Die Einschränkung, welche die Metropolitangewalt im Zuge der Durchsetzung des römischen Zentralismus durch die Reformpäpste des 11. und frühen 12. Jahrhunderts hinnehmen musste, die Minderung der metropolitanen Eigenständigkeit durch die "papstgeschichtliche Wende", bei der die römischen Bischöfe ihren Primat aus einer lediglich reaktiven zu einer aktiv agierenden Größe in der Geschichte der lateinischen Kirche machten, ist der bislang noch nicht monographisch behandelte Gegenstand vorliegender Untersuchung, die auf einer Düsseldorfer Dissertation von 2007/08 beruht. Sie setzt ein mit einem breiten Überblick über die Entwicklung der Stellung des Metropoliten (16-95), der deutlich macht, dass diese bereits vor der Mitte des 11. Jahrhunderts zunehmenden Restriktionen unterlag. Im zweiten Teil (96-237) schildert Matthias Schrör dann die Verwirklichung des päpstlichen Primats seit dem Pontifikat Leos IX. und die Rückwirkungen auf das Metropolitenamt.
Die Elemente, die eine Straffung der römischen Zentralgewalt bewirkten, sind natürlich längst bekannt: einerseits die Neuordnung der päpstlichen Administration sowie die Umgestaltung des Urkundenwesens und die Übertragung der Papstwahl an die Kardinäle, andererseits die Ausgestaltung eines keinesfalls völlig neuen, nun aber intensiver benutzten Instrumentariums direkter Herrschaftsausübung wie die Reise- und Synodaltätigkeit Leos IX., an deren Stelle schließlich das Legatenwesen trat, die jährliche Ostersynode, seit Gregor VII. Fastensynode mit überregionalem Besuch und der Möglichkeit zur Zitation von Bischöfen und Metropoliten, die Verpflichtung zur persönlichen Abholung des Palliums und die Umgestaltung des dabei von den Metropoliten zu leistenden Treueids in einen Gehorsamseid, schließlich die Betonung des absoluten, episkopale wie metropolitane Befugnisse einschränkenden Weiherechts des Papstes. Wenn dies, wie gesagt, auch keinesfalls alles neu ist, so werden doch die einzelnen, päpstlicherseits forcierten und dabei zu Veränderungen führenden Entwicklungen - europaweit abgehandelt und in ihren entscheidenden Grundlinien vorgestellt - nun gebündelt betrachtet mit Blick auf die Konsequenzen für die Metropolitanstellung. Die endgültige, an ältere Vorgaben anknüpfende Etablierung des römischen Bischofs als absolutes und aktives Oberhaupt der lateinischen Kirche, die praktische Verwirklichung des Universalprimats im abendländischen Westen, die einherging mit der Auflösung traditioneller, episkopalistischer Ansichten und Strukturen, führte zu einer verstärkten, schließlich kirchenrechtlich sanktionierten Einbindung der Metropoliten in die hierarchischen Strukturen der Papstkirche und zu dem die Unterordnung betonenden Verständnis von der erzbischöflichen Stellung als eine durch die Palliumvergabe symbolisierte Teilhabe am päpstlichen Primat. Dadurch hatte ein schon lange greifbarer Prozess eine bestimmte Richtung bekommen und gelangte zugleich zum Abschluss, wobei die "papstgeschichtliche Wende" zur entscheidenden Umbruchszeit für die Metropolitangewalt wurde, die dem Papst nicht nur fortan rechtlich strikt untergeordnet war, sondern innerhalb der Hierarchie auch noch durch das entstehende Kardinalskollegium zurückgestuft wurde.
Zu korrigieren sind folgende Irrtümer: Die christlichen Kaiser Roms legten sich den Titel 'pontifex maximus' im 4. Jahrhundert nicht zu (17), sondern legten ihn gegen Ende des Säkulums ab. 1917 wurde nicht das 'Corpus' iuris canonici (24), sondern der Codex iuris canonici promulgiert. Die für König Heinrich I. von Frankreich (99) und Papst Innocenz I. (203) genannten Amtsdaten sind fehlerhaft.
Matthias Schrör: Metropolitangewalt und papstgeschichtliche Wende, Husum: Matthiesen 2009, 289 S., ISBN 978-3-7868-1494-8, EUR 46,00
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