sehepunkte 25 (2025), Nr. 7/8

Isabelle Vanden Hove: The Dukes of Arenberg

Eines sei vorab gesagt: Dieses Buch über das Geschlecht Arenberg hat nicht den Anspruch, wissenschaftlich zu sein. Es handelt sich um eine opulent ausgestattete Familiengeschichte, die von der Stiftung der gleichnamigen Familien verlegt und von der Stiftungsdirektorin und Hausarchivarin der Arenberg verfasst wurde. Dem Band tut das aber keinen Abbruch, er hat unglaublich viel zu bieten. Kein Wunder auch, bei so viel Geschichte. Schließlich können nur wenige europäische Adelsgeschlechter qua Wirkung über Zeit und Raum mit den Arenbergs wetteifern: In nahezu anderthalbtausend Jahre reichte ihr Einfluss von den Lage Landen bis nach Böhmen, Slowenien, Frankreich und Kampanien.

Angefangen hat alles in einem unscheinbaren gleichnamigen Dorf in der Eifel, wo nur noch ein Aussichtsturm an die ehemalige Burg Aremberg erinnert. In sieben Kapiteln erzählt Isabelle Vanden Hove chronologisch die Geschichte des Hauses, um dann im achten und letzten Kapitel den aktuellen Zustand der Familie zu beschreiben. Ein Epilog erläutert noch kurz die Ziele und bisherigen Errungenschaften der Arenberg-Stiftung, bevor das Buch mit einer Reihe äußerst spannender Infografiken zur Neige geht, aber dazu später mehr.

Jedes Kapitel bietet zunächst eine kurze Vorschau auf das, was kommen wird. Diese Vorgehensweise erleichtert die Lektüre für diejenigen, die entweder wenig Englisch lesen oder kaum mit der Materie vertraut sind. Um der Leserschaft entgegenzukommen, sind zu manchen Themen, die weniger bekannt sein dürften, Infokästen eingebettet. Außerdem erleichtern zahlreiche Stammbäume den Überblick im Dickicht der vielen Nebenzweige der Familie. Ein Resümee rundet jedes Kapitel ab. Ziel ist es offenkundig, dass ein breites Lesepublikum auf seine Kosten kommt, und das gelingt vortrefflich. Das opulent bebilderte Buch ist ein veritables Schmuckstück, das man sowohl auf Salontischen ausstellen kann, um Besuchern zu imponieren, als auch in verlorenen Augenblicken darin zu schmökern.

Die allerfrüheste Erwähnung Arenberg als Familienname datiert nota bene aus dem April des Jahres 501. Es handelt sich um ein Grabmal unweit von Lyon zu Ehren eines 28-jährigen Arenberga, der in bonae memoriae gehalten wird, dessen Identität aber geheimnisumwittert bleibt. Zwischen dem 6. und 12. Jahrhundert gibt es noch mehrere Erwähnungen im Osten Frankreichs, die jedoch nicht mit Sicherheit zugeordnet werden können. Und so fängt die Familiengeschichte offiziell "erst" 1166 mit einer Kölner Urkunde an, die besagt, dass ein gewisser Heinrich von Arenberg nicht nur Adliger, sondern auch Vizeburggraf der Stadt Köln war. Einige Jahre später zum Burggrafen avanciert, war das Amt nach Heinrich noch in den Händen einer Handvoll Nachkömmlinge, bis Jan von Arenberg es 1279 verkaufte. Letzterer wurde in der Urkunde als "Herr von Arenberg" bezeichnet. Als einige Jahrhunderte später Trier, Köln, Jülich und Burgund sich das Gebiet um Aremberg in der Eifel einverleiben wollten, soll diese Bezeichnung und noch eine andere Urkunde aus 1601 herangezogen worden sein, um zu zeigen, dass Aremberg als Allodium gleichsam ein Lehnsgut der Sonne sei. Im Klartext hieß das, dass die Arenberg niemandem außer dem Himmel Gefolgschaft schuldeten, was auch im Motto Suo intenta soli zum Ausdruck kam.

Nachdem obengenannter Jan von Arenberg kurz nachdem er sein Amt versilbert hatte, starb, erlosch auch die männliche Linie der Familie. Jans einzige Tochter, Mathilde, heiratete 1299 Engelbert II. de la Marck, was sich als ein geschickter Schachzug erweisen sollte. Die Ehe war mit acht Nachfahren nämlich nicht nur kinderreich, sondern sicherte über sieben Nebenzweige auch nachhaltig das Fortbestehen der Familie. Besitztümer und Titel der Arenberg gingen auf Engelbert über und blieben somit verschont von den Gebietsansprüchen des Kölner Erzbischofs. Als Engelbert nach dem Tod seines Vaters zum Grafen de la Marck avancierte, gehörten die Arenberg schlagartig zu den mächtigsten Familien Westfalens und beherrschten große Teile des Gebiets zwischen Hamm, Geldern und Lüttich.

