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Das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Alltagsleben, Wandel und Fortschritt in Jahren des Umbruchs, Köln / Bergisch Gladbach: Freies Historikerbüro, MicroMediaArts, Sauerländer 1997, CD-ROM, ISBN 3-7941-4348-5, DM 99,00

Rezensiert von:
Beatrice M. Helbig
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Die CD-ROM dient als detaillierte Einführung in das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges und erschien im selben Verlag wie "Die Stadt im Mittelalter". Es werden nicht nur die politischen Ereignisse und ihre Zusammenhänge erläutert, sondern auch andere Bereiche wie zum Beispiel Wirtschaft, Alltag, die Gesellschaft, das Klima, sowie Wissenschaft und Entdeckungen thematisiert.
Der Rundgang durch das Zeitalter verläuft in zwei virtuellen Räumen, in denen verschiedene Gegenstände, z.B. eine Weltkugel, ein Gemälde oder ein Buch, die einzelnen Themen symbolisieren. Allerdings ist weder der Sinn dieser Aufteilung in zwei Räume einleuchtend, noch sind die Themen bzw. Gegenstände systematisch angeordnet. Zum Beispiel befindet sich die "Inflation" zwischen "Kurfürsten und Reformation" und den "Landsknechten". Um zu einem bestimmten historischen Gegenstand zu gelangen, muß man diesen innerhalb des virtuellen Zimmers erst suchen. Es wäre vorteilhafter, wenn zu Beginn des Programms ein Hauptmenue präsentiert würde, um sich einen inhaltlichen Überblick verschaffen zu können. Diesen erhält man lediglich in der "Bibliothek", die sich am unteren Bildrand in der Steuerleiste befindet. Sie bietet zusätzlich einen ausführlichen Index, ein Literaturverzeichnis sowie technische Programmeinstellungen und das Impressum.
Die gesamte Präsentation arbeitet hauptsächlich mit Bildern, Musik und Texten, die abwechselnd von einer männlichen und einer weiblichen Stimme vorgelesen werden. Bedauerlicherweise besteht nicht die Möglichkeit, Texte nachzulesen, zu kopieren oder auszudrucken. Das Zuhören erfordert teilweise eine hohe Konzentrationsfähigkeit und es besteht die Gefahr, schnell vom Thema abzuschweifen. Es ist fraglich, ob eine derartige Hör-CD für den Einsatz in Schulen geeignet ist, für die sie offensichtlich konzipiert wurde.
Zwar kann durch die Unterteilung der Themenblöcke in einzelne Abschnitte zwischenzeitlich eine Pause eingelegt oder ein Abschnitt wiederholt werden, doch leider kann man einzelne Sätze weder zurück- noch vorspulen. Auch fehlt eine Leiste, aus der ersichtlich würde, an welcher Stelle des Themenblocks man sich befindet.

Die Vorgeschichte und der Dreißigjährige Krieg selbst werden sehr ausführlich erläutert. Dabei werden nicht nur die Ereignisse chronologisch hintereinander gesetzt, sondern es wird durchaus nach Ursachen, Zusammenhängen und Ergebnissen gefragt. Dies fördert das Verständnis und ist deshalb sehr positiv zu bewerten. Beispielsweise werden der Augsburger Religionsfriede ausführlich erklärt und anhand von Karten, Graphiken und Beispielen die konfessionellen Verteilungen und Streitpunkte anschaulich gemacht. Ebenso wird kurz auf Reformation, das Trienter Konzil, die Gegenreformation, den Einfluß der Jesuiten, den Kölner Krieg und den Fall Donauwörth eingegangen. Bei letzterem ist allerdings zu bemängeln, daß wichtige Institutionen des Reiches, wie das Reichskammergericht, der Reichshofrat und der Reichsdeputationstag, die notwendig bei der Schlichtung der Streitigkeiten waren, gar nicht auftauchen und lediglich auf den Ausfall des Reichstags hingewiesen wird. In diesem Abschnitt besteht ein inhaltliches Mißverhältnis, da eine sehr detaillierte Ereignisgeschichte geboten und sogar auf den Aufbau der Reichskreise eingegangen wird, während andere wichtige Verfassungsinstitutionen außen vor bleiben.
Der Dreißigjährige Krieg selbst wird in den vier klassischen Abschnitten beschrieben und erklärt. Dabei werden am Ende jeder Kriegsphase die wichtigsten Stationen und Ergebnisse nochmals zusammengefaßt, was sehr zu begrüßen ist. Ebenso positiv zu bewerten sind dabei die Karten, anhand derer die Kriegszüge und wichtige Schlachten veranschaulicht werden.

