sehepunkte 25 (2025), Nr. 12

Eleanor Heartney / Helaine Posner / Nancy Princenthal et al.: Mothers of Invention

Das erklärte Ziel von Mothers of Invention ist es, den zentralen Beitrag von Künstlerinnen zur zeitgenössischen Kunst von den Anfängen der feministischen Bewegung der 1960er Jahre bis in die Gegenwart sichtbar zu machen. So betont Sue Scott im einleitenden Gespräch zwischen den Autorinnen, dass Künstlerinnen oft Verfahren und Techniken eingesetzt hätten, die erst dann als Kunst verstanden worden seien, wenn diese durch männliche Künstler aufgegriffen und so vermeintlich aufgewertet wurden. (7) In vier Kapiteln diskutiert das Buch sowohl Techniken wie Performance und Craft, die heute als paradigmatische feministische Strategien gelten, erweitert diesen Fokus jedoch zugleich um ökokritische Zugänge sowie abstrakte Kunst.

Besonders Letztere hat bislang nur marginal Eingang in einen feministischen Kunstkanon gefunden. Dies sei, so Scott, vor allem einer Verkennung von abstrakter Kunst geschuldet, die als unpolitisch, "not about making a statement" (101), verstanden worden sei und deshalb auch nicht als feministisch. Dagegen argumentierend, hob die Künstlerin Harmony Hammond bereits 1977, wie Scott darlegt, eine "feminist sensibility" (102) hervor, die sich nicht nur anhand politischer Statements zeige, sondern auch in einem kreativen Prozess. Während im Kapitel zur Performance deutlich wird, dass Künstlerinnen gerade auf Techniken zurückgriffen, die historisch weniger belastet waren als die Malerei - die als Medium der Hochkunst männlich kodiert war - argumentiert Scott, dass die Aneignung abstrakter Verfahren als kritische Auseinandersetzung mit dem Medium aus weiblicher Perspektive neubewertet werden müsse: "Women seeking to innovate or experiment with abstract painting were not so much staking out new territory or working within the confines allowed them [...], but instead by challenging established tradition, they were taking on the patriarchy and, in some cases, intentionally subverting convention." (103)

Aber nicht nur die eingesetzten Verfahren führten zu einem Ausschluss von Künstlerinnen, sondern auch sozioökonomische Faktoren, wie an mehreren Stellen im Buch deutlich wird: Insbesondere, wenn es um Künstlerinnen geht wie die Afroamerikanerin Alma Thomas (1891-1978), die es als erste Schwarze Künstlerin 1972 zu einer Ausstellung im Whitney Museum of American Art in New York brachte und deren Arbeiten durch strahlende Farben und mosaikförmige Strukturen gekennzeichnet waren. Ihr gesamtes Leben arbeitete sie als Kunstlehrerin an einer High School und produzierte ihre Gemälde in ihrer Küche. Aber auch Weiße Künstlerinnen, die zwar meist bessere sozioökonomisch Voraussetzungen vorfanden, wurden vergessen und unsichtbar gemacht, wie Hilma af Klint (1862-1944), die mittlerweile als Pionierin der abstrakten Kunst gilt. [1] Insgesamt zeigt das Buch auf, dass die Geschichte von Künstlerinnen immer auch eine Geschichte der Marginalisierung darstellt.

Während sich abstrakt arbeitende Künstlerinnen ein vermeintlich männliches Genre aneigneten, galten handwerkliche Verfahren wie Häkeln, Weben oder Töpfern als genuin 'weiblich', wie Nancy Princenthal in ihrem Beitrag betont. Dementsprechend stellten sie von vornherein eine abgewertete Technik dar und fielen gar nicht erst in die Kategorie von Hochkunst. Künstlerinnen, die solche handwerklichen Techniken einsetzten, befragten so immer auch den Stellenwert von Kunst, die mit ihr verbundene Autonomie-Vorstellungen und erweiterten damit das Feld künstlerischer Medien.

Ähnliches konstatiert auch Helaine Posner für performative Praxen, die "[...] the distance between art and daily life, the artist and the artwork, and the artist and the audience [...] " (25-26) kollabieren ließen. Indem Künstlerinnen, etwa Carolee Schneemann oder Suzanne Lacy, Themen wie Körper und Sexualität verhandelten, aber auch politisch-aktivistisch tätig waren und gegen Gewalt an Frauen sowie für Abtreibung protestierten, machten sie deutlich, dass auch im Kunstfeld "the personal political" (26) war.

