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Gerhard Immler (Bearb.): Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß. Bd. 1: Die Instruktionen von 1644 (= Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns; I; Bd. 1), München: Kommission für bayerische Landesgeschichte, XVI, 20* + 73 S., ISBN 3-7696-9704-9, DM 42,00

Rezensiert von:
Michael Kaiser
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Entgegen hochgesteckter Erwartungen brachte der Verlauf des Feldzugs im Jahr 1644 keinen eindeutigen Umschwung zugunsten der Kaiserlichen und ihrer Verbündeten. Im Gegenteil hatten sich die Hoffnungen Kurfürst Maximilians von Bayern, des wichtigsten Reichsstandes an der Seite des Kaisers, eine militärische Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen zu können, trotz einiger Erfolge gerade der kurbayerischen Waffen nicht erfüllt; vielmehr stand den französischen Truppen nach dem Gewinn von Freiburg im Breisgau und Philippsburg der Weg in den Süden des Reiches erneut offen. Damit verflog auch das anfängliche Desinteresse Maximilians an einer Verhandlungslösung; die sich im Westfälischen anbahnenden Verhandlungen der Kriegsparteien rückten nun stärker ins kurbayerische Kalkül. Maximilian entschied sich im Herbst 1644, eine eigene Gesandtschaft auf den Friedenskongress nach Münster und Osnabrück zu deputieren. Mit welchen Zielvorstellungen die kurbayerische Delegation entsandt wurde, darüber geben die hier edierten Instruktionen Aufschluss. Ihrem Wesen gemäß entwarfen sie Anweisungen für die Verhandlungen mit den Deputierten anderer Mächte, gleichzeitig lassen sie die Dimensionen der kurbayerischen Politik am Ende dieses Krieges erkennen. Damit stellen diese Quellen ein zentrales Zeugnis für einen Reichsstand dar, der wie kaum ein zweiter die Geschicke des Reiches in diesen Kriegsläuften mitgestaltet und geprägt hat.

Der hohe Rang der Instruktionen der verschiedenen Gesandtschaften nach Münster und Osnabrück ist nie in Frage gestellt worden. Bezeichnenderweise eröffnete 1962 ein Band kaiserlicher, französischer und schwedischer Instruktionen die Editionsreihe der Acta Pacis Westphalicae. Bereits damals war geplant, auch die Instruktionen "der wichtigeren deutschen Reichsstände" herauszugeben[1]. Doch im Rahmen der APW ist dies nicht verwirklicht worden; die lange klaffende Lücke wird nun zumindest für die bayerischen Instruktionen zum Westfälischen Friedenskongress durch die hier vorzustellende Edition geschlossen, die gleichzeitig einer neuen Reihe für frühneuzeitliche Quelleneditionen zur bayerischen Geschichte einen gelungenen Start beschert.

Verantwortlich für die Edition ist Gerhard Immler, dem das Verdienst zukommt, diese Instruktion überhaupt entdeckt und im Rahmen seiner Dissertation erstmals ausgewertet zu haben[2]. In der vorliegenden Edition wird nun die komplexe Textgeschichte dieses Schriftstücks sorgfältig nachgezeichnet. Eine Ausfertigung ist nicht überliefert, wohl aber insgesamt vier Konzeptversionen, die die verschiedenen Entwicklungsstufen des Textes erkennen lassen. Zunächst hatte der kurbayerische Hofrat Dr. Johann Adolf Krebs, der als kurbayerischer Vertreter zum Kongress ausersehen war, eine Fassung konzipiert, die er dann selbst überarbeitete. Dann unterzog Dr. Bartholomäus Richel, Geheimratskanzler und einer der langjährigen Vertrauten Maximilians, den Text einer gründlichen Revision, und letzte kleine Texteingriffe sind auf Kurfürst Maximilian selbst zurückzuführen. Die Genese der Instruktion veranschaulicht damit den Weg dieses Textes, der, von einem subalternen Beamten ausgehend, bis in den innersten Kreis kurfürstlicher Berater und schließlich zum Kurfürsten selbst führt. Mag der Anteil des Kurfürsten, gemessen am paläographischen Befund, gering sein - Maximilian ließ am Ende hauptsächlich stilistische Korrekturen vornehmen -, kann kaum ein Zweifel bestehen, dass ein Fürst wie Maximilian, der in seiner Aktenarbeit stets sehr sorgfältig verfuhr, die Entstehung dieses Dokumentes genau verfolgt hat. Die Instruktion kann somit in ihrem Gehalt als ein authentischer Text Maximilians gelten.

Die Krebsschen Entwürfe der Instruktion sind als "Vorstufen 1 u. 2" ediert, ebenso wie die Version Richels mit den kurfürstlichen Korrekturen (Vorstufe 3 u. Endfassung). Dieser Hauptinstruktion sind noch zwei Sonderinstruktionen an die Seite gestellt, die für den diplomatischen Umgang mit der französischen Gesandtschaft bestimmt waren. Alle edierten Quellen sind mit einem textkritischen Apparat versehen; hinzu kommen sach- und insbesondere personenerläuternde Anmerkungen. Der Erschließung der Texte dient zudem ein Personen- und Ortsregister.

Inhaltlich lassen sich folgende Themenschwerpunkte in den Instruktionen feststellen: Maximilian wünschte, dass auf dem sich anbahnenden Friedenskongress "vor allen andern deß Heyligen Römischen Reichs sachen mögen tractirt ... werden". Keineswegs sollten über das Reich hinausgehende Konflikte mit dem Streben nach einem Reichsfrieden vermengt werden (39). Unabdingbar erschien es dem bayerischen Kurfürsten auch, dass ein Waffenstillstand geschlossen werde. Gerade letztere Vorstellung wird man durchaus als eine direkte Konsequenz aus den jüngsten Erfahrungen auffassen, dass sich die militärischen Kräfteverhältnisse immer weiter zuungunsten der kaiserlichen Seite verschoben. Implizit stellte der Wunsch nach einem Waffenstillstand das Eingeständnis einer militärischen Schwäche dar, die nur noch größer werden und somit die Verhandlungsergebnisse nur noch nachteiliger beeinflussen konnte. Andererseits pochte Maximilian zu diesem Zeitpunkt durchaus noch auf Bedingungen, die die wahren Machtverhältnisse nicht anerkennen wollten. Dazu gehörte auch die Forderung, dass ausgerechnet die Religionsgravamina nicht zur Verhandlungsmaterie gehören sollten, wenn es um die Wiederherstellung des Friedens im Reich gehen sollte (42). Und erst recht illusorisch musste die Anweisung sein, den Problemkomplex der Pfalzfrage, also der pfälzischen Kurwürde und der pfälzischen Territorien, soweit wie möglich aus den "generaltractaten" herauszuhalten (59 ff.).

Im Kalkül der kurbayerischen Verhandlungsführung kam der französischen Seite eine besondere, ja zentrale Rolle zu. Dies war zweifelsohne der dominanten militärischen Macht Frankreichs geschuldet, die in diesen Jahren für die bayerischen Truppen den Hauptgegner darstellte; die französischen Diplomaten mussten schon deswegen mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht werden. Die Orientierung und Anlehnung an Frankreich war aber über die konkrete militärische Lage hinaus ein Kennzeichen der bayerischen Politik der Frühen Neuzeit, und Maximilian selbst hatte in den 1620er Jahren intensive politische Kontakte zur französischen Krone gepflegt. Dass Maximilian stark auf die französische Unterstützung setzte, ließ nicht nur die Hauptinstruktion erkennen, sondern insbesondere die beiden Sonderinstruktionen, in denen allgemein an die bayerische "von alters hero hergebrachte guete affection und respect gegen der cron [sc.Frankreich]" erinnert (64), aber auch speziell das gute Einvernehmen mit Père Joseph gleichsam als Vermächtnis für die bayerisch-französischen Beziehungen hochgehalten wurde (66). Erklärungsbedürftig blieb freilich das militärische Engagement gegen Frankreich in den Jahren danach, und im Falle der bis nach Frankreich hineinreichenden Offensive des in bayerischen Diensten stehenden Jan von Werth im Jahre 1636 hatte der bayerische Kurfürst keine Scheu, wider besseres Wissen zu behaupten, dass er damals diese Aktion "nit verhindern kenden, sonder geschehen lassen müessen" (47, vgl. dazu auch Immler in der Einleitung 16*). An dem Punkt schlägt deutlich das für Maximilian typische und oft beobachtete Verhaltensmuster durch, nämlich seine dissimulierende Art, unbequeme Sachverhalte zu leugnen oder zumindest kleinzureden.

Auffallend ist des Weiteren der große Raum, den die Richtlinien bezüglich der zeremoniellen Fragen einnahmen. Die Reihenfolge der "Visiten", der Antrittsbesuche bei anderen Delegationen also, die dabei anzubringenden Adressen, die zu verwendenden und zu erwartenden Prädikate und die Verhandlungssprache gehörten zu den Einzelpunkten, für die es in der Instruktion entsprechende Anweisungen gab. Vor dem Hintergrund der immer noch vielfach angefochtenen Kurwürde musste dem Zeremoniell eine vorentscheidende Bedeutung über die Akzeptanz Maximilians als Kurfürst zukommen. Und über die spezielle bayerische Situation hinaus wird man gerade für die Kurfürsten allgemein nicht übersehen dürfen, dass der Friedenskongress ihnen die Chance bot, sich auch vor der Reichsöffentlichkeit in ihrem herausgehobenen Rang und Status zu präsentieren und somit im Kampf um die kurfürstliche "Präeminenz" Boden gut zu machen[3]. Beide Aspekte mögen die große Bedeutung der zeremoniellen Fragen in dieser Instruktion mit erklären helfen.

Wie wird man den Tenor dieser Instruktionen abschließend bewerten können? Insgesamt fällt eine eher defensive Ausrichtung der kurbayerischen Diplomatie auf. Es gab keine Kriegsziele, die auf dem Verhandlungswege erst noch erreicht werden sollten. Vielmehr war es die vornehmliche Aufgabe der Diplomaten, das in den Jahren zuvor Erreichte von den anderen Mächten sanktionieren zu lassen. Damit findet sich hier der Befund bestätigt, demzufolge Maximilian von Bayern nach 1628, also mit dem Erwerb der erblichen Kurwürde und dem Gewinn der Oberpfalz, saturiert gewesen ist. Eine weitergehende, umfassende politische Konzeption im Reichs- oder europäischen Rahmen lässt sich dagegen hier kaum feststellen.

Der vorliegende Band dokumentiert in zentralen Quellen die wichtige Phase, in der Maximilian sich von der Vorstellung, den Konflikt auf militärischem Weg entscheiden zu können, verabschiedete und sich auf eine diplomatische Lösung hin orientierte. Doch stellt sich dabei das grundsätzliche Problem, dass die Instruktion hier lediglich von zwei weiteren Schriftstücken flankiert wird und somit etwas isoliert vorliegt. Was fehlt, ist der sich anschließende Aktengang, der weiter in die Verhandlungsmaterie einführt und somit das, was die Instruktionen an politischer Programmatik oft nur andeutungsweise erkennen lassen, in den eigentlichen Verhandlungen konkretisiert. Nun ist geplant, in weiteren Bänden die kurbayerischen Gesandtenberichte vom Friedenskongress folgen zu lassen [4], und man kann sich nur wünschen, dass die westfälischen Friedensverhandlungen bald auch anhand von Material kurbayerischer Provenienz erhellt werden.

Anmerkungen:

[1] Vorbemerkungen zur Gesamtedition von Max Braubach und Konrad Repgen, in: Acta Pacis Westphalicae, Ser. I: Instruktionen, Bd. 1: Frankreich, Schweden, Kaiser, bearb. von Fritz Dickmann, Kriemhild Goronzy, Emil Schieche, Hans Wagner und Ernst Manfred Wermter, Münster 1962, S. X.

[2] Gerhard Immler: Kurfürst Maximilian I. und der Westfälische Friedenskongreß. Die bayerische auswärtige Politik von 1644 bis zum Ulmer Waffenstillstand (Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte; Bd. 20), Münster 1992, zur Instruktion bes. S. 54-61.

[3] Zu diesem Konflikt allgemein jetzt grundlegend Axel Gotthard, Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband, Teilbd. 1: Der Kurverein. Kurfürstentage und Reichspolitik, Teilbd. 2: Wahlen. Der Kampf um die kurfürstliche "Präeminenz" (Historische Studien; Bd. 457/1.2), Husum 1999.

[4] Vgl. hier das Vorwort S. VII f. zur editorischen Gesamtkonzeption.

Redaktionelle Betreuung: Matthias Schnettger

Empfohlene Zitierweise:

Michael Kaiser: Rezension von: Gerhard Immler (Bearb.): Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß. Bd. 1: Die Instruktionen von 1644, München: Kommission für bayerische Landesgeschichte, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=143>

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