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Konrad Schneider: Der Mineralwasserversand und seine Gefäßproduktion im rheinisch-hessischen Raum vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Historische Hilfswissenschaften; Bd. 5), Koblenz: Numismatischer Verlag Gerd Martin Forneck 2000, 240 S., ISBN 3-923708-10-6, DM 48,00

Aus: Nassauische Annalen (Bd. 112 (2001), S. 621 f.)

Rezensiert von:
Günther Kleineberg

Diese glänzende Untersuchung zur Nutzung der natürlichen Schätze an Mineralwasservorkommen in den uns nahen Territorien hat schon lange gefehlt. Nach den unzähligen Einzelveröffentlichungen - siehe das ausführliche Literaturverzeichnis - war eine so akribisch recherchierte eines Triumvirats von ausgewiesenen Experten längst zu wünschen. Die Brunnen sind in allen Jahrhunderten der behandelten Territorien nicht nur ein lebenswichtiges Elixier, sondern in ganz besonderem Maße ein hochkarätiger Wirtschaftsfaktor gewesen, der zudem die heimische Erde mit nahezu der ganzen Welt verband, Westerwälder Steinzeugkrüge, die in Europa, Afrika, Asien, Australien etc. entdeckt wurden, legen davon beredtes Zeugnis ab. Mit einer kurzen, prägnanten Einführung in die technische Herstellung des Steinzeugs, insbesondere der Steinzeugkrüge, sowie der historischen Entwicklung der Erzeugnisse und der maßgeblichen Produktionsstätten wird der Leser sofort bestens informiert: Niederrhein, Westerwald, Hunsrück, Taunus, Rhön etc. Allein im Kannenbäckerland wurden im Jahre 1875 über 12,5 Millionen Mineralwasserkrüge gefertigt (S. 20).

Es folgt ein Überblick über die chemischen Bedingungen des Mineralwassers in den verschiedenen Landschaften sowie über die Orte mit den wichtigsten Vorkommen. Ein historischer Abriß zur Entwicklung des Mineralwasserkonsums und Mineralwasserversandes von der Römerzeit bis um 1750 ordnet die regionalen Brunnen in den europäischen Rahmen ein, wodurch die große Bedeutung der hiesigen Betriebe ersichtlich wird. Die Brunnen in Kurköln, wie z.B. Tönisstein, in Kurtrier (Niederselters) oder in Hessen-Rheinfels (dem späteren nassauischen Langenschwalbach) erleben einen erheblichen Zuwachs in den Jahren von 1750 bis 1780. Langenschwalbach bringt es im Jahre 1754 immerhin auf 203.000 Krüge, die auf dem Markt abgesetzt werden können. Auch Fachingen wird die Zahl von 1765 bis 1789 deutlich steigern (S. 54). Eine Blüte des Mineralwasserhandels ist nach 1780 bis zu den Koalitionskriegen zu verzeichnen (S. 55). Nun steigen auch Hessen-Hanau und Kurmainz in die lukrativer werdende Produktion ein. Der Kurfürst verfügte über Krugmagazine in Oberlahnstein, Lorch am Mittelrhein, Flörsheim am Main und über ein Hauptkontor in Mainz. Doch es mißlang, sich im Geschäft mit dem Mineralwasser zu etablieren. Der Kriegswirrwarr, der seit 1792 das Gebiet heimsuchte, war einem wirtschaftlichen Aufschwung nicht gerade förderlich. Hessen-Darmstadt und Nassau-Oranien betrieben den Ausbau ihrer Brunnen in Ems an der Lahn in nicht besonders großer Harmonie: Streitigkeiten im Wettbewerbsgerangel waren an der Tagesordnung; bis schließlich Ems wie auch Fachingen und später Langenschwalbach an Nassau gefallen waren. Das Herzogtum hatte damit einen beträchtlichen Gewinn in der Mineralwasser-Landschaft eingefahren. Auch der Mainzer Betrieb in Weilbach/Taunus war schon 1802/03 an Nassau-Usingen gefallen. Ebenfalls 1802/03 kam auch der bis dahin kurtrierische Brunnen in Niederselters an Nassau. 1738 hatte man dort schon über eine Million Krüge abgesetzt.

Nach dem Wiener Kongreß von 1815/16 gab es verstärkt Bestrebungen, die Brunnenverwaltungen effektiver zu strukturieren. Die Vorgänge im Herzogtum Nassau (1806 bis 1866) werden beispielhaft geschildert. Geologen wurden hier mit eingespannt, so der rührige Ch. E. Stifft (1780-1855), der 1831 (nicht 1851; S. 107) schon den Effekt dieser Bemühungen beschreiben konnte: In den brennenden Zonen Afrikas und der beiden Indien, wie im kalten Norden von Europa trinkt man Selterser, Fachinger und Geilnauer Wasser. Stifft führt 124 nassauische Mineralquellen auf, davon 15 in Wiesbaden, 18 in Ems, 10 in Langenschwalbach, 9 in Soden und 8 in Schlangenbad (S. 107).

Eine Fülle von historischen Daten, Orten, Verkaufszahlen etc., deutet auf eine detaillierte Archivarbeit, die aber für den wißbegierigen Leser nie ermüdend wird, im Gegenteil: Man wird durch die Jahrhunderte und Landschaften auf den Wogen des köstlichen Mineralwassers getragen. Illustrationen - von manchmal etwas schwacher Qualität - vermitteln eine gute Vorstellung von den Betriebsstätten, von den technischen Prozessen, den arbeitenden Menschen und ihren Lebensbedingungen. Die Farbigkeit des Bildmaterials könnte vielleicht in einer weiteren Auflage zunehmen. Das ist natürlich mit höheren Kosten verbunden. Es müßte möglich sein, wenn alle angesprochenen Brunnenorte jeweils eine entsprechende Stückzahl abnehmen könnten. Dann hätte man einen wirklich repräsentativen Geschenkband, der in die Hände eines größeren Publikums gehört. Farbabbildungen machen nunmal ein Buch angenehmer, und vor allem dieses der drei Experten, das wohl das beste und informativste zu diesem Thema überhaupt darstellt.

Empfohlene Zitierweise:

