header

Thomas Brockmann: Die Konzilsfrage in den Flug- und Streitschriften des deutschen Sprachraumes 1518-1563 (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Bd. 57), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, 762 S., 7 SW-Abb., div. Graphiken, ISBN 3-525-36050-9, DM 172,00

Rezensiert von:
Stephan Laux
Historisches Seminar, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

Befasst man sich mit grundsätzlichen Streitfragen der Reformationszeit, wird man unweigerlich auf das Thema Konzil stoßen und dabei vielleicht die Erfahrung des Rezensenten teilen, dass man es zwar mit einem bedeutenden Gegenstand zu tun hat, der sich aber nicht recht greifen lässt, weil er die längste Zeit keine Gestalt ausbildete. Das Konzil schließlich, das dann als das Trienter erst kurz vor Luthers Tod Geschichte machte, ist seinem Charakter zufolge im Grunde nicht mehr als Teil der Reformationsgeschichte anzusehen, sondern als innerer Vorgang der - katholischen - Konfessionsgeschichte. Dennoch bleibt das Thema natürlich ein wichtiges: Zum einen, weil sich erst dem zeitlich entrückten Historiker Ausmaß und Reichweite des Konfessionsbildungsprozesses offenbaren, dem Idee und Durchführung des Konzils als Unionsveranstaltung letztendlich zum Opfer fielen. Zum anderen ist die über ein halbes Jahrhundert mehr oder minder kontinuierlich fortgeführte Diskussion um Gestalt und Autorität des Konzils ein geeigneter Gradmesser zur Bemessung des religiös wie politisch bedingten Differenzierungsprozesses im Reich.

Der seit Luthers "Causa" öffentlichen Diskussion um das Konzil geht Thomas Brockmann in seiner voluminösen Bonner Dissertation nach. Sie leistet - um es vorweg zu nehmen - eine inhaltlich wie methodisch weitreichende, überzeugende Grundlagenarbeit. Der Studie liegt die Sammlung und systematische Untersuchung gedruckter, also öffentlich wirksam gewordener Schriften unterschiedlicher konfessioneller Provenienz zugrunde. Brockmann vermeidet zwar eingangs ausdrücklich die Begriffe "Diskussion" und "Debatte" (20), weil sich nicht in allen Schriften eine konkrete Bezugnahme auf einen persönlichen Sachbeitrag finden lasse. Angesichts der Masse des Materials und der Tiefe seiner Ausleuchtung darf man sich dessen ungeachtet nach der Lektüre dieser Studie über das Thema 'Das Konzil in der Diskussion' profund informiert fühlen. Vorab ist noch eines klar zu stellen, um der Intention des Buchs gerecht zu werden: Brockmann untersucht die Publizistik des Konzilsstreits, ohne deshalb im engeren Sinne eine publizistikgeschichtliche Studie verfasst zu haben. Es geht eben nicht um die "Flug- und Streitschriften der Reformationszeit anhand der Konzilsfrage", sondern umgekehrt darum, ein in seiner Erscheinungsform homogenes publizistisches Quellencorpus auf seinen "Sachgehalt" (44) hin zu befragen. Man sollte deshalb nicht erwarten, dass Charakteristika des Mediums selbst problematisiert würden, also Konzeption, Funktion, Produktion und Distribution der Flugschriften. Unter dieser Prämisse erklärt und rechtfertigt sich die im Titel ausgedrückte Klassifizierung der herangezogenen Quellen als "Flug- und Streitschriften": Brockmann ist sich bewusst (27 mit Anm. 43), dass diese Bezeichnung im gattungsbegrifflichen Sinne nicht hinreichend ist, denn sie wirft die materielle Gestalt und inhaltliche Tendenz in eins. De facto freilich decken sich Erscheinungsform und Intention des Mediums weitgehend, wurde doch für die meisten Streitschriften eben die Flug- oder Massenschrift als Träger gewählt, während umgekehrt der Kontroverscharakter von Flugschriften per se gegeben war. Mit dem Begriff der "Flug- und Streitschriften" verbindet sich also die Absicht, in einem operationalen Sinne "einen Quellenbestand zu beschreiben und zu definieren, durch den auf Grund seiner Charakteristik methodisch gesicherte Antworten auf die Frage nach dem Konzil in der deutschen öffentlichen Diskussion ... zu erwarten sind. " Brockmann erwähnt (23), dass der Wert der Quellengruppe 'Flugschriften' schon 1933 von Hubert Jedin und 1956 von Robert Stupperich hervorgehoben wurde. Dass sie in der Forschung bislang noch keine systematische Aufarbeitung gefunden hat, liegt zunächst einmal schlicht daran, dass sich niemand fand, der sich dieser Aufgabe unterzog. Ein eher struktureller Grund sind konfessionell bedingte gegenläufige Orientierungen in der Kirchengeschichtsschreibung. So steht die hohe Zahl der Veröffentlichungen zum Thema 'Konzil' von katholischer Seite in keinem Verhältnis zu den wenigen von evangelischer. Dabei sind auch die Schwerpunktsetzungen eindeutig genug: Denn warum hätte sich die katholische Geschichtsschreibung statt mit dem eigentlichen Konzil von 1545 bis 1563 intensiv der reformatorischen Konzilsidee der Frühzeit widmen sollen, und warum hätte man sich umgekehrt in reformatorischer Sicht weniger mit der Konzilstheorie der Lutherzeit als mit der Konzilspraxis der Gegenreformation befassen sollen? Auch vor dem Hintergrund der (somit natürlich pointiert angedeuteten) Historiographiegeschichte ist es daher ein Gewinn, durch Brockmanns Buch endlich einen konzisen, paritätischen und konfessionell unvoreingenommenen Vergleich der konziliaren Theorien an die Hand zu bekommen, und zwar über den gesamten in Frage stehenden Zeitraum von 1517 bis 1563.

