch viele Handwerker wie der Maurermeister Conrad aus dem waldeckischen Rhoden angeheuert worden waren.

Ein Großteil des Werks ist der detaillierten historischen und vor allem kunsthistorischen Darstellung dieser beiden Epochen des Klosters mit seinen spätmittelalterlich-gotischen und barocken Kunstschätzen des Baubestandes gewidmet, die freilich durch die sich an die Säkularisation anschließende Nutzung als Staatsdomäne weitgehend ruiniert wurden. Der Hochaltar der Kirche, der Lettner und die zahlreichen Nebenaltäre wurden zerschlagen, die Einrichtung zerstört, die kostbare, im Kern auf die Bader-Werkstatt zurückgehende Orgel nach Borgentreich versetzt (wo sie in umgebauter, veränderter und dringend restaurationsbedürftiger Form erhalten ist) und der Kirchenraum durch Einziehen eines Zwischenbodens in einen Pferdestall bzw. Heuboden umgewandelt. Der mit wundervollen gotischen Ausmalungen versehene Kreuzgang wurde zum Kälberstall und anstelle des Gartens des Kreuzgangs eine Mistgrube angelegt. Kapitelsaal und Prälatenräume wurden als Wohn- und Wirtschaftsräume umfunktioniert, größere Bereiche mußten nach einem Brand abgerissen werden, und die mächtigen, eindrucksvollen barocken Wirtschaftsgebäude und Scheunen wurden von den verschiedenen Pächtern neuen Zwecken zugeführt. Das Schicksal auch dieser Gebäude wird detailliert, in manchmal fast erdrückender Materialfülle geschildert. Eine Darstellung der dem Kloster zugehörigen Außenwerke wie die Kirchen in Oesdorf, Husen, Meerhof und das Stadthaus in Paderborn runden die überaus sorgfältige und kenntnisreiche Monographie ab. Besonders bemerkenswert sind die teils historischen, teils eigens angefertigten, technisch hervorragenden Fotografien, insbesondere auch Farbfotos von architektonischen oder kunsthistorischen Details, Karten, Skizzen und Bauzeichnungen sowie Reproduktionen von Archivalien.

Der wissenschaftliche Apparat mit 774 Anmerkungen, einem Glossar, einer Auflistung der Ansichten, Karten und Pläne (insgesamt 148) und eine sich auf das Allernotwendigste beschränkende Bibliographie der gedruckten Quellen und Literatur sowie ein Orts- und Personenregister ermöglichen weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen. Wünschenswert wäre vielleicht eine Zusammenstellung der wesentlichen Exponate in der nunmehr museal genutzten ehemaligen Klosterkirche gewesen. Alles in allem ist das Piepersche Buch eine mustergültige Darstellung eines in jeder Hinsicht faszinierenden Kulturdenkmals, das zu besuchen sich immer wieder lohnt.

Empfohlene Zitierweise:

Gerhard Aumüller: Rezension von: Roland Pieper: Dalheim. Pfarrort - Kloster - Staatsdomäne, Münster: Ardey 2000, in: INFORM 1 (2000), Nr. 5, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=395>

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