sehepunkte 25 (2025), Nr. 9

Florian Abe / Christine Beese (Hgg.): Bauten - Bilder - Geschichten

Die Festschrift Bauten - Bilder - Geschichten. Kunsthistorische Perspektiven auf Architektur zum 65. Geburtstag von Christian Freigang umfasst 16 Aufsätze, die die verschiedenen Forschungsstationen und Interessensfelder des Jubilars abbilden. Die Herausgebenden bringen die "unabhängig voneinander entstandenen Beiträge" durch die nachträgliche Zuordnung zu übergeordneten Kategorien in einen thematisch vielfältigen, dennoch dialogischen Zusammenhang.

Das Themenfeld "Übergänge" rückt die "Wahrnehmung von Architektur aus der Bewegung im Raum" in den Fokus, indem es nicht nur funktionale Verbindungen, sondern auch die symbolische Bedeutung dieser Architekturelemente im kulturhistorischen Kontext beleuchtet. Unter diesem Blickwinkel wird die vielfältige Bedeutungsdimension der im Aufsatz von Kai Kappel beschriebenen Spolien und ihre Verwendung im Hochmittelalter neu erschlossen. Unter demselben Themenmantel betont der Beitrag von Ute Engel die Rolle der Maßwerkgitter als architektonische Übergänge, die eine visuelle, akustische und damit auch sinnliche Kommunikation und Erfahrung zwischen Räumen ermöglichen, womit ihre komplexe Rolle in hochmittelalterlichen Kirchen verdeutlicht wird. Die beiden Beiträge treten so in einen Dialog, der die Mehrdimensionalität architektonischer Übergänge - von ihren historischen Bedeutungsebenen bis zu ihrer sinnlichen Wirkung im Raum - fassbar macht.

Drei Aufsätze ergründen das Themenfeld "transkulturelle Beziehungen", indem sie die komplexe Rezeption und Transformation architektonischer und künstlerischer Formen über kulturelle Grenzen hinweg untersuchen. Harald Wolter-von dem Knesebecks Beitrag eröffnet diese Rubrik mit einer detaillierten Analyse des Codex Semeka-Missale und der Verflechtung von Bild- und Bauformen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Die Beiträge von Antje Fehrmann sowie von Bruno Klein und Barbara Borngässer zeigen am Beispiel des sakralen Bauwesens unter Heinrich III. bzw. der weltweiten Rezeption und Adaption der Sainte-Chapelle globale Austauschprozesse auf. Die Aufsätze treten überzeugend für die Bedeutungsforschung transkultureller Beziehungen im Kontext gegenseitiger Durchdringung kultureller Kontexte in einem globalen historischen Rahmen ein.

Unter "Nationale Identitäten" wird beleuchtet, wie Architektur zu Konstruktion, Darstellung und Ausdruck nationaler Zugehörigkeit und kultureller Identität beiträgt. Auf vielschichtige Weise zeigen Christiane Weber und Alexandre Kostka am Beispiel des Palais Rohan in Straßburg die starke Verflechtung historischer und kultureller Interpretationen mit Fragen der nationalen Identität um die Jahrhundertwende. Markus Dauss demonstriert am Beispiel des Eiffelturms, wie architektonische und infrastrukturelle Monumente als Träger und Symbol kollektiver Identität genutzt werden. Beide Beiträge verdeutlichen, dass die "Authentizität" dieser Bauten oft auf der Fortführung vermeintlich nationaler Traditionen beruht, die jedoch erst medial inszeniert und politisch vereinnahmt wurden und werden, um eine starke Gemeinschaft zu symbolisieren oder divergierende Geschichtsbilder offenzulegen.

Daran thematisch anschließend wird unter dem Begriff "Architekturkritik" die Rolle der kritischen Reflexion über Bauwerke, ihre Motive und Bewertungskriterien betrachtet, wobei auch die politische Instrumentalisierung von Architektur thematisiert wird. Magdalena Bushart beleuchtet, wie Architekturkritik in den frühen 1920er Jahren nicht nur als fachliche Beurteilung, sondern auch als Schauplatz persönlicher und ideologischer Konflikte diente, die eng mit gesellschaftlichen Werten und der öffentlichen Meinungsbildung verknüpft waren. Bernd Nicolai erweitert den Begriff, indem er Architekturkritik als reflexive Auseinandersetzung mit Bauwerken im Kontext aktueller gesellschaftspolitischer Diskurse versteht. Zusammenfassend verdeutlichen beide Beiträge, wie Architekturkritik über die reine ästhetische oder funktionale Beurteilung hinausgehen und tief in gesellschaftliche, politische und ideologische Diskurse eingebettet sein kann.