Bei der Auswahl von Schriften für die Untersuchung hat der Verfasser Kriterien aufgestellt, die der arbeitsökonomischen Handhabbarkeit des Themas dienen, insbesondere aber ihre schlüssige Zuordnung zur Gattung Flug- und Streitschriften erlauben: Die quantitative Reduzierung des Materials bringt die Beschränkung auf Schriften, die innerhalb des deutschen Sprachraums "gedruckt oder wirksam wurden", mit sich, dann die Ausklammerung von Einblattdrucken (was zwar nicht begründet wird, aber plausibel ist, weil sich jene weitgehend in polemischen Einwürfen erschöpft haben dürften). In thematisch-inhaltlicher Perspektive sollten die Drucke appellativen Charakters sein (was deutlich vorherrschend informative und normative Schriften ausschließt) und einen erkennbaren Aktualitätsbezug besitzen (was Grundsatzdarlegungen ohne ersichtliche Ereignisnähe ausschließt). Unter dem Strich kamen so 179 Stellungnahmen zusammen, die Brockmann einer inhaltlichen Analyse unterzieht. Über diese an sich immense Leistung geht er noch hinaus, indem er über diese von ihm so genannten "Konzilsschriften im engeren Sinne" weitere 383 in einem 223 Seiten umfassenden bibliographischen Anhang aufführt, und zwar jeweils in Volltiteln mit Bestands-, häufig auch Literaturangaben und Kommentaren. Das ist schon deshalb anerkennenswert, weil er hier substanzielle Nebenerträge seiner eigenen Recherchen offenlegt und quasi in einem zweiten Buch im Buch der Forschung die Grundlage für weitere Arbeiten bietet. Im Anhang werden 37 Einrichtungen (Bibliotheken, Archive und Forschungsinstitutionen) ausgewiesen, von denen der Verfasser nach eigenen Angaben 25 persönlich aufgesucht hat (unter anderem in Basel, Breslau, Klosterneuburg, Wien, Zürich). Vor allem vom Tübinger Flugschriftenprojekt wurde systematischer Gebrauch gemacht. Daneben hat er eine Reihe von Editionen ausgewertet, beispielsweise die historischen Sammlungen Friedrich Hortleders des 17. Jahrhunderts. Da das so zusammengetragene Material quantitativ, formal und inhaltlich als repräsentativ gelten kann, lohnt es sich, einen konfessionsspezifischen Gradmesser anzulegen, weil sich somit schon Aufschluss über den Stellenwert der Konzilsdiskussion in den Lagern eröffnet: Knapp 62% (346 Stücke) nämlich sind reformatorischer Provenienz, wobei sich die katholische Fraktion (30,1%/169) den Rest mit reformorientierten Verfassern ohne dezidierten religiösen Standpunkt teilt (8,4%/47). Unter Berücksichtigung der Ausgaben- bzw. Auflagenzahl (soweit zu ermitteln) verschlechtert sich das Verhältnis zuungunsten der katholischen Publizistik sogar auf 1:3. Hinsichtlich der "Breitenwirkung" relevant ist die Zahl der ausschließlich lateinisch (also nicht zweisprachig oder später übersetzten) erschienenen Schriften, die in der katholischen Publizistik bei 42,6%, bei der reformatorischen bei 19,1% liegt - dabei wiederum mit einer deutlichen proportionalen Verschlechterung zum Nachteil der katholischen Seite, berücksichtigt man nur die Konzilsschriften im engeren Sinne: Auf den Gesamtzeitraum besehen sind 62,5% dieser katholischen Schriften nicht in deutscher Sprache erschienen, von den reformatorischen nur 32,1%.

