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Anne Conrad (Hg.): "In Christo ist weder man noch weyb". Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform (= Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung; Bd. 59), Münster: Aschendorff 1999, 232 S., ISBN 3-402-02980-4, DM 39,80

Rezensiert von:
Andreas Rutz
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Die Erforschung des Konfessionalisierungsprozesses aus frauen- und geschlechtergeschichtlicher Perspektive steht trotz einiger wegweisender Arbeiten erst am Anfang. Um so erfreulicher ist das Erscheinen des hier vorzustellenden Bandes, der zehn Beiträge v.a. jüngerer Historikerinnen und Theologinnen unter dem weit gesteckten thematischen Rahmen 'Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform' vereint, um Ansätze und Möglichkeiten gegenwärtiger und künftiger geschlechterbezogener Konfessionalisierungsforschung aufzuzeigen. Der Untersuchungszeitraum der Aufsätze umfasst das gesamte 16. Jahrhundert und reicht teilweise darüber hinaus. Geographisch bewegen sich die Beiträge vorwiegend im deutschsprachigen Raum, was gelegentliche Seitenblicke aber nicht ausschließt. Unternommen wird ein facettenreicher Überblick über weibliche Möglichkeiten religiöser Aktivität und den Wandel weiblicher Lebensformen im Gefolge des Konfessionalisierungsprozesses, der allerdings, wie kritisch anzumerken ist, einen deutlichen Schwerpunkt in der Reformationszeit und dementsprechend im protestantischen Umfeld hat. Altgläubige bzw. katholische Frauen werden - sieht man von den konfessionenübergreifenden Beiträgen Anne Conrads und Barbara Henzes ab - lediglich in zwei Aufsätzen (Rüttgart und Muschiol) thematisiert. Zwar kann hierin ein Abbild der bisherigen frauen- und geschlechtergeschichtlichen Forschung gesehen werden, die erst seit kurzem neben den verschiedenen Ausprägungen des Protestantismus auch den Katholizismus in den Blick nimmt. Eine breitere Berücksichtigung dieser neueren Entwicklungen wäre aber, gerade im Hinblick auf die wichtigen Forschungs- und Deutungsperspektiven, die Conrad in ihrem einleitenden Essay erörtert, wünschenswert gewesen. Positiv zu bewerten ist dagegen die Tatsache, dass ein beachtlicher Teil der Beiträge auf aktuellen Dissertationsprojekten basiert, so dass neben den gegenwärtigen Forschungstendenzen und dem Verweis auf die zu beklagenden Desiderata viele neue Gedanken und Anregungen geboten werden, die auf eine baldige Fertigstellung dieser Arbeiten hoffen lassen.

Die Herausgeberin Anne Conrad skizziert in ihrem einleitenden Beitrag unter der programmatischen Überschrift 'Aufbruch der Laien - Aufbruch der Frauen' Wege zu einer Geschlechtergeschichte der Reformation und katholischen Reform. Die Zurückdrängung des religiösen Engagements von Laien in allen Konfessionen durch die Herausbildung bzw. Festigung kirchlicher Strukturen ist bekannt. Da Frauen kirchenrechtlich selbst als Ordensfrauen zu den Laien zählten, ist aber zu fragen, "wie hier die Kategorien '(weibliches) Geschlecht' und 'Laienstatus' zu gewichten und miteinander zu vermitteln sind" (S. 21), ob sich also zwischen männlichen und weiblichen Laien, männlicher und weiblicher Laienfrömmigkeit überhaupt sinnvoll trennen lässt oder ob von einer gemeinsamen Laienspiritualität auszugehen ist, die auch, aber nicht ausschließlich, von Frauen gestaltet und geprägt wurde. Aus diesen Überlegungen folgt konsequenterweise die Forderung nach einer vergleichenden Analyse der jeweiligen geschlechtsspezifischen Bedingungen laikalen Engagements. Die Einlösung dieses Ansatzes muss freilich konfessionenübergreifend geschehen, um einerseits aus geschlechtergeschichtlicher Perspektive die von der Konfessionalisierungsforschung herausgearbeiteten Parallelen und Überschneidungen zwischen den Konfessionen noch genauer deuten zu können und um andererseits vor diesem Hintergrund zu einer neuen Beurteilung der Bewegungen "jenseits des jeweiligen konfessionellen Mainstreams" (S. 22) zu gelangen. Die folgenden Beiträge des Bandes greifen diese Überlegungen ansatzweise auf, konzentrieren sich aber - im Sinne des Buchtitels - auf Frauen in der Zeit von Reformation und katholischer Reform, so dass die von Conrad erhobene Forderung nach 'geschlechterübergreifendenden' Vergleichen zu Recht in den Hintergrund tritt: Irene Leichts Beitrag über Humanistinnen zwischen Renaissance und Reformation behandelt zunächst weibliche "Lernorte" (S. 25) und die entsprechenden Bildungstheorien männlicher Humanisten, die zwar durchaus als Förderer von Frauenbildung auftraten, diese aber v.a. als Vorbereitung der Frau auf ihre Rolle als Mutter und Erzieherin ansahen. Die Behandlung der vor diesem weitgehend bekannten Hintergrund analysierten Humanistinnen in ihrer Auseinandersetzung mit der Reformation gerät etwas kurz. In den Blick genommen werden für Italien Vittoria Colonna, für Frankreich Marguerite de Navarre und für Deutschland Caritas Pirckheimer, deren Stellung zwischen den Fronten der Glaubenskämpfe und deren Suche nach einem mittleren Weg der persönlichen, teilweise mystischen Glaubens- und Gotteserfahrung die Verfasserin zwar besonders betont. Eine Einordnung dieser Positionen in den Kontext des Verhältnisses von Reformation und Humanismus wird bedauerlicherweise aber nicht vorgenommen.

