sehepunkte 25 (2025), Nr. 12

Stephen Daniels / Dell Upton (eds.): Landscapes in the Making

Das Interesse an den Beziehungskomplexen Mensch und Umwelt - historisch und zeitgenössisch - weitet sich spätestens seit den politischen Umweltbewegungen der 1970er Jahre breit in den Geisteswissenschaften aus. Die sogenannten Environmental Humanities speisen ihr Interesse dabei oft aus aktuellen Umweltkrisen, auch wenn sie sich historischen Themen widmen. Wie etwa Denis Cosgrove oder Greg Thomas vor längerer Zeit in jeweils separaten Publikationen feststellten, wird dieser Diskurs in den Kunstwissenschaften auch im Kontext des Konzepts der Landschaft und seiner Begriffs-, Ideen- und Bildgeschichte geführt. [1]

In diesem Fahrwasser bewegt sich auch der Band Landscapes in the Making, der sich kulturwissenschaftlichen Landschaftsdiskursen unter dem methodischen Schlagwort des "Making" widmet. Die Publikation umfasst Vorwort, Einleitung, 13 Aufsätze und damit fast 400 Seiten. Es geht dabei vordergründig um historische Landschaftsprozesse, die mehr von gesellschaftspolitischen als von umweltspezifischen Problemen herzurühren scheinen. Die Herausgeber verstehen sich als "historians of land and place" (ix), wurzelnd in der Kulturgeografie Cosgroves, und setzen den Fokus auf historisch und zeitgenössisch marginalisierte Stimmen in Landschaftsdiskursen. Es wird der Anspruch gesetzt, Umweltgeschichte als "legacy of race, identities and differences" (ix) zu betreiben, um sich (post-) kolonialen Narrativen zu stellen und "place and land" (ix) inklusiv zu erschließen.

Im Vorwort wird mit dem Hinweis eingeführt, dass Dumbarton Oaks als Tagungs- und Entstehungsort des Bandes auf indigenem Territorium liege. Es folgt eine Anerkennung der "native nations" (ix) und derer vermeintlich "unbroken and unbreakable" (ix) Beziehungen zur betreffenden Umwelt. [2] Rhetorischer Anerkennung zum Trotz, wird Dumbarton Oaks und seine Umweltgeschichte weiter nicht thematisiert.

In der Einleitung liefern die Herausgeber eine Selektion marxistischer Landschaftstheorien und setzen die durch Produktionsprozesse bedingte Gemachtheit von Landschaft als argumentativen Ausgangspunkt. William Hoskins nationalgeschichtliche Landschaftstheorie führt zum titelgebenden Begriff des "Making" [3]. "Making" als Konzept wird im Sinne Tim Ingolds als Entstehung von Umwelten durch morphogene, wechselseitig-transformative Interaktionsprozesse mit Menschen verstanden und für die Forschung aktualisiert: [4] Gerade der hier anklingende wechselseitige Charakter verbleibt jedoch im Weiteren unerwähnt. Don Mitchells "labor theory of landscape" (6), die eine inklusive "peoples landscape historiography" (6) fordert [5], führt die Herausgeber zu einem Landschaftsverständnis als Produkt physischer Arbeit, auch bedingt durch Ausbeutung, Unterdrückung und Unfreiheit. (12) Durch John Barrell und vor allem Denis Cosgrove wird die Erforschung von Landschaftsrepräsentationen mit Landschaftstheorie methodisch zusammengeführt. [6] Die Rolle von Umwelten als sich auch unabhängig von Menschen verändernd und auf Geschichte einwirkend, wird kaum behandelt. So markiert "Making" den Landschaftsbegriff als prozesshaftes Kulturprodukt von Imagination und historischen Umständen, bei denen "non-elite actors and landscapes" (9) eine bisher in der Forschung unterrepräsentierte Rolle spielen. Posthumanistische Vorstellungen von Umwelt als Non-Human Actor bleiben unkommentiert. [7] Der hier sicher fruchtbare dialektische Aspekt zwischen menschlicher Handlung und Umwelten wird zwar angeschnitten, doch im weiteren Fortgang nicht konsequent behandelt.