Die konfessionsstatistischen Auswertungen, die im Anhang (leider nicht integriert im Fließtext) graphisch aufgearbeitet werden, ließen sich insbesondere nach zeitlichen Phasen differenzieren, wobei man interessante Beobachtungen macht wie zum Beispiel das charakteristische Verschwinden konfessionsneutraler (oder besser: irenischer) Schriften mit dem Konzilsbeginn 1545. Dies könnte aber darüber hinwegtäuschen, dass der eigentliche Wert dieser Arbeit nicht in der fleißigen Anhäufung oder formalstatistischen Auswertung, sondern in der sachlichen Analyse des eigentlichen Streitthemas liegt. Diese wird in zwei Großkapiteln in zunächst systematischer, dann chronologischer Weise geleistet. Zunächst aber werden in einer thematischen Einleitung auf gut 20 Seiten die "Anfänge der Konzilsdiskussion" im Kontext der "causa Lutheri" entwickelt. Luthers Forderung nach einem Konzil in der Ablassfrage reicht bis auf seine Verteidigung der 95 Thesen gegenüber Tetzel im Frühsommer 1518 zurück. Im Herbst 1518 schließlich, nach dem Verhör durch den Kardinalslegaten Cajetan, appellierte er am 28. November 1518 förmlich und offiziell - der Wortlaut ging sogleich als Flugblatt in den Druck - an ein Konzil, dessen Schiedsspruch dem Papst prinzipiell und praktisch übergeordnet sei. Der Auffassung Luthers, die zunehmend von einer persönlich motivierten Verteidungsstrategie in eine binnentheologische, entscheidend seinen Bruch mit der alten Kirche bewirkende Einsicht mündete (66 mit Anm. 92), wurde von römischer Seite nun um so heftiger als Ketzerei zurückgewiesen, als Luther die Superiorität des Konzils als "Repräsentanz der Gesamtkirche" hervorhob. Der päpstliche Antikonziliarismus war schon 1517 durch die in zehn Ausgaben erschienene Flugschrift "Julius exclusus" persifliert worden, die den verstorbenen Papst Julius II. vor eine verschlossene Himmelspforte treten ließ und das Unvermögen seiner Amtsführung eben an seiner Abneigung gegen ein Konzil festmachte. Im Zuge der Ausformung seines spirituellen reformatorischen Kirchenbegriffs differenzierte und relativierte Luther seit der Leipziger Disputation (Juni bis Juli 1519) hingegen seinen Konzilsbegriff: Fehlbar, so Luther, sei theoretisch und faktisch-historisch nämlich nicht allein der Papst, sondern auch das Konzil. Vorrang vor beiden habe nur die Heilige Schrift und der einzelne Gläubige. Kein Wunder zwar, dass das katholische Lager - Johannes Eck voran - die scheinbare Inkonsistenz von Luthers Argumentation aufs Korn nahm und sogleich ein entsprechendes Flugblatt in den Druck gab. In der sich nun entfachenden Debatte aber war Luther und den Seinigen mit den erprobten antikonziliaristischen Argumenten früherer Zeit nicht beizukommen: Die Kontroverse um die alte Frage 'Papst oder Konzil' hatte sich unversehens von der institutionellen Ebene auf eine fundamentaltheologische verlagert.