Im Abschnitt über die Menschen im Krieg werden hauptsächlich Bauern und Soldaten behandelt. Hier wäre zu fragen, warum nicht auf die Geistlichkeit, den Adel und die Bürger eingegangen wird. Warum wird nicht auch der Gesellschaftsaufbau behandelt ? Wo wird die Bedeutung der Bürger und Städte thematisiert?
Ebenso fällt auf, daß das Leben der Menschen sehr negativ dargestellt wird. Leid und Not werden zu stark betont. Immer wieder wird auf Hunger, Seuchen, Plünderungen und Brandschatzung hingewiesen. An keiner Stelle wird erwähnt, daß der Krieg unterschiedliche Auswirkungen in den einzelnen Regionen des Reiches hatte und daß es durchaus einige Gruppen und Gegenden gegeben hat, die vom Krieg profitierten.
In einem eigenen Abschnitt sollen zeitgenössische Bilder und Lieder das Leid und die Not des Krieges verdeutlichen. Leider erfährt der Benutzer weder, um welche Bilder es sich dabei handelt noch erfährt er Näheres über Inhalt und Aussage der Bilder, da sie nicht vergrößert werden können und nicht näher erklärt werden. Beispielsweise könnte das Bild, das den Titel Diable d'argent trägt, näher beschrieben und erklärt werden, da es sehr viele Informationen enthält, die ein tiefergehendes Verständnis des Zeitalters fördern würden. Allgemein könnten zeitgenössische Radierungen und Flugblätter im Unterricht sehr gewinnbringend zur Analyse eingesetzt werden.
Um das Leben und Leiden der Bevölkerung zu veranschaulichen, wird das fiktive Leben des Johann M. dargestellt. Prinzipiell ist die Idee, an einem Beispiel die Geschichte darzustellen, sehr lobenswert. Es wird eine kurze Geschichte eines Bauern erzählt, der zweimal verheiratet war und elf Kinder hatte. Die Mehrzahl der Kinder starb an Seuchen. Im Hintergrund werden zeitgenössische Gemälde eingeblendet, wobei aber nicht deutlich wird, um welche Bilder es sich handelt und wozu sie dienen. Anstelle dieser Konstruktion wäre es besser gewesen, eine zeitgenössische Quelle, zum Beispiel das Tagebuch eines Söldners (Jan Peters (Hrsg.), Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, Berlin 1993), heranzuziehen und anhand von Auszügen ein Leben im Dreißigjährigen Krieg zu schildern und zu analysieren. Diese Auszüge hätten dann auch als Schulmaterial eingesetzt werden können.

In einem weiteren Themenblock stehen Wirtschaft und Gesellschaft im Mittelpunkt. Anhand eines zeitgenössischen Bildes werden einzelne Bereiche und Institutionen, wie zum Beispiel die Kirche, die Gemeindeversammlung oder ein Bauernhaus erläutert. Hierbei wird deutlich, daß häufig ein Mißverhältnis zwischen dem Inhalt und den Grafiken bzw. Bildern besteht. Zum Beispiel wird die Vorgeschichte des Krieges sehr detailliert, das Leben im Dorfes jedoch nur sehr oberflächlich beschrieben. Man könnte sehr viel mehr über die Rolle der Kirche und des Pfarrers, über die Abgaben der Bauern oder verschiedene Dorfämter erzählen. Ebenso könnte näher auf verschiedene Ämter eingegangen. Es werden der Hirte und der Feuerschauer aufgeführt, die zweifellos nicht unwichtig waren, aber warum werden gerade sie erwähnt ? Warum wird nicht mehr über die gesellschaftliche Differenzierung innerhalb eines Dorfes berichtet ? Näheres über das dörfliche Handwerk ?
Problematisch ist auch die graphische Darstellung der ländlichen Besitzverteilung in Württemberg. Zum einen fehlen meistens die Quellen aus dieser Zeit, die eine derartige Darstellung ermöglichen, zum zweiten wird hier erneut ein sehr pauschales Bild entworfen. Der Hinweis auf regionale und lokale Unterschiede fehlt.
Positiv fällt hingegen wiederum die Beschreibung von Guts- und Grundherrschaft auf. Hier wird graphisch ersichtlich gemacht, wodurch sich diese beiden Agrarverfassungstypen unterschieden. Es verwundert allerdings, warum dieser Abschnitt die Überschrift "Bauernlegen" trägt, da dieser ungeläufige Begriff weder erwähnt noch erläutert wird.
Im Abschnitt über die Inflation und die Preise und Löhne wird intensiv mit Graphiken und Kurven gearbeitet. Dies ist lobenswert, da somit wirtschaftliche Vorgänge deutlich gemacht werden. Gut ist ebenfalls der exemplarische Warenkorb, der beispielhaft beschreibt, was eine fünfköpfige Familie im Jahr verbraucht. Der Hinweis, daß es sich um ein Beispiel handelt, müßte öfters fallen, da viele Bereich stark pauschalisiert werden.

