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Kultur- und Sportamt der Stadt Bietigheim-Bissingen (Hg.): Himmelszeichen und Erdenwege. Johannes Carion (1499 - 1537) und Sebastian Hornmold (1500-1581) in ihrer Zeit, Ubstadt-Weiher: Regionalkultur 1999, 344 S., zahlr. Abb., ISBN 3-89735-123-4, € 19,90

Aus: Württembergisch Franken (85 (2001), S. 503 f.)

Rezensiert von:
Herbert Kohl

Wie so viele Orte in unserem Raum erfreut auch Bietigheim den Besucher mit einer sehenswerten Altstadt. Auf einer sanften Anhöhe gelegen, erstreckt sie sich, reich an Fachwerk, oberhalb des Flüsschens Enz. Besonders stolz ist man auf das vor etwa zwanzig Jahren restaurierte Hornmold-haus, in dem sich heute das Stadtmuseum befindet. Sebastian Hornmold, dessen repräsentativer Wohnsitz das Haus einst war, gilt als der bedeutendste Sohn der Stadt. Als Berater der Herzöge Ulrich und Christoph war er an der Einführung der Reformation in Württemberg maßgeblich beteiligt. Ein wenig schwerer tut man sich mit der Erinnerung an einen anderen bedeutenden Bietigheimer, Johannes Carion, der als Hofastrologe, Mathematiker und Mediziner am Hof der brandenburgischen Kurfürsten zu Ruhm und Ehren kam. Den 500. Geburtstag der beiden nahm man zum Anlass, in Form einer Ausstellung und einer als Begleitbuch erschienenen Aufsatzsammlung an sie zu erinnern.

Im Jahr 1364 bekam Bietigheim von Kaiser Karl IV. das Stadtrecht verliehen. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts wurde es in den Rang einer württembergischen Amtsstadt erhoben. Der in dieser Zeit stark expandierende Weinbau sorgte dafür, dass Bietigheim zu einer der wohlhabendsten Städten Württembergs wurde, eine "Stadt im höchsten Flor", wie es in einer zeitgenössischen Chronik heißt. Sebastian Hornmold, Sohn einer begüterten Familie, trat in den Verwaltungsdienst ein und wurde im Jahr 1525 Stadtschreiber. Nach der Rückkehr Herzog Ulrichs (1534) wechselte er in die Landesverwaltung und wirkte dort an der Durchführung der Reformation mit. Zu seinen Aufgaben gehörten die Verwaltung der Kirchenfinanzen, die Besoldung der Schulmeister, sowie die Einrichtung und Verwaltung des "Armenkastens". Besonders verdient machen konnte er sich um die Überführung der Klöster in staatlichen Besitz, eine schwierige Aufgabe, die Hornmold als erfahrener Verwaltungsmann jedoch mit großem Geschick zu lösen verstand. Nachdem das Interim der protestantischen Sache einen vorübergehenden Rückschlag versetzt hatte, erreichte Hornmolds Karriere ihren Höhepunkt: 1553 machte Herzog Christoph ihn zum Leiter des für die Kirchenverwaltung zuständigen Konsistoriums, dem neben Oberrat (Innenverwaltung) und Rentkammer (Finanzverwaltung) dritten Regierungskollegium des Landes. Für Hornmold als Nichttheologen war dies eine wahrhaft bedeutende Ehrung. In dieser Funktion hatte er maßgeblichen Anteil am Zustandekommen der "Großen Kirchenordnung" von 1559.

Johannes Carion, geboren als Johannes Nägelin, ging nach dem Besuch der Lateinschule im Alter von fünfzehn an die Universität Tübingen. Bereits mit achtzehn Jahren erhielt er als Magister einen Ruf nach Wittenberg. Wie viele seiner Zeitgenossen war er vom Endzeitglauben geprägt, was ihn dazu veranlasste, in einer astrologischen Flugschrift für das Jahr 1524 eine Sintflut zu prophezeien. Es war ein flammender Aufruf zu Umkehr und Buße, Carions Beitrag zu der unter altgläubigen wie reformatorisch gesinnten Sterndeutern heftig geführten Sintflutdebatte. Darüber hinaus sagte Carion für die Jahre 1693 und 1789 "grosse wunderbarliche geschichten ... von enderungen / wanderungen und tzerstörungen" voraus, womit er - ohne Frankreich namentlich zu nennen - im Gegensatz zur ersten Prophetie Recht behalten sollte. Sein größter Erfolg wurde die 1532 erschienene chronica Carionis, die, von Melanchthon überarbeitet, zu einem regelrechten Bestseller des 16.Jahrhunderts werden sollte. Es handelt sich um eine Weltgeschichte, die auf der Grundlage des heilsgeschichtlichen Deutungsschemas aus dem Buch Daniel den Gang der Geschichte aus den jeweiligen Planetenkonstellationen zu erklären versucht. Dass Carion nicht zu einer Ikone seines Zeitalters wurde, lag an seinem von den Zeitgenossen als lasterhaft empfundenen Lebenswandel. So lautete seine von Johannes Sabinus, dem Schwiegersohn Melanchthons, verfasste Grabinschrift: "Dr. Johannes Carion, Vertilger ungeheurer Weinkrüge, Wahrsager aus den Gestirnen, hochberühmt bei Machthabern, ist beim Gelage im Wettkampf erlegen. Christus verzeihe gnädig dem so plötzlich aus den Kreise der Zechenden Zusammengebrochenen." Auch Luther, mit dem Carion gut bekannt gewesen war, hatte in seinem Nachruf nur wenig Schmeichelhaftes über ihn zu sagen. So ist es nicht verwunderlich, dass man heute in seiner Heimatstadt kaum mehr etwas findet, das an ihn erinnert.

In insgesamt elf Aufsätzen werden Leben und Werk der beiden, aber auch die sozial- und geistesgeschichtlichen Zusammenhänge intensiv durchleuchtet. Drei dieser Arbeiten befassen sich mit Carions Werken zur Prophetie und Horoskopie. Der astrologisch ungeschulte Leser stößt hier indes bald an seine Grenzen. Über das von Melanchthon erstellte Horoskop Carions heißt es: "Der Aszendent ist der am Osthorizont aufsteigende Punkt der Ekliptik zur Zeit der Geburt, die Ausrechnung des Aszendenten erfolgte in der Zeit Carions nach einer neuen Methode des Regiomontanus" (S. 324). Ah ja - noch irgendwelche Fragen? Scherz beiseite: Dies ist sicher kein Buch, das man als historischer Normalverbraucher (also nicht als Rezensent - denn der ist ja dazu verpflichtet) von der ersten bis zur letzten Seite liest. Wer sich aber für die Geschichte der Reformationszeit interessiert, wird in diesem Band wertvolle Informationen und Anregungen finden. Hervorzuheben ist die gelungene Illustration des Bandes, wobei die Farbbilder durch ihre außerordentliche Qualität besonders ins Auge fallen. Auch Druckbild und Satz zeigen, dass hier mit großer Sorgfalt (und dem entsprechenden finanziellen Einsatz) gearbeitet wurde.

Empfohlene Zitierweise:

Herbert Kohl: Rezension von: Kultur- und Sportamt der Stadt Bietigheim-Bissingen (Hg.): Himmelszeichen und Erdenwege. Johannes Carion (1499 - 1537) und Sebastian Hornmold (1500-1581) in ihrer Zeit, Ubstadt-Weiher: Regionalkultur 1999, in: INFORM 3 (2002), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=503>

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