Aufbauend auf einer selektiven Forschungsgeschichte, die zentrale Positionen wie etwa W.T.J. Mitchells Landscape and Power auslässt [8], wird so ein Zugang formuliert, der in den Beiträgen exponiert werden soll. Auch die Herausgeber bemerken, dass Grundlegendes ungelöst bleibt; so etwa die Problematik und Verortung ihres Landschaftsverständnisses im breiteren, auch aktuellen Diskurs. Wie auch die Herausgeber selbst, fragt man sich nach zwanzig dichten Seiten Einleitung, "What is it that we study? " (16) und "How should these never-static sites be evaluated? To what end?". (17)

Die 13 Beiträge stecken ein in zeitlicher, räumlicher und methodischer Hinsicht beeindruckend diverses und umfangreiches, interdisziplinäres Feld ab. Multimedial werden Ortsbezeichnungen, Karten, Fotografie, Werbegrafik oder Feldforschung einbezogen; man beschäftigt sich etwa mit den versklavten Menschen, die das US-amerikanische Kapitol erbauten, den Arbeitern und Arbeiterinnen im Rom der Renaissance, mit Gärtnerei im Amsterdam des 18. Jahrhunderts oder "migrant jardineros" (1), die die Hügel von Los Angeles pflegen. Doch auch indigene Praktiken der Bezugnahme zu Umwelten werden behandelt, so etwa die jüngsten Waldräumungen durch indigene Maya um die Ruinen ihrer historischen Stätten oder der Tanz moderner nigerianischer Priester in sakralen Umwelten.

Nach der Lektüre der durchgängig aufschlussreichen Artikel ist man um interessante Beispiele und Inhalte bereichert und sich der Vielfältigkeit des Themas und vor allem der allgemeinen Forschungslücken bewusster. Dennoch vermisst man einen klaren gemeinsamen und aktuellen methodischen Nenner, der die Essays zusammenhält. [9] Besonders der komplexe Begriff der Landschaft hätte in der Einleitung klarer besprochen und problematisiert werden können.

Der Band offeriert dennoch den produktiven Vorschlag, inhaltlich und methodisch breite Spannen abzudecken. Indem bisher Marginalisiertes miteinbezogen und Forschungslücken ausgeleuchtet werden, liefert er einen wichtigen Beitrag zur Landschafts- und Umweltforschung in den Geisteswissenschaften.


Anmerkungen:

[1] Denis Cosgrove: The Palladian Landscape. Geographical Change and Its Cultural Representations in Sixteenth-Century Italy, Leicester 1993; Greg Thomas: Art and Ecology in Nineteenth Century France. The Landscapes of Théodore Rousseau, Princeton 2000.

[2] Hier verwundert der unkommentierte Begriff der Nation im Kontext indigener Völker und die klischeehaft idealisierte Vorstellung einer ungebrochenen Naturbeziehung dieser Völker.

[3] William Hoskins: The Making of the English Landscapes, London 1955.

[4] Etwa: Tim Ingold: The Temporality of the Landscape, in: World Archaeology, 25, 2 (1993), 152-74.

[5] Don Mitchell: The Lie of the Land. Migrant Workers and the California Landscape, Minnesota 1996.

[6] John Barrell: The Dark Side of the Landscape. The Rural Poor in English Painting 1730-1840, Cambridge 1980, und: Denis E. Cosgrove: Social Formation and Symbolic Landscape, Wisconsin 1984.

[7] Zum Beispiel: Peggy Karpouzou / Nikoleta Zambaki (eds): Symbiotic Posthumanist Ecologies in Western Literature, Philosophy and Art. Towards Theory and Practice, Berlin 2023.

[8] Hier scheint unter anderem Mitchells prominente Idee der Landschaft als Aktivum, "to landscape", interessant und anschlussfähig. Mitchell wählt einen ähnlichen Aufbau mit theoretischer Einleitung, auf die Artikel mit diversen Themen folgen. Hier wirkt der theoretische Rahmen jedoch klarer und zieht sich durch die Beiträge, siehe.: W.T.J. Mitchell: Landscape and Power, Chicago 2002.

[9] Auch hier liefert Mitchells Band eine produktive Alternative, indem er Landschaft in der Einführung klar definiert und dies mit den Artikeln im Band verbunden wird, siehe: Ebd.

Rezension über:

Stephen Daniels / Dell Upton (eds.): Landscapes in the Making (= Dumbarton Oaks Colloquium on the History of Landscape Architecture; XLVI), Dumbarton Oaks, Washington, D.C.: Dumbarton Oaks Research Library & Collection 2025, XI + 368 S., 127 Farb-, 38 s/w-Abb., 11 Kt., ISBN 978-0-88402-521-4, GBP 62,95

Rezension von:
Peter Seeland
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München
Empfohlene Zitierweise:
Peter Seeland: Rezension von: Stephen Daniels / Dell Upton (eds.): Landscapes in the Making, Dumbarton Oaks, Washington, D.C.: Dumbarton Oaks Research Library & Collection 2025, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 12 [15.12.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/12/40560.html


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