Ausgabe 4 (2004), Nr. 11
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ISBN 3-593-37354-8
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Joachim Radkau / Frank Uekötter (Hg.): Naturschutz und Nationalsozialismus (= Geschichte des Natur- und Umweltschutzes; Bd. 1), Frankfurt/Main: Campus 2003, 487 S., ISBN 3-593-37354-8, EUR 49,90

Rezensiert von:
Charles E. Closmann
Deutsches Historisches Institut Washington D.C.

Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, fehlte bisher eine systematische Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen naturverbundenen Deutschen und den Nationalsozialisten. Möglicherweise galt es bis heute als verfehlt anzunehmen, dass ein rassistischer Nationalismus und der Respekt vor der Natur Teil einer Sache sein konnten oder aber die Unterstützung der Nationalsozialisten für Umweltgesetze galt als an sich schlecht und verdiente daher keine seriöse wissenschaftliche Betrachtung. Es ist somit nicht verwunderlich, dass die Geschichtsschreibung bisher die Anziehungskraft, die die Nationalsozialisten gerade auf dem Gebiet des Naturschutzes auf das Bürgertum ausüben konnten, kaum berücksichtigt hat. Gerade deshalb jedoch verlangt dieser Aspekt, wie Joachim Radkau richtig bemerkt, nach einer genauen Untersuchung durch Historiker.

Die in diesem Band versammelten neunzehn akribisch recherchierten Aufsätze dokumentieren das Ergebnis des Berliner Fachkongresses "Naturschutz und Nationalsozialismus" im Juli 2002. Indem die Verbindung von Naturliebhabern, deren Ideen und dem Nationalsozialismus methodisch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird, arbeitet der Band überzeugend den Opportunismus, die Naivität sowie die ideologische Nähe heraus, die mit dieser Verstrickung einherging.

Der Erkenntnisprozess wird dabei durch die von den Herausgebern Joachim Radkau und Frank Uekötter vorgenommene Unterteilung in fünf Abschnitte befördert. Der erste Abschnitt bietet einen Überblick über die gesamte Breite der Thematik und verortet den Band in der Historiografie des Naturschutzes in Deutschland. Die folgenden Abschnitte wenden sich dem Thema spezifischer zu. Dabei werden sowohl rechts- und institutionengeschichtliche Aspekte sowie Ideen und Konzepte tiefgründig erörtert. Biografische Skizzen und der Überblick über den Umgang mit nationalsozialistischem Gedankengut in der Naturschutzbewegung nach 1945 bewahren den Band davor, zu sehr ins Abstrakte abzugleiten.

In ihren Betrachtungen zur Gesetzespraxis zeigen die Historiker Edeltraud Klueting und Karl Ditt, dass die Blut-und-Boden-Rhetorik der Nationalsozialisten "eine hohe Attraktivität vor allem für das Bürgertum" (77) und die ihm entstammenden Umweltschützer besaß. Die Nationalsozialisten verstanden es, ihre Kritik am föderativen System der Weimarer Republik mit einem Versprechen auf eine weit reichende nationale Gesetzgebung zu verbinden. Die Gesetzespraxis stand dazu jedoch im Gegensatz, wie die von Thomas Lekan durchgeführte Untersuchung zeigt. Basierend auf dem Studium von Briefen von Heimatschutzverbänden aus dem Rheinland argumentiert er, dass nationalsozialistische Kader für den Bau von Reichsautobahnen breite Schneisen durch die Landschaft schlugen und dabei das Reichsnaturschutzgesetz (RNG) von 1935 ignorierten.

Allerdings muss hier kritisch angemerkt werden, dass Klueting und Ditt, obwohl im Besitz gegenteiliger Quellen, die Tragweite der Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Naturschutz verkennen. Beispielsweise schätzt Ditt das Reichsnaturschutzgesetz als "bemerkenswert unideologisch" (119) ein. Dem steht jedoch entgegen, dass die Nationalsozialisten - erstmalig in der deutschen Geschichte - Gesetze erließen, die Enteignungen zur Einrichtung von Naturschutzgebieten vorsahen. Hinzu kommt, dass prominente Naturschützer diese Politik in einer überaus ideologischen Sprache lobten und ihr hiermit eine rassistische Note verliehen. Das nationalsozialistische Deutschland ließ vehementen Naturschützern durchaus Freiräume. Viele von ihnen engagierten sich bei der Umsetzung von Richtlinien des Reichsnaturschutzgesetzes oder der umfangreichen Gesetze zur Jagd beziehungsweise zum Tier- und Waldschutz.