Einer intensiveren Analyse unterzieht Silke Halbach das publizistische Engagement von Frauen in der Frühzeit der Reformation. Auch sie stellt drei Frauen in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung: Argula von Grumbach, die erste für die 'causa lutheri' publizistisch tätige Frau, die u.a. in Regensburg und Nürnberg veröffentlichte, Katharina Zell (Straßburg) und Ursula Weide (Eisenberg/Sachsen). Untersucht werden neben den biographischen und publizistischen Einzelheiten die laientheologischen Positionen der Frauen, denen das 'sola fide' und das 'sola scriptura' als zentrale Bezugspunkte dienten. Die häufig tagespolitisch motivierten Stellungnahmen der Frauen und die darin zum Ausdruck kommende Glaubenshaltung beurteilt Halbach vor dem Hintergrund der Laienbewegung der frühen Reformationszeit, deren theologisches Engagement im Zuge der zunehmenden Verwissenschaftlichung des theologischen Diskurses und der Entstehung einer evangelischen Amtskirche zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde. Dementsprechend endete auch die auf das Reformationsgeschehen bezogene publizistische Tätigkeit der behandelten Frauen noch in der Mitte der 1520er Jahre.

Mit der Publizistik der frühen Reformationszeit beschäftigt sich auch Antje Rüttgart, die die Diskussion über das Klosterleben von Frauen in der Flugschriftenliteratur dieser Zeit analysiert. Einen wesentlichen Schwerpunkt dieser v.a. 1523/24 in der Öffentlichkeit geführten Debatte bildete die Frage nach der Legitimität von Klosteraustritten, die von protestantischer Seite propagiert, von kontroverstheologischen Publizisten erstaunlicherweise aber kaum thematisiert wurden. Die Verfasserin gibt einen Überblick über die wichtigsten zu diesem Thema erschienenen Schriften und legt zugleich die wesentlichen Argumentationsmuster der Kontroverse offen, die eine wichtige Grundlage für das Verständnis des "für die weibliche Identität und Lebensgestaltung besonders folgenreichen Wandels der christlichen Lebensauffassung in der Reformationszeit" (S. 75) liefern: Die reformatorische Polemik gegen die monastische Lebensform ging einher mit der Aufwertung der Ehe, die zum weiblichen Beruf schlechthin und damit zur einzig legitimen Lebensform für Frauen überhaupt erhoben wurde. Die zunächst zur Gewissensentlastung unfreiwilliger Nonnen formulierte Klosterkritik trug vor diesem Hintergrund dazu bei, die möglichen weiblichen Lebensformen weiter auf die Rolle der Ehefrau und Mutter zu beschränken.