Im folgenden Hauptkapitel 3 liefert Brockmann eine systematische Untersuchung zunächst des reformatorischen, dann des katholischen Konzilsverständnisses von 1520 bis zum Ende des Tridentinums. Die reformatorische Konzilstheologie wird in ihrer Abhängigkeit von fünf wesentlichen, da fundamentale Anliegen evangelischen Denkens berührenden Punkten dargestellt. In grundsätzlicher wie pragmatischer Sicht hätte demnach kein wie auch immer geartetes Konzil diesen theologischen Prämissen standgehalten, denn erstens stand dem Konzil in ekklesiologischer Perspektive die von den Reformatoren mehrheitlich geteilte Vorstellung entgegen, die wahre Kirche sei eine rein geistige Gemeinschaft, die durch eine sichtbare Institution nur unvollkommen repräsentiert werde. Massive Konzilskritik wurde daher insbesondere im spiritualistisch gesinnten Flügel der Reformation laut (zum Beispiel Heinrich von Kettenbach, Alexius Crosner); zweitens besitze das Konzil weder göttliche Inspiration noch göttliche Präsenz (unter anderem Heinrich Bullinger); drittens sei die Heilige Schrift als solche hinreichend und auch hinreichend klar, so dass es des Konzils als Auslegungsinstanz nicht bedürfe (communis opinio aller Kommentatoren); viertens stehe jedem einzelnen Christen nach Maßgabe der Heiligen Schrift ein subjektives Urteil zu (neben Luther unter anderem Johann Eberlin von Günzburg), woraus fünftens die Notwendigkeit resultiert hätte, ein Konzil unter größtmöglicher Laienbeteiligung abzuhalten. Ein weiterer Punkt, die Superioriätsfrage Papst/Konzil, die am Anfang der Auseinandersetzung als die zentrale erschienen war, wurde weiterhin antipäpstlich beantwortet, ohne aber dass dieses Argument als ein positives für ein Konzil zu Buch geschlagen hätte. Für ebenso sekundär, wenngleich propagandistisch wirksam, sind angesichts der genannten prinzipiellen Einwendungen verfahrensrechtliche und historische Begründungen gegen die konziliare Infallibilität zu halten (zum Beispiel bei Bullinger, Jakob Schorr, Antonius Corvinus). Ging es in reformatorischer Sicht der Konzilsfrage im Grunde mehr und mehr darum, die spirituelle Kirche mit theologischen Hürden vor einem Konzil zu schützen, stand in katholischer das genaue Gegenteil an, nämlich die "Heilsfunktion und Autorität der irdisch-verfaßten Kirche überhaupt" (143) und damit auch eines (freilich papstabhängigen!) Konzils zu begründen. Das Konzil - so argumentierten Kontroverstheologen wie Johannes Cochläus, Stanislaus Hosius, Johannes Eck, Friedrich Nausea, Bartholomäus Latomus, Johannes Dietenberger, Albert Pigge oder Kaspar Schatzgeyer - sei eben erstens repräsentativ für die Kirche und zweitens keineswegs reines Menschenwerk, sondern vielmehr "Ort göttlichen Wirkens". Irrte im übrigen das Konzil als repräsentierte Weltkirche, dann, so Konrad Treger 1524 mit dem "argumentum ex consequentiam", werde letztlich alle Glaubensgewissheit zerstört. Führt man sich aber vor Augen, mit welcher Hitzigkeit und Grundsätzlichkeit die Reformatoren die Legitimität der Amtskirche als heilsvermittelnde Instanz in Abrede stellten, wie muss es da auf sie gewirkt haben, wenn ihnen katholischerseits nun als Argument für ein Konzil die angebliche Insuffizienz der Heiligen Schrift vorgehalten wurde? Oder dass ein Konzil gut nütze zur Abwehr willkürlicher Schriftauslegung durch 'Ketzer' (Hieronymus Emser, Dietenberger)? Das prokonziliaristische Argument barg für katholische Kommentaren zwar eine gewisse Gefahr der Papstanfechtung, wurde trotz mancher Affinität (Pigge, Nausea) letztlich aber doch 'papal' gewendet. Das galt unter anderem auch für das von Luther in seiner Adelsschrift 1520 als eine von drei 'Mauern der Romanisten' bezeichnete Recht zur Konzilseinberufung, das (wie die -präsidentschaft) alle katholischen Kommentatoren durchweg (mit der nicht ganz eindeutigen Ausnahme Georg Witzels) beim Papst gelassen sehen wollten.

Nur knapp eingegangen werden kann auch auf das folgende längere der beiden Hauptkapitel, wobei es dahingestellt bleiben soll, ob es wirklich sinnvoll war, dem systematischen Abschnitt einen chronologischen folgen zu lassen, und ob dieser 198seitige "Überblick" noch als ein solcher durchgeht. Angesichts der Verbindung eines religiösen und politischen Partikularismus der Reichsstände spielte natürlich auch das "Konzil als Politikum" (Kap. 4. 1. 4) eine große Rolle. Vom ersten Nürnberger Reichstag 1522/1523 an bis immerhin 1526 votierten die Reichsstände gemeinsam für die Abhaltung eines Konzils, ohne sich damit den längst entbrannten Dissens der Theologen zu eigen zu machen - dies wahrscheinlich, wie Brockmann plausibel vermutet (235, 236), weil die Polarisierung der Reichspolitik noch nicht entsprechend fortgeschritten war und weil es inopportun gewesen wäre, sich durch Ablehnung eines Konzils nach außen in den Verdacht fehlender Konsensbereitschaft zu bringen. Im Herbst desselben Jahres veröffentlichte Kaiser Karl seine ebenso religiös wie politisch motivierte Appellation an ein Konzil, wobei er die Kardinäle im Falle einer fortgesetzten Konzilsverweigerung Clemens VII. zur Eigeninitiative anhielt. Druck in Richtung auf ein Konzil verspürten folglich die Kurie und die Angehörigen der Reichskirche, nicht ernsthaft aber die 1529 im Protest und 1531 auch im Bündnis geeinten evangelischen Reichsstände. Bewegung in die kaiserliche Konzilsinitiative kam erst durch das im Oktober 1534 beginnende Pontifikat Pauls III., der der Veranstaltung weniger apriorisch abgeneigt war. Die weitere Ereignisgeschichte ist bekannt und sei nur bis 1545 rekapituliert: Für den 23. Mai 1537 berief Papst Paul ein Konzil nach Mantua, das von den Protestanten aber abgelehnt wurde und innerhalb zweier Jahre dreimal prorogiert und am Ende (21. Mail 1539) suspendiert wurde. Fortgesetzte kaiserliche Bemühungen führten zur Neueinberufung eines Konzils nach Trient 1542, das nach neuerlicher Suspension 1543 nicht vor dem 13. Dezember 1545 zusammentrat - ohne protestantisch-reformatorische Beteiligung und zu einem Zeitpunkt, da kaiserliche Kriegsvorbereitungen gegen die Schmalkaldener bereits im Gange waren. Die Konzilspublizistik weist für die Phase 1533-1545 mit 145 Stücken nur rund zwei Drittel der 212 von 1520 bis 1532 erschienenen auf. Auch inhaltlich waren die Akzente klar verschoben oder, wenn man so will, theologisch verflacht, denn evangelischerseits sah man sich nicht mehr aufgerufen, sich auf die katholischen Konzilsinitiativen durch eine im Kern "konzilstheologisch-prinzipielle Argumentation" einzulassen. Zwar forderte man weiterhin ein "allgemeines freies christliches Konzil" (an geeigneter Stelle), das aber, so Brockmann, sei vielfach nur eine taktisch eingesetzte "Worthülse" gewesen. Die reformatorische Kritik an der Praxis des bevorstehenden bzw. bestehenden Konzils (so in Rekusationsschriften der Jahre 1537, 1540 und 1546, als Melanchthon das endgültige Nein zum Papstkonzil aussprach) stellte konstruktive Äußerungen zum Thema in den Hintergrund. Von 1546 bis zum Konzilsende 1563 ermittelte Brockmann 185 Schriften, darunter 74 Konzilsschriften im engeren Sinne - keineswegs eine Publikationswelle durch das Konzil also wie in früheren Zeiten oder wie infolge von Krieg, Interim und Fürstenbund. Dabei überwiegen wiederum protestantische Schriften gegenüber katholischen im Verhältnis von mehr als 3 zu 1. Auch inhaltlich habe es die katholische Apologetik seit 1545 nicht verstanden, der protestantischen Kritik durch eine schlüssige Begründung der Konzilspraxis die Stirn zu bieten.

In der Darstellung der Ergebnisse der Arbeit beschränkt Brockmann sich im Wesentlichen auf die Rekapitulation der im Text vorgebrachten Fakten und Analysen. Mit gewichtigen Thesen hält er sich zurück, obwohl die Arbeit diese mitunter getragen hätte. So drängt sich auf die naheliegende Frage, ob das Konzil zu irgendeinem Zeitpunkt eine Chance zur substanziellen Vermittlung zwischen den dissentierenden Parteien besessen hat oder hätte besitzen können, eine negative Antwort auf. Möglicherweise hat vielmehr die Diskussion über den Gegenstand selbst die rapide Entfremdung nur beschleunigt. Hinsichtlich der Erkenntnisschöpfung hätte die Arbeit nach meinem Dafürhalten noch etwas prägnanter sein können. Eher noch ein Gegenstand von Kritik ist, dass aufgrund des streng vorwaltenden Sachinteresses des Verfassers die Persönlichkeiten der historischen Publizisten gänzlich in den Hintergrund treten. Hier hätte man sich doch gewünscht, dass die theologische Stellungnahme des einen oder anderen Kombattanten einmal in Zusammenhang mit seiner lebensgeschichtlichen Situation gerückt worden wäre: Das um so mehr, als mancher eifrige Konzilstheoretiker wie Kaspar Schatzgeyer auf katholischer oder Erasmus Sarcerius auf reformatorischer Seite wahrlich nicht zu den zeitgenössischen Theologen ersten Ranges zählte. Unabhängig davon aber wird der Wert dieser Arbeit - "natürlich", sollte man angesichts des Geleisteten sagen - ein bleibender sein: Hinsichtlich des thematischen Gegenstandes wird sie künftig neben dem ersten Band von Jedins Konzilsgeschichte (1949) rangieren. Für künftige Forschungen auf dem Gebiet der allgemeinen und besonderen Publizistikgeschichte der Reformationszeit ist durch die methodische Modellarbeit und den Katalogteil eine hervorragende Grundlage geschaffen.

Redaktionelle Betreuung: Matthias Schnettger

Empfohlene Zitierweise:

Stephan Laux: Rezension von: Thomas Brockmann: Die Konzilsfrage in den Flug- und Streitschriften des deutschen Sprachraumes 1518-1563, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1998, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 5, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=158>

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieser Rezension hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse ein.

footer