Der Abschnitt über Klima und Umwelt behandelt die beiden Themen "Die kleine Eiszeit" und den "Waldschutz". Erfreulich sind die Beschreibungen der Bilder von Pieter Breughel im Zusammenhang mit der kleinen Eiszeit und die Frage nach der Herkunft von Kenntnissen über frühere Klimaveränderungen. Anhand von Baumstämmen wird die Forschung von Klimahistorikern erläutert. Im zweiten Teil wird die Funktion des Waldes für Bauern und Adel illustriert, wobei allerdings zu sehr auf das Vergnügen des Adels und die Lasten der Bauern verwiesen wird. Wie bereits bei den anderen Themenkomplexen wird wiederum das Leben der damaligen Zeit zu negativ und bedrückend dargestellt und einseitig das soziale Elend der Bauern in den Vordergrund gerückt. In einem weiteren Kapitel wird auch das neue Bild der Wissenschaft beleuchtet, wobei die Staatsrechtslehre von Bodin, das astronomische Weltbild, sowie die Entdeckung des Blutkreislaufs behandelt werden. Dabei wäre zu fragen, warum nicht auch Kunst und Literatur thematisiert werden, die doch im Zeitalter des Barock ebenfalls bedeutsam waren.
Positiv zu bewerten sind in dieser Sektion die Veranschaulichung physikalischer und astronomischer Gesetze. Beispielsweise werden die Keplerschen Gesetze in knappen Sätzen formuliert und dem Benutzer vor Augen geführt. Eine Verbesserung könnte durch Animationen und Planetenmodelle zum Einsatz im Unterricht erzielt werden.

Alles in allem ist die CD-ROM zwar sehr informativ und anschaulich, sie vermittelt viele Kenntnisse. Oft stimmen allerdings die Verhältnisse nicht. Viele Bereiche werden zu oberflächlich behandelt, andere fehlen gänzlich. Zu bedauern ist auch, daß man nur zuhören und sich keine Texte durchlesen kann. Das Zuhören allein kann, aufgrund des komplexen Themas, für viele sehr anstrengend sein und fördert eher den Frontalunterricht. Der Benutzer wird nicht zu einem "entdeckenden Lernen" angeregt. Zwar sind immer wieder kleine Abschnitte eingebaut, in denen man per Mausklick Figuren oder Münzen auf bestimmte Positionen verschieben soll, doch ist der Lerneffekt dieser Spiele in Frage zu stellen. Ebenso ist das Rätsel um die "Verkehrte Welt" - einem Gemälde von Breughel - zwar unterhaltsam, entbehrt aber jeglichen Lerneffekts.
Hinsichtlich der Auswahl des Bildmaterials fällt der breite Rückgriff auf zeitgenössische Darstellungen positiv auf. So können beispielsweise bekannte Namen mit einem Gesicht verbunden werden. Leider fehlen dabei meistens die Angaben über Inhalt, Herkunft und Bedeutung des Gemäldes oder der Radierung. Ebenso wenig lassen sich die Bilder vergrößern und näher betrachten, so daß viele Informationen verloren gehen. Zu bemängeln sind ebenso die fehlenden Quellen, die sich sehr gut als Unterrichtsmaterial hätten einsetzen lassen können.
Trotz aller Kritikpunkte ist die CD-ROM ein sehr informatives, reichhaltiges und anschauliches Medium zur Vermittlung von Kenntnissen über das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges.

Empfohlene Zitierweise:

Beatrice M. Helbig: Rezension von: Das Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges. Alltagsleben, Wandel und Fortschritt in Jahren des Umbruchs, Köln / Bergisch Gladbach: Freies Historikerbüro, MicroMediaArts, Sauerländer 1997, in: PERFORM 1 (2000), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=23>

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