Eine gewisse Alternative zur Ehe boten in protestantischen Gebieten die zu Damenstiften umgewandelten Klöster, die Lucia Koch am Beispiel der nassauischen Stifte Gnadenthal, Keppel und Walsdorf behandelt. Die Verfasserin zeigt, dass die ältere Deutung dieser Stifte als 'Auslaufmodelle' einer anderen Zeit zu revidieren ist und stattdessen die protestantische Erneuerung des Modells 'Damenstift' und die Einbindung dieser Einrichtungen in den Konfessionalisierungsprozess stärker berücksichtigt werden müssen. Insbesondere die reformatorische Argumentation, Klöster seien ursprünglich Schulen gewesen und könnten weiter bestehen, wenn sie diesem Zweck wieder zugeführt würden, eröffnete Möglichkeiten, die gemeinschaftliche Lebensform von Frauen im Stift als Ort konfessioneller Sozialisation auch im protestantischen Milieu beizubehalten bzw. wiederzubeleben. Neben der Entwicklung zu 'Höheren Töchterschulen', zu sozialen Einrichtungen und quasi-theologischen Seminaren zur Ausbildung von Frauen für den Dienst in der Kirche ermöglichte das protestantische Modell des Damenstifts auch die Anknüpfung an die katholische Tradition des Stifts als religiöser Lebensgemeinschaft und Versorgungsanstalt, die allerdings im neuen konfessionellen Kontext nur auf Zeit bestehen sollte: Für Nassau weist Koch nach, dass Frauenstifte "als eine Art Ehevorbereitungsinstitut" (S. 211) angesehen wurden, in denen Mädchen gute, d.h. den neuen, protestantischen Normen entsprechende Sitten und Verhaltensweisen erlernten, bevor sie eine konfessionsgemäße Ehe eingingen.

Zwei Beiträge beschäftigen sich mit den bislang nur wenig untersuchten Aktionsräumen von Frauen in dissidentischen Gruppierungen der Reformationszeit: Nicole Grochowina beschreibt Möglichkeiten und Grenzen weiblicher Aktivität in der täuferischen Bewegung und zeigt, dass mit der Institutionalisierung von Gemeinden in Mähren und der damit zusammenhängenden Vereinheitlichung von (Glaubens-) Vorschriften auch eine Festschreibung der Unterordnung der Frauen einherging, die sich u.a. in den Vorschriften zur Ehe und Ehescheidung äußerte. Zwar lässt sich grundsätzlich auch in den täuferischen Zirkeln Nieder- und Oberdeutschlands, in denen es keine gemeindlichen Bindungen gab, die eheliche Unterordnung der Frau feststellen. Im Gegensatz zu den institutionalisierten Gemeinden in Mähren fiel hier den Frauen aber zumindest das Recht zu, sich von einem ungläubigen Ehepartner zu trennen und damit konsequent die eigene Glaubensentscheidung zu vertreten. Dass die Institutionalisierung von Gemeinden neben der Unterordnung der Frau in der Ehe zugleich auch eine Einschränkung der möglichen weiblichen Aktionsräume bedeutete, scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein: Sowohl in den ausgebildeten Täufergemeinden als auch in den täuferischen Zirkeln lassen sich Frauen in verschiedenen, wenn auch nicht führenden Positionen und Ämtern (z.B. als Schulmutter oder Diakonisse) finden, in denen sie auf ihr Umfeld wirkten. Wesentlich einflussreichere Positionen übernahmen Frauen in den spiritualistischen Zirkeln des Schwenckfeldertums, deren Engagement Caroline Gritschke untersucht. Die Attraktivität der Bewegung für Frauen, die sich u.a. darin äußerte, dass diese sowohl quantitativ als auch qualitativ wichtige und teilweise dominierende Rollen in lokalen Zirkeln spielten, muss Gritschke zufolge aus den "Glaubens- und Lebensmöglichkeiten, die das Schwenckfeldertum Frauen im Übergang vom alten katholischen zum neuen protestantischen Bekenntnis bieten konnte" (S. 128), erklärt werden: Die Vorstellung vom 'Priestertum aller Gläubigen' wurde von Schwenckfeld selbst radikal befürwortet, so dass Frauen nicht nur passive Rezipienten, sondern auch aktive Verkünder der Glaubenslehre sein konnten und nicht selten - wie Gritschke ausführlich am Beispiel Ulm erläutert - schwenckfeldische Gemeinden leiteten. Ein zweiter Faktor, der die Gemeinschaft für Frauen attraktiv machte, war die Akzeptanz von unverheirateten Frauen, deren Lebensform im Gegensatz zu protestantischen Vorstellungen nicht nur gebilligt, sondern sogar als frommer Stand angesehen wurde.

