header

Gerhard Ganzhorn: Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechts aus dem Jahre 1738 (= Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte und Heimatkunde in Württembergisch Franken; Bd. 11), Stuttgart: Thorbecke 1997, 148 S., ISBN 3-7995-0331-5, € 18,41

Aus: Württembergisch Franken (85 (2001), S. 458-460)

Rezensiert von:
Raimund J. Weber

Die hohenlohische Rechtsgeschichte erlebte in den fünfziger Jahren eine seither nicht wieder erreichte Blütezeit. Ursache dafür war das glückliche Zusammenwirken zentraler akademischer Forschung und engagierter archivarischer Tätigkeit vor Ort. Hans Erich Feine (1890-1965), der in Tübingen Geschichte des Kirchenrechts, Verfassungsgeschichte und Deutsche Rechtsgeschichte lehrte, ein Großer seines Fachs und Mitherausgeber der ehrwürdigen "Savigny-Zeitschrift", hatte sich in den Nachkriegsjahren vermehrt der heimischen, d.h. der schwäbischen und württembergischen Rechtsgeschichte zugewandt. Er war damit einer Tradition gefolgt, die Thudichum vor dem 1. Weltkrieg begründet und die auch noch sein Nachfolger Ferdinand Elsener (gest. 1982) zu wahren gewusst hatte. Wenn davon gerade Hohenlohe in besonderem Maße profitiert hat, so lag das am Wirken Karl Schumms, des fürstlichen - und damals noch ehrenamtlichen - Archivars. Er gab den von Tübingen kommenden Doktoranden in jeder Hinsicht, hilfswissenschaftlich, landeskundlich und, in jenen kargen Jahren besonders nötig, materiell die Unterstützung, die es für das erstmalige, nachhaltige Arbeiten mit archivalischen Quellen allemal braucht. Aufgrund der damals auch schon knappen "Ressourcen" und nicht etwa wegen mangelnder wissenschaftlicher Qualität blieben verschiedene der seinerzeit entstandenen Arbeiten lange ungedruckt. Das gilt auch für die vorliegende Dissertation aus dem Jahr 1954. Dass der Historische Verein für Württembergisch Franken die Arbeit nun, nach über 40 Jahren, doch noch hat drucken lassen, ist umso mehr zu begrüßen, als in der Zwischenzeit für die Hohenloher Privatrechtsgeschichte, wie der Autor in seinem Vorwort feststellt, nichts wesentliches geschehen ist.

Bei Ganzhorns Arbeit handelt es sich, was dem Titel nicht zu entnehmen ist, um eine knapp gefasste Geschichte der gesamten Privatrechtsgesetzgebung der Grafschaft in der frühen Neuzeit, nicht etwa nur um eine solche des Landrechts, das am 1. Juli 1738 in Kraft trat. Von den annähernd 100 Druckseiten der Darstellung - weitere 50 Seiten umfasst der Quellenanhang - nimmt die Genese des barocken Landrechts im engeren Sinn und die Quellenforschung etwa ein Drittel ein. Einer der Gründe hierfür ist die sehr lange Vorgeschichte. Auch in Hohenlohe hatte das 16. Jh., etwa mit der Polizeiordnung Ludwig Casimirs von 1558 und der Eheordnung seiner Witwe Anna geb. Gräfin von Solms aus dem Jahr 1572 kräftige Ansätze zur territorialen Gesetzgebung mit sich gebracht. Ein Anlauf zum Landrecht war jedoch stecken geblieben, letztlich weil die Personaldecke des kleinen Reichsstands zu dünn war. Der Schwäbisch Haller Syndikus Georg Rudolf Widmann, der u.a. auch für Hohenlohe arbeitete, hatte eine entsprechende Anfrage mit Rücksicht auf seine (einträglichere) Advokatur- und Prozesstätigkeit abgelehnt. Man kann Widmann verstehen, aber er hat sich mit seiner Weigerung der Chance beraubt, in ähnlicher Weise wie sein Frankfurter Kollege Johann Fichard, Schöpfer der Solmser Landesordnung von 1571, als Urheber eines Rezeptionsgesetzbuchs in die Deutsche Privatrechtsgeschichte einzugehen. Widmanns Skepsis bezüglich des Umfangs der Arbeit bestätigte sich indessen am Schicksal des Entwurfs, den der schließlich mit der Aufgabe betraute hohenlohische Rat Zacharias Hyso verfasste und der über einen (ausführlichen) ersten Teil nicht hinauskam. Ein bleibender Gewinn dieses Versuchs für die Rechtsgeschichte liegt in den damals eingeholten Ämterberichten über das bestehende Recht. Wie das entsprechende württembergische Material, das handschriftlich im "Liber consuetudinum" überliefert ist, sind auch die hohenlohischen Berichte bis heute zum größten Teil noch nicht ediert. Ganzhorns Zusammenfassung ist daher durchaus nützlich.