Noch bis ins späte 18. Jahrhundert trug die Allianz beider Familien Früchte. Denn 1773 "rettete" ein Prinz von Arenberg den Familiennamen De la Marck. Daraus ergab sich die skurrile Situation, dass theoretisch zwei Brüder als Regimentsanführer verschiedener Heere in einer Schlacht aufeinander hätten stoßen können: Arenberg war Feldherren im Dienste des Kaisers, während De la Marck dem französischen König diente. Das blieb nur deshalb theoretisch, weil der damalige sechste Herzog von Arenberg - seit 1644 hatte die Familie den Herzogstitel inne - im jungen Alter infolge eines Jagdunfalls erblindet war. Der Überlieferung nach soll der legendäre Louis Engelbert trotz seiner Beeinträchtigung motorisch sehr geschickt gewesen sein, zumindest beim Essen und beim Spielen. Aber für das Kriegshandwerk war er nicht mehr zu gebrauchen. Notgedrungen zog er sich aus seinen Ämtern zurück und frönte den Künsten und Wissenschaften.

So baute er eine einmalige Musikbibliothek auf, die viele berühmte Urfassungen enthielt, erwarb den Laokoon-Kopf und förderte Grundlagenforschung, aus der die erste Gaslampe und die erste Gasballonfahrt hervorgingen. In dieser Zeit, kurz vor den Revolutionsunruhen, erreichte die Familie ihren Zenit. Danach kam sie mehrmals unter die zermalmenden Räder der Geschichte, letztmalig, als man im Zeitalter des Nationalismus zwischen die Stühle der Großmächte geriet.

So wie im Mittelalter die De la Marcks großen Anteil an der Etablierung Arenbergs gehabt hatten, trug das Geschlecht de Croÿ ab dem 16. Jahrhundert entscheidend zum weiteren Aufstieg bei. Die Ehe mit Anne de Croÿ 1587 brachte nicht nur den Herzogstitel und eine phänomenale Büchersammlung. Sie katapultierte Arenberg auch endgültig in die Welt des Hochadels. In Enghien, südwestlich von Brüssel, entstand eine Residenz, deren Gärten André le Notre zu seiner Gartenplanung für Versailles inspiriert und Ludwig XIV. persönlich beeindruckt haben sollen. Dass das Haus Arenberg so florieren konnte, war aber nicht bloß Erbschaften, sondern auch dem politischen Geschick und dem unermüdlichen Einsatz von Anne de Croÿ zu verdanken, die als Witwe zwanzig Jahre die Geschicke des Hauses leitete.

Die zwei letzten Kapitel heben dann - sicherlich nicht ganz unparteiisch - die bis heute vielfachen Wirkungs- und Handlungsfelder der Arenberg in Belgien und ganz Europa hervor. So zeigen drei Karten die Arenberg'schen Herrschaftsgebiete in verschiedenen Perioden. Darauf folgt eine Karte mit dem Einsatz auf den Schlachtfeldern des Kontinents (und darüber hinaus). Abschließend sind jene Gebiete in Belgien und Europa, in denen die Familie Schlösser und Stadtpaläste besaß (bzw. besitzt) oder sich über Landgüter, Wälder, Bergbau oder Einpolderungsprojekte wirtschaftlich engagiert (hat), abgebildet. Fünfundsechzig Euro sind ein Schnäppchen für ein Werk, das in allen Facetten, vom Inhalt über die Gestaltung jeder einzelnen Seite bis hin zur Papierauswahl, von Herzblut und großem Können zeugt.

Rezension über:

Isabelle Vanden Hove: The Dukes of Arenberg. The Thousand-Year History of a Noble Family, Leuven: Leuven University Press 2024, 224 S., 150 ill., ISBN 978-90-832016-1-0, EUR 65,00

Rezension von:
Rengenier Rittersma
Johannes Gutenberg-Universität, Mainz
Empfohlene Zitierweise:
Rengenier Rittersma: Rezension von: Isabelle Vanden Hove: The Dukes of Arenberg. The Thousand-Year History of a Noble Family, Leuven: Leuven University Press 2024, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 7/8 [15.07.2025], URL: https://www.sehepunkte.de/2025/07/39580.html


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