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Kenneth F. Kiple / Kriemhild Coneè Ornelas (Hg.): The Cambridge World History of Food. 2 Bände, Cambridge: Cambridge University Press 2000, 2153 S., zahlr. s/w-Abb. u. Tab., ISBN 0521402166, £ 110,00

Aus: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde (46 (2001), S. 466f.)

Rezensiert von:
Gunther Hirschfelder
Bonn

Mit der zweibändigen Welternährungsgeschichte legt die Cambridge University Press ein ebenso universelles wie anspruchsvolles Werk vor, das, um es vorweg zu sagen, jedem, der sich künftig mit der Ernährung des Menschen beschäftigen möchte, unverzichtbares Hilfsmittel sein wird. Über 200 Autoren der verschiedensten Fachdisziplinen tragen hier naturwissenschaftliche und historische Fakten zusammen, um sie zu einer monumentalen Gesamtschau zu vereinen. Obgleich es sich beim Publikationsort um das britische Cambridge handelt, sind die thematische Ausrichtung und der Kreis der Beiträger sehr amerikalastig; das erklärt die starke natur- und zum Teil auch wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung des Werkes.

Das Wort Kultur findet im Titel zwar keine Erwähnung, wurde, so die Herausgeber in ihrer Einleitung, aber im Arbeitstitel geführt. Daher habe der kulturelle Aspekt durchgängig Berücksichtigung gefunden. Dem Rezensenten ist es freilich nicht gelungen, die kulturelle Perspektive durchgängig ausfindig zu machen.

Bei der World History of Food handelt es sich um eine thematisch gegliederte Sammlung von ungefähr 170 Essays, die nicht einheitlich strukturiert sind, so dass es zu gelegentlichen, aber nicht störenden Redundanzen kommt. Die Benutzung wird durch die übersichtliche Systematik erleichtert. Im ersten Hauptteil wird zunächst die Nahrung in ur- und frühgeschichtlicher Zeit in sechs Artikeln dargestellt (S. 11-71). Bereits hier wird die starke naturwissenschaftliche Ausrichtung sichtbar. So ist die Diskussion frühgeschichtlichen Vitamin- und Proteinmangels ebenso ausführlich wie gelungen, wohingegen der Rezensent eine Berücksichtigung kulturwissenschaftlicher Fragestellungen vermisst. Verallgemeinernden Aussagen wie jener, "cooking methods" ließen sich "from archeological remains only in a general way" interpretieren, kann er sich aus der Sicht der deutschsprachigen Forschung nicht anschließen; aber in der Nichtberücksichtigung von Forschungsergebnissen, die nicht in englischer Sprache vorliegen, besteht eben ein empfindliches Defizit des Werkes. Zudem lassen sich einzelne Grabungsorte nur über die angegebene Sekundärliteratur erschließen und werden kaum explizit erwähnt.

Auch der zweite Hauptteil folgt keiner chronologischen Systematik, sondern behandelt zunächst domestizierte Pflanzen und schließlich die Haustiere (S. 75-615). In kurzen und überblicksartigen Essays, in denen es meist nur knapp um kulturhistorische Daten, ausführlicher dagegen um Nährstoffzusammensetzungen, Taxonomie und genetische Besonderheiten geht, werden zunächst die Getreidesorten, dann die Speicherpflanzen, Zugemüse, Nüsse und Öle vorgestellt. Hier erweist sich die World History als echte Universalgeschichte, denn auch afrikanische und asiatische Entwicklungen werden berücksichtigt; die mitteleuropäische fällt dabei meist dem universellen Anspruch der Gesamtdarstellung zum Opfer.

Ähnliches gilt für die Darstellung der tierischen Nahrungsmittel. Um sich über die Bedeutung von Rind und Schwein zu informieren, wird der deutsche Leser die World History allenfalls der Vollständigkeit halber konsultieren. Dagegen finden sich derzeit kaum bessere Darstellungen der Bedeutung, die Seeschildkröten, Lamas, Insekten oder Wasserbüffel für die Ernährung des Menschen hatten und haben.

Der dritte Hauptteil beschäftigt sich mit den Getränken (S. 619-737). Dass das Brauwesen des deutschsprachigen Raums lediglich am Rande erwähnt und auf das Reinheitsgebot (S. 622) reduziert wird, erstaunt nicht, aber auch eine internationale Darstellung sollte die Fülle an neueren Forschungsergebnissen zum mittelalterlichen Brauwesen und zur frühen Bedeutung des Grutbiers berücksichtigen. Auch beim Kaffee (S. 641-653) folgt die Darstellung dem naturwissenschaftlichen Muster und erwähnt die kulturhistorischen Aspekte nur dort, wo sie sich auf ältere Überblicksliteratur stützen kann, so dass etwa die spezifischen Veränderungen des frühneuzeitlichen Ernährungssystems, die sich am Beispiel des Kaffeetrinkens besonders gut analysieren lassen, unerwähnt bleiben. Zwar weisen die Kapitel über Wein, Branntwein und Tee ähnliche Defizite auf, aber wiederum entschädigt die Gesamtschau durch die Schilderung seltener und allenfalls regional bedeutender Varianten sowie und durch die umfangreiche Darstellung der alkoholfreien Getränke.

Der vierte Hauptteil hat die Nährstoffe zum Gegenstand (S. 739-1120). Vitamine, Mineralien und Proteine werden unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die menschliche Ernährung und hinsichtlich ihrer Entdeckung dargestellt. Anschließend geht es um Mangelerscheinungen und um ernährungsbedingte Erkrankungen. Eine derart kompakte, für Geisteswissenschaftler gut zugängliche und fundierte Analyse der Zusammenhänge zwischen Ernährung und Krebserkrankungen, der Laktoseintoleranz oder der Nahrungsmittelallergien liefert derzeit nur die World History of Food.

Im zweiten Band des Gesamtwerkes geht es stärker um die kulturanthropologischen Aspekte der Ernährung. Der fünfte Hauptteil (Food and Drink around the World) beschreibt zunächst The History and Culture of Food and Drink in Asia. Es folgen analoge Beschreibungen der Verhältnisse in Europa, in Amerika, in Afrika und in Ozeanien. Dass den einzelnen Regionen nur geringer Raum gewidmet werden kann, liegt auf der Hand; so schildert Hansjörg Küster die Entwicklung in Mittel- und Nordeuropa (Northern Europe - Germany and the Surrounding Regions) vom Paläolithikum bis zur Gegenwart auf gerade sieben Seiten (S. 1226-1232).

Der sechste und inhaltlich innovativste Teil beschreibt die Zusammenhänge zwischen History, Nutrition, and Health (S. 1381-1573). Kapitel wie jene über den Hunger, über die Auswirkungen der Ernährung auf die Körpergröße, Nahrung als Medizin oder die vegetarische Ernährungsweise im internationalen Vergleich können deutschsprachiger Nahrungsforschung wesentliche Impulse verleihen, während die Abschnitte über Nahrungstabus oder über The Social and Cultural Uses of Food eher den älteren englischsprachigen Forschungsstand zusammenfassen.

Überzeugend ist auch der siebte Hauptteil, der sich mit Contemporary Food-Related Policy Issues beschäftigt und beispielsweise den Bezeichnungen der Nahrungsmittel, der Verwendung von Ersatzstoffen oder den neuesten Ergebnissen der Biotechnologie nachspürt.

Der achte Teil trägt die Überschrift A Dictionary of the World's Plant Foods (S. 1711-1886). Es handelt sich um ein Glossar, das kaum einen Begriff aus Geschichte und Gegenwart der Ernährung auslässt und vor allem durch seine Vollständigkeit besticht, aber leider keine Literaturangaben enthält. Ein Index der lateinischen Bezeichnungen (S. 1890-1900), ein Namens- (S. 1901-1916) und ein besonders umfangreiches Sachregister (S. 1917-2153) schließen die beiden aufwendig ausgestatteten Bände ab.

Empfohlene Zitierweise:

Gunther Hirschfelder: Rezension von: Kenneth F. Kiple / Kriemhild Coneè Ornelas (Hg.): The Cambridge World History of Food. 2 Bände, Cambridge: Cambridge University Press 2000, in: INFORM 2 (2001), Nr. 6, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=477>

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