Auch wenn ökofeministische Ansätze oft als essentialistisch abgewertet wurden, zeigt Eleanor Heartney, dass Künstlerinnen Themen von 'entanglement' sowie Allianzen zwischen unterschiedlichen Spezies bereits vorwegnahmen, die erst jetzt breit in den Kunstwissenschaften diskutiert werden. So waren es gerade ökofeministische Strategien, die ein " [...] new understanding of the Earth as a living thing and for an environmental and social ethic that stressed relational thinking, interspecies responsibility and a reordering of human priorities" (142) einforderten.

Trotz der umfangreichen Zusammenstellung und dem Ziel der Autorinnen "[...] to broaden the definition of feminism and go beyond early perceptions that it was a white, middle-class and rather exclusive club" (13), bezieht sich das Buch ausschließlich auf eine US-amerikanische Geschichte feministischer Kunst, mit einzelnen Ausnahmen. Die Begründung hierfür erscheint wenig überzeugend: In den USA habe es eine große feministische Bewegung gegeben, deshalb seien auch die künstlerisch-feministischen Aktivitäten am ausgeprägtesten gewesen. (14) Mit der Parallelisierung von politischem Aktivismus und feministischer Kunst produzieren die Autorinnen eine Verengung, die unterschiedliche feministische Strömungen, im Besonderen aus dem globalen Süden, ausschließt. So hat die argentinische Kunsthistorikerin Andrea Giunta unlängst für eine Differenzierung argumentiert, zwischen 'feminist artists', Künstlerinnen, die feministisch-künstlerische Verfahren entwickelten, und 'artistic feminism', Werke, die durch die Kunstwissenschaften als feministisch eingruppiert werden können, aber nicht im Kontext einer politisch-aktivistischen Bewegung entstanden sind. [2] Die von ihr und Cecilia Fajardo Hill 2017 im Hammer Museum in Los Angeles kuratierte Ausstellung Radical Women: Latin American Art, 1960-1985 und der in diesem Zusammenhang erschienene Katalog hätten hierfür aufschlussreich sein können. Ähnliches gilt für feministische Praxen in Osteuropa im Rahmen der Staatssozialismen, wie Agata Jakubowska an anderer Stelle thematisiert hat. [3] Diese Verengung von Mothers of Invention ist schade, da das Buch so Einteilungen in 'Zentrum' und 'Peripherie' reproduziert, die es im Einleitungskapitel aufzulösen versucht.

Dieser Kritik zum Trotz stellt der hier besprochene Band einen grundlegenden Überblick zur US-amerikanischen feministischen Kunst dar und geht dabei in den einzelnen Kapiteln weit über die 1960er und 1970er Jahre hinaus, insbesondere im Rahmen der abstrakten Kunst und Craft. Es werden zahlreiche Ansätze geboten, die Leistungen und Errungenschaften von Künstlerinnen neu zu bewerten und feministisch-künstlerische Praxen zu erweitern - so beispielsweise, indem künstlerische Arbeiten von queeren männlichen Künstlern punktuell mit einbezogen werden und der enge Fokus auf den weiblichen Körper erweitert wird. Gerade in Zeiten eines zunehmenden Autoritarismus nicht nur in den USA können feministische Ansätze eine Orientierung sein, da viele der von ihnen verhandelten Themen heutzutage relevanter denn je erscheinen.


Anmerkungen:

[1] Hilma af Klint wurde einem breiteren Publikum 1985 bekannt im Rahmen von: Maurice Tuchman / Los Angeles County Museum of Art (eds.): The Spiritual in Art. Abstract Painting 1890 - 1985, New York 1986. Sowie spätestens seit ihrer Retrospektive: Tracey Bashkoff / Guggenheim Museum (eds.): Hilma Af Klint. Paintings for the Future, New York 2018.

[2] Andrea Giunta: The Iconographic Turn. The Denormalization of Bodies and Sensibilities in the Work of Latin American Women Artists, in: Radical Women: Latin American Art, 1960-1985, ed. by Hammer Museum, Los Angeles 2017, 29-36, 34.

[3] Agata Jakubowska: The Circulation of Feminist Ideas in Communist Poland, in: Globalizing Eastern European Art Histories. Past and Present, ed. by Beata Hock / Anu Allas, New York 2018, 135-148.

Rezension über:

Eleanor Heartney / Helaine Posner / Nancy Princenthal et al.: Mothers of Invention. The Feminist Roots of Contemporary Art, Aldershot: Lund Humphries 2024, 192 S., 41 ill., ISBN 978-1-84822-540-4, GBP 35,00

Rezension von:
Tonia Andresen
Kunstgeschichtliches Institut, Ruhr-Universität Bochum
Empfohlene Zitierweise:
Tonia Andresen: Rezension von: Eleanor Heartney / Helaine Posner / Nancy Princenthal et al.: Mothers of Invention. The Feminist Roots of Contemporary Art, Aldershot: Lund Humphries 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 12 [15.12.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/12/40114.html


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