Das Themenfeld "Bild und Raum" rückt die Beziehung zwischen visueller Repräsentation und räumlicher Gestaltung in den Fokus, wobei Wahrnehmung und ikonografische Aspekte im Mittelpunkt stehen. Der Beitrag von Peter Kurmann und Brigitte Kurmann-Schwarz beleuchtet am Beispiel monumentaler Skulpturen an gotischen Kathedralen, wie Bildwerk und Raum einen auf den Betrachter ausgerichteten Dialog anstreben. Bruno und Maria-Christina Boerner erweitern diese Thematik, indem sie eine subversive Bildsprache in mittelalterlichen Chorgestühlen identifizieren und als untrennbaren Teil des Raumes betrachten, der eine kommunikative Funktion entfaltet. Beide Beiträge heben hervor, dass das Zusammenspiel von Bild und Raum über reine Darstellung hinausgeht und als aktiver, kommunikativer Vermittler von Inhalten und Wahrnehmung fungiert.

Unter "Wissensräume" wird die Vermittlung von architekturhistorischem Wissen und der Bedeutung von Lern- und Forschungsräumen für die Entwicklung eines Fachfeldes beleuchtet. Beide Beiträge betrachten die historische Entwicklung und Bedeutung architekturbezogener Lernorte an der Universität Göttingen, die die wissenschaftliche Wissensproduktion und -vermittlung maßgeblich prägten. Christine Beese analysiert diese Thematik am Beispiel der architektonischen Gestaltung des anatomischen Theaters, den sie als performativen Wissensraum beleuchtet. Vertiefend widmet sich Daniel Graepler der exemplarischen Analyse historischer Lernorte, die als didaktische Räume die Entwicklung der Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte formten. Die Autoren machen deutlich, dass architektonische Umgebungen weit mehr als bloße Kulissen sind; sie fungieren als aktive Medien der Wissensvermittlung. Anknüpfend daran bietet eine Reflexion über die gesellschaftliche und kulturelle Aufladung der Räume einen vielversprechenden Forschungsansatz.

Schließlich wird im Themenfeld "Bildung und Vermittlung" die Bedeutung der Kommunikation und des öffentlichen Engagements in Bezug auf Architektur und Architekturgeschichte betont, um ein breiteres Verständnis und eine stärkere Auseinandersetzung in der Gesellschaft zu fördern. Ulrike Müller-Hofstede analysiert - am Beispiel des publizistischen Werks von Gustav Pauzarek - die historische Bedeutung der ästhetischen Erziehung als gesellschaftliches Projekt, das über Ausstellungen und Schriften das kulturelle Selbstverständnis formt. Ralph Paschke ergänzt dies durch die Betrachtung moderner Vermittlungsformate, die mithilfe digitaler Plattformen wie dem Dehio-Portal die Denkmalpflege einem breiten Publikum zugänglich machen. Zusammenfassend demonstrieren beide Beiträge die Vermittlung von Architekturgeschichte von traditionellen ästhetischen Erziehungsstrategien bis zur Nutzung moderner digitaler Werkzeuge, mit dem Ziel den gesellschaftlichen Diskurs zu fördern und das kulturelle Verständnis zu vertiefen.

Die Zusammenführung der Aufsätze unter den verschiedenen Kategorien erweist sich als ein überzeugender methodischer Ansatz der Herausgebenden, die die Beiträge in einen fruchtbaren Dialog stellen. Die Festschrift belegt eindrücklich, wie die Form des Dialogs das Potenzial hat, architekturhistorische Themen auf innovative Weise zu erschließen und zu einer vertieften Auseinandersetzung anzuregen. Dennoch liegt es an den Lesenden selbst, die angestrebten Zusammenhänge zwischen den Beiträgen herzustellen, da eine zusammenfassende Reflexion darüber fehlt.

Rezension über:

Florian Abe / Christine Beese (Hgg.): Bauten - Bilder - Geschichten. Kunsthistorische Perspektiven auf Architektur, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2024, 325 S., 130 Farb-, s/w-Abb., ISBN 978-3-7861-2917-2, EUR 59,00

Rezension von:
Lilia Gaivan
Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München
Empfohlene Zitierweise:
Lilia Gaivan: Rezension von: Florian Abe / Christine Beese (Hgg.): Bauten - Bilder - Geschichten. Kunsthistorische Perspektiven auf Architektur, Berlin: Gebr. Mann Verlag 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 9 [15.09.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/09/40265.html


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