Zur Ausführung gelangte der Plan eines hohenlohischen Landrechts, der in den Kanzleien der Grafschaft nie ganz vergessen wurde, erst im Hochbarock. Der Anstoß ging von dem in Weikersheim residierenden Grafen Karl Ludwig (1674-1756) aus, der auch in der Folge treibende Kraft des Unternehmens war. Die Entwürfe wurden zwischen 1722 und 1725 gefertigt. Das Ehe- und Vormundschaftsrecht (Teil 1 und 2) sowie das Recht der gewillkürten und gesetzlichen Erbfolge (Teil 4 und 5) hatte ein reiner Praktiker, der Ingelfinger Hofrat Johann Friedrich Allgeyer ausgearbeitet. Der Urheber des Schuld- und Prozessrechts (Teil 3 und 6), der Weikersheimer Kanzleidirektor Georg Tobias Pistorius, war zwar ebenfalls an der Spitze der Verwaltung praktisch tätig, darüber hinaus war er aber ein gelehrter Jurist, der sich vor und nach dem Landrecht auch literarisch bemerkbar machte. Ganzhorn zeichnet den Gang des Gesetzgebungsverfahrens nach, das wegen der erforderlichen Kommunikation unter den beteiligten Häusern bzw. Kanzleien kompliziert und langwierig war. In geraffter Form werden schließlich die Quellen diskutiert. Bemerkenswert ist dabei die Vielfalt, auch das starke Zurückgreifen auf heimisches hohenlohisches Recht. Einflüsse der benachbarten größeren Territorien Württemberg, Würzburg und Brandenburg-Ansbach sind zwar nachzuweisen, aber immer nur für einzelne Teile bzw. Institutionen. Das Hohenloher Landrecht lässt sich mithin keinem der Stemmata anfügen, die von der Privatrechtsgeschichte für die Stadtrechtsreformationen und Landrechte des 15./16. Jhs. aufgestellt wurden.

Aber nicht nur in der Quellenvielfalt, auch stilistisch und inhaltlich lässt sich dieses Landrecht nicht so leicht einordnen. Wenn es von Ganzhorn privatrechtsgeschichtlich noch - gewissermaßen als letzter Ausläufer - zu den Ordnungen des 16. Jhs. und der Rezeptionszeit gerechnet wird, scheint dies mehr eine Verlegenheitslösung. Schon sprachlich ist eine solche Klarheit und Prägnanz im Deutsch, wie es uns hier geboten wird, vor dem Dreißigjährigen Krieg nicht zu denken. Zu den Naturrechtsgesetzbüchern, deren Vorläufer mit den Kreittmayrschen Kodifikationen Bayerns erst in der Mitte des 18. Jhs. einsetzten, möchte man es andererseits auch nicht zählen - nicht nur deshalb, weil in Hohenlohe 1738 noch Hexerei und Zaubererei Gründe für Erbunwürdigkeit waren. Bemerkenswert ist immerhin, daß schon im Jahr 1713, als Pistorius für den Weikersheimer Hof gewonnen wurde, der preußische König Friedrich Wilhelm I. bei seinem Regierungsantritt die Absicht zur Schaffung eines Landrechts bekannt gab, zu dem es dann bekanntlich erst am Ende des Jahrhunderts kam. Am ehesten wird man das Hohenloher Landrecht noch dem Usus modernus zuordnen können, dem pragmatischen, römischdeutschen Mischrecht der Zeit, das schon wichtige, zukunftsweisende Ansätze zur Abstraktion und Systematik ausgebildet hatte. Auch wenn die Gesetzgebung für diese Epoche nicht die typische juristische Literaturform darstellt, sondern die Ausnahme bildet, so atmet das Werk Pistorius und Algeyers doch ganz ihren Geist. Voll ausgeprägt finden wir hier eine "Neigung zu praktisch-übersichtlicher Stoffanordnung" und, etwa in dem Gewicht, das die Viehmängelhaftung im Schuldrecht einnimmt, jene "Durchdringung mit den Realitäten des zeitgenössischen Sozial- und Wirtschaftslebens", welche nach Franz Wieacker gerade den Usus modernus auszeichnete. Das Hohenloher Landrecht war daher kein Archaismus, sondern stand als eines der seltenen Gesetzgebungswerke aus der Zeit des Usus modernus, sozusagen ein "missing link", zwischen den Rezeptionsgesetzen des 16. und den Naturrechtsgesetzbüchern des späten 18. Jhs.

Empfohlene Zitierweise:

Raimund J. Weber: Rezension von: Gerhard Ganzhorn: Die Entstehung und die Quellen des hohenlohischen Landrechts aus dem Jahre 1738, Stuttgart: Thorbecke 1997, in: INFORM 3 (2002), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=496>

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieser Rezension hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse ein.

footer