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Dirk Schleinert: Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast im 16. und frühen 17. Jahrhundert (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur Pommerschen Geschichte; Bd. 36), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2001, IX + 314 S., ISBN 3-412-10401-9, € 35,50

Rezensiert von:
Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt
Staatsarchiv Hamburg

Die hier vorliegende Greifswalder historische Dissertation, die von Michael North angeregt und betreut wurde, wendet sich einem bisher nur wenig beachteten Gebiet der ostelbischen Landwirtschaftsgeschichte zu. Die Entstehung der landesherrlichen und adligen Güter sowie der städtischen Vorwerke in Vorpommern ist im Gegensatz zu der Entwicklung in benachbarten Regionen (Brandenburg, Hinterpommern, Mecklenburg) bislang noch nicht Gegenstand von Untersuchungen gewesen. Dies hat seinen Grund sicher in der Quellenlage. Die vorliegende Arbeit macht deutlich, wie schwierig und aufwändig das Auffinden der für eine solche Unternehmung benötigten Quellen ist. Vieles fehlt oder ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht schriftlich fixiert worden - das gilt insbesondere für die adligen Güter. Das muss sich selbstverständlich auch auf die Darstellung auswirken.

Die Arbeit ist nach den drei Hauptkomplexen der Untersuchung (landesherrliche, adlige und städtische Besitzungen) gegliedert, wobei die aus lückenhaftem Quellenmaterial komponierte Darstellung der adligen Besitzungen mit fast 100 Seiten den Hauptteil ausmacht. Nach einer kurzen Schilderung der Rahmenbedingungen (naturräumliche Gegebenheiten, Marktstrukturen, Bevölkerungsgliederung) wendet sich der Verfasser zunächst den landesherrlichen Besitzungen zu (59-81), die im Laufe des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts immer stärker zur Finanzierung des landesherrlichen Haushalts beitragen mussten. Dienste der Bauern auf den Vorwerken wurden angezogen, sodass sich hier eine ständige Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Bauern ergab. Dies wird an den drei Ämtern Loitz, Treptow/Klempenow und Jasenitz exemplifiziert (81-114). Die adligen Besitzungen, die auf der Grundlage einer Matrikel von 1631 in ihrer Grundstruktur vorgestellt werden (115-211), wiesen eine beträchtliche Größendifferenz auf. In den sieben Distrikten des Herzogtums (ohne Rügen) gab es Güter mit zwischen durchschnittlich 19 und 63 Landhufen; 66 der 226 Güter hatten nur unter 10 Landhufen, hingegen sieben über 100 Landhufen. Soweit möglich werden an Einzelbeispielen aus den Größenklassen Gutswirtschaftsdaten vorgestellt. Auf allen Gütern dominierten der Getreidebau und die Schafhaltung. Im Gegensatz zu den landesherrlichen Vorwerken stand auf den adligen Besitzungen die Viehhaltung im Vordergrund. Nicht ausreichende Zugviehversorgung der Untertanen führte zu stärkerer Betonung des eigenen Spannviehs. Interessant ist das Resultat, dass die meisten Gutsbesitzer Darlehen zur Aufrechterhaltung standesgemäßer Lebensführung benötigten - nur in Ausnahmefällen kam es zu Geldverleihungen seitens des Adels. Dennoch versuchten sie im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts, ihre Besitzungen (auch wegen der Finanznot des Landesherren) zu arrondieren. "Die Zersplitterung von Herrschaft und Besitz (bleibt) noch die überwiegende Realität." (198) Der städtische Besitz war ebenfalls stark differenziert (213-236): Hatte Stralsund zu Beginn des 17. Jahrhunderts 725, Greifswald 264 und Demmin 162 Landhufen auswärtigen Besitzes, so gab es kleine Städte, die über gar keinen auswärtigen Besitz verfügten und solche, die über zwischen 1 und 96 Landhufen geboten. Beispielhaft wird der Landbesitz von Greifswald untersucht. Auch hier spielt der Ausbau der Vorwerkswirtschaft im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts eine Rolle.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Ausbau der Vorwerks- und Gutswirtschaft insbesondere seit den 1560er-Jahren stetig voranschritt, wobei eine stärkere Marktorientierung als vorher festzustellen ist. Insbesondere die Adelsgüter hatten nicht den Charakter von Teilbetrieben, sondern von Eigenbetrieben; die Eigenwirtschaften stellten die Haupteinnahmequelle der Haushalte von Landesherr und Adel dar. Um 1630, so schließt Schleinert, war "faktisch der gesamte ländliche Raum des Herzogtums Pommern-Wolgast gutswirtschaftlich strukturiert", wobei "der Grad der Ausprägung gutswirtschaftlicher Strukturen beim Adel am höchsten war" (245).

Die Arbeit ist gut aufgebaut, die Quelleninterpretationen überzeugen, die Schlussfolgerungen sind nachvollziehbar. Angesichts der bisweilen disparaten Quellenlage hat Schleinert eine stringente und überzeugende Arbeit vorgelegt, die nicht ohne Grund mit zwei regionalen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet wurde. Eine weitere Lücke in unserer Kenntnis der ostelbischen Gutswirtschaft ist damit geschlossen. Etwas Gewicht hätte möglicherweise auf die Preisentwicklung/Geldentwertung gelegt werden können, um Fehlinterpretationen bei Einnahmenkurven vorzubeugen. Kleinere Mängel im Ausdruck und Versehen bei der Drucklegung hätte der Autor oder der Lektor noch beseitigen können (7 Anmerkung 29, Seiten 28, 33, 34, 36, 45, 51, 216 et cetera), aber sie sind nirgends dem Verständnis hinderlich. Der landeskundlich interessierte Leser wird den kumulierten Orts- und Personenindex dankbar zur Kenntnis nehmen.

Redaktionelle Betreuung: Stephan Laux

Empfohlene Zitierweise:

Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt: Rezension von: Dirk Schleinert: Die Gutswirtschaft im Herzogtum Pommern-Wolgast im 16. und frühen 17. Jahrhundert, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2001, in: PERFORM 3 (2002), Nr. 11, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=339>

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieser Rezension hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse ein.

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