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Eckhart Hellmuth / Immo Meenken / Michael Trauth (Hg.): Zeitenwende? Preußen um 1800. Festgabe für Günter Birtsch zum 70. Geburtstag, Stuttgart: Frommann-Holzboog 1999, 327 S., ISBN 3-7728-2014-X, DM 158,00

Rezensiert von:
Ewald Frie
Fachgruppe Geschichte, Universität Essen

Günter Birtsch hat ein Vierteljahrhundert lang von einem westlichen Außenposten der deutschen Universitätslandschaft aus die historische Entwicklung des östlichen Randstaates Preußen zu einer militärischen, politischen und kulturellen Großmacht beobachtet. Diesem Arbeitsschwerpunkt ist zu seinem 70. Geburtstag ein Sammelband gewidmet worden. Zehn Autoren und eine Autorin beschäftigen sich, meist anknüpfend an Arbeiten des Geehrten, mit Aspekten der Geschichte Preußens um 1800. Ihr Blick richtet sich dabei vornehmlich auf das ausgehende 18. Jahrhundert, die spätfriderizianische Zeit, die kulturelle Blüte unter seinem wenig geliebten Neffen Friedrich Wilhelm II. sowie die windstillen Jahre unter dem frühen Friedrich Wilhelm III. Die Geistes- und Kulturgeschichte steht im Mittelpunkt. Die preußischen Reformen, klassisches Thema der teutonischen Geschichtsschreibung der letzten 150 Jahre, geraten - wenn überhaupt - vom Denken des 18. Jahrhundert her ins Blickfeld.

Alle Beiträge sind aus den Quellen gearbeitet und entwickeln von dort aus in klarer Stoffgliederung generelle Aussagen. Vergnüglich und doch gewinnreich wirkt dies in den biographischen Aufsätzen von Klaus Berndl über den Publizisten und Mitautor am Allgemeinen Landrecht, Ernst Ferdinand Klein, und von Johannes Kunisch über Henri de Catt, einen der Vorleser Friedrichs II. Knapp und prägnant argumentiert Norbert Hinske, wenn er eine umstrittene Mendelssohn-Sentenz aus "Ueber die Frage: was heißt aufklären?" in einen neuen Quellenzusammenhang stellt und damit auch die Diskussionskultur der Mittwochsgesellschaft anders beleuchtet. Eckhart Hellmuth zeigt in einem reich bebilderten Aufsatz, wie Preußen in der Diskussion über ein repräsentatives Denkmal für Friedrich den Großen den Weg "vom herrscherlichen Denkmal zum Staats- und Nationalmonument" (286) beschreitet. Peter Krause präsentiert mit Carl Gottlieb Svarez' "Entwurf einer Criminalordnung" eine neue Quelle. Thomas Ertmann versucht zu zeigen, wie sich die grundlegenden Annahmen Otto Hintzes über die preußische Geschichte des 17. und 18. Jahrhunderts veränderten, als sie zu einem Seitenstück seiner sozialwissenschaftlich gestützen Beschäftigung mit vergleichender Staatsbildungsgeschichte wurde. Weitere Autoren sind Wolfgang Neugebauer (Ostpreußische Stände zwischen Preußen und Rußland im Siebenjährigen Krieg), Diethelm Klippel (Theorie des Staatsdienstes), Thomas Nutz (Albrecht Heinrich von Arnim und die Gefängniskunde), Julia Schreiner (Preußische Juristen über den Selbstmord) und Immo Meenken (Mendelssohns Erbe).

Trotz der Qualität der Beiträge und der für einen Sammelband ungewöhnlichen Konzentration auf ein klar umrissenes Thema ergibt sich am Ende ein fragmentarischer Eindruck. Die Zeit um 1800: Ein Ende? Ein Anfang? Ein zentraler Bereich? Wie tief hat die Aufklärung Preußen, hat Preußen die Aufklärung geprägt? Eine Zusammenfassung fehlt dem Band. An ihrer Stelle steht einleitend eine Laudatio, die Hartmut Lehmann zum 65. Geburtstag von Günter Birtsch gehalten hat. Vielleicht ist das Absicht. Im Dialog mit dem Geehrten Horizonte eröffnet zu haben, die in gemeinsamer Anstrengung von Autoren, Jubilar und lesendem Publikum noch abzuschreiten sind, ist nicht das Schlechteste, was von einem Sammelband gesagt werden kann.

Redaktionelle Betreuung: Gudrun Gersmann

Empfohlene Zitierweise:

Ewald Frie: Rezension von: Eckhart Hellmuth / Immo Meenken / Michael Trauth (Hg.): Zeitenwende? Preußen um 1800. Festgabe für Günter Birtsch zum 70. Geburtstag, Stuttgart: Frommann-Holzboog 1999, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=121>

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