Kontinuität und Wandel des Eheverständnisses untersucht der konfessionenübergreifende Beitrag von Barbara Henze. Während über den Wandel des Eheverständnisses auf protestantischer Seite kaum Zweifel bestehen, ist die Frage nach dem Wandel katholischer Ehevorstellungen und nach Kontinuitäten auf beiden Seiten bislang noch kaum gestellt worden. Anhand der Ehekonzeptionen Luthers und des Trienter Konzils erörtet die Verfasserin zunächst die wesentlichen Unterschiede im jeweiligen theologisch begründeten Verständnis von Ehe, die sich v.a. in den Diskussionen um den Wert von Jungfräulichkeit, die Bedeutung weltlicher und kirchlicher Obrigkeiten bei der Eheschließung und die Frage der Ehescheidung zeigten. In einem zweiten Schritt fragt Henze nach den Folgen, die sich hieraus für die Institution 'Ehe' und die Beziehungen zwischen den Geschlechtern ergaben. Wesentliche Veränderungen sieht die Verfasserin konfessionenübergreifend in der neuen, stärker regulierend eingreifenden Rolle der kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten, der zunehmenden Diskriminierung außerehelicher Sexualität und der hiermit in Beziehung zu setzenden Entwicklung zu mehr Emotionalität und Intimität in der Ehe. Die Auffassung von der Unterordnung der Frau unter den Mann herrschte dagegen - trotz der scheinbaren Aufwertung der Frau durch die protestantische Neubewertung der Ehe als 'Beruf' und der neuartigen Ansichten der Reformatoren bezüglich Scheidung und Wiederheirat - weiterhin in allen Konfessionen vor.

Siegrid Westphal schließt zum Teil an diese Ausführungen an, indem sie in ihrem Beitrag über die Auswirkungen der lutherischen Konfessionalisierung auf das Geschlechterverhältnis am Beispiel Pfalz-Neuburgs neben der Sitten- auch die Ehezucht behandelt und damit die konkrete Umsetzung des bereits von Henze erörterten lutherischen Ehekonzeptes analysiert. Ein Gradmesser für die Akzeptanz der neuen Normen sei in der Bereitschaft einzelner Gemeindemitglieder zu sehen, den zuständigen Stellen konkrete Normverstöße zu melden. Für Pfalz-Neuburg konstatiert Westphal eine deutliche Unterstützung der obrigkeitlichen Zuchtbemühungen und schließt bezüglich der Ehe- und Sittenzucht auf eine zumindest partielle "Interessenallianz zwischen Obrigkeit und Gemeinde" (S. 168). Für die Konfessionalisierungsdebatte ergibt sich damit eine erneute Infragestellung des strikten Gegensatzes zwischen obrigkeitlich und kommunal getragener Konfessionalisierung zugunsten einer differenzierten Analyse der Wechselwirkungen zwischen beiden Ebenen.

Nützliche Hinweise und Anregungen bietet schließlich der Literatur- und Forschungsbericht von Gisela Muschiol zu weiblichen Orden und anderen religiösen Gemeinschaften von Frauen zwischen Reformation und katholischer Reform. Als wesentliche Desiderata nennt die Verfasserin neben einer Fülle von Einzelfragen v.a. vergleichende Studien auf regionaler und städtischer Ebene, die sich mit der Rolle von weiblichen Orden und religiösen Frauengemeinschaften im Konfessionalisierungsprozess sowie ihrer Stellung im jeweiligen städtischen bzw. territorialen Gefüge der Zeit befassen.

"Die 'allgemeine' Forschung kommt nicht mehr umhin, in ihre Analyse die Fragestellungen und Ergebnisse der Frauen- und Geschlechtergeschichte einzubeziehen", konstatiert Anne Conrad am Ende ihres Beitrags (S. 22). In diesem Sinne ist zu hoffen, dass auch der vorliegende Band eine breite Resonanz erfährt.

Empfohlene Zitierweise:

Andreas Rutz: Rezension von: Anne Conrad (Hg.): "In Christo ist weder man noch weyb". Frauen in der Zeit der Reformation und der katholischen Reform, Münster: Aschendorff 1999, in: PERFORM 1 (2000), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=30>

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