Die biografischen Skizzen des Bandes bestätigen dieses facettenreichere Bild des Dritten Reichs. Gesine Gerhard entkräftet die von Anna Bramwell erhobene Behauptung, dass der nationalsozialistische Landwirtschaftsminister Richard Walther Darré der "Stammvater der Grünen" war. Sie zeigt in ihrem Aufsatz, dass dessen Einsatz für eine biologische Landwirtschaft allenfalls als halbherzig bezeichnet werden kann. Thomas Zeller und Anna-Katharina Wöbse zeichnen komplexe Porträts wichtiger Personen dieser Zeit. Zeller skizziert den Landschaftsarchitekten Alwin Seifert - dem zugeschrieben wird, Landschaftsaspekte und moderne Technik beim Entwurf von Autobahnprojekten miteinander zu verbinden - als eine opportunistische Persönlichkeit, die geradezu sinnbildlich die vielfältige Anziehungskraft der nationalsozialistischen Ideologie spiegelt. Wöbses Porträt von Lina Hähnle zeigt ebenfalls die Zwiespältigkeit der Beziehung zwischen Naturschutz und Nationalsozialismus. Hähnle, die beliebte Vorsitzende des Reichsbundes für Vogelschutz, bezeichnete sich selbst als "unpolitisch" während sich jedoch ihre Organisation unter dem nationalsozialistischen Regime ausdehnte.

Andere Beiträge lassen erkennen, dass in der nationalsozialistischen Ideologie eine gefühlsmäßige Verehrung der Natur wichtiger war, als ideologische Folgerichtigkeit. Für viele Deutsche war die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Rhetorik ein Versprechen für eine Rückkehr zur Natur beziehungsweise zu etwas Ursprünglicherem als dem Materialismus der Weimarer Republik. So verweist Friedemann Schmoll in seinem Aufsatz darauf, dass viele Deutsche den Juden - vorgeblich wurzellos und ohne jegliche Bindung oder Liebe zur Natur - die Zerstörung von Landschaften durch Reklametafeln anlasteten. Andere Aufsätze wie die von Ludwig Fischer, Thomas Potthast, Andreas Dix, Stefan Komer, Jens Ivo Engels und Hansjörg Küster dekonstruieren die Geschichte der Ökologie und des Umweltschutzes im Dritten Reich und stellen gleichzeitig die einigen Konzepten - zum Beispiel einheimische Pflanzen (Küster) oder der Urlandschaft (Fischer) - innewohnenden Trugschlüsse heraus.

Kritisch muss zu dieser Aufsatzsammlung angemerkt werden, dass ein Großteil der vertretenen Beiträge den bisherigen Stand der Forschung lediglich bestätigt und nicht über die bereits von Joachim Wolschke-Bulmahn, Gert Gröning [1] und Michael Wettengel [2] dargelegten Erkenntnisse hinausgeht. Beispielsweise bestätigen die Aufsätze zur Rechtspraxis Wettengels Argument, dass sich die Naturschutzpolitik der Nationalsozialisten im Rhetorischen erschöpfte und diese nicht ernsthaft am Umweltschutz interessiert waren. Hier werden Lücken im Forschungsstand deutlich, die weitere Studien zu den Auswirkungen der Gesetzespraxis auf Landschaften als notwendig erscheinen lassen.

Zwar sind einige der Beiträge in Naturschutz und Nationalsozialismus während der letzten fünfzehn Jahren bereits anderweitig erschienen, insgesamt liegt hiermit jedoch der erste umfassende Beitrag zur Umweltgeschichte im Dritten Reich vor. Zudem bereichert der Band die Forschung methodisch, indem gezeigt wird, dass das Polykratie-Modell für diesen Teilbereich der Historie eine bessere Arbeitsgrundlage bietet als die Totalitarismus-Theorie (42 f.). Dies ermöglicht es zum Beispiel zu erklären, warum sich viele Deutsche im Bereich des Naturschutzes dem Nationalsozialismus, der doch eine in sich eigene Weltsicht beziehungsweise Sicht auf die Natur bot, zuwandten.

Im Ganzen leistet dieses Buch einen willkommenen Beitrag zur Historiografie im nationalsozialistischen Deutschland und zum Forschungsgebiet der Umweltgeschichte. Darüber hinaus verweist der Bundesumweltminister und Co-Sponsor der Konferenz Jürgen Trittin auf einen wichtigen Sachverhalt, denn "nur wenn wir unser heutiges, modernes Naturschutzverständnis - auch durch historische Reflexion - schärfen, können wir es immer wieder für neue Anforderungen fit machen" (34). Darin liegt letztlich die Bedeutung dieses vortrefflichen Sammelbandes.


Anmerkungen:

[1] Dazu insbesondere die Arbeit von Joachim Wolschke-Bulmahn and Gert Gröning, Naturschutz und Ökologie im Nationalsozialismus, in: Die Alte Stadt 10 (1983), 1-17.

[2] Michael Wettengel, Staat und Naturschutz: Zur Geschichte der Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege in Preußen und in der Reichsstelle für Naturschutz, in: Historische Zeitschrift 257 (1993), 354-399.

Aus dem Englischen von Christoph Bottin


Redaktionelle Betreuung: Nils Freytag

Empfohlene Zitierweise:

Charles E. Closmann: Rezension von: Joachim Radkau / Frank Uekötter (Hg.): Naturschutz und Nationalsozialismus, Frankfurt/Main: Campus 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 11 [15.11.2004], URL: <http://www.sehepunkte.de/2004/11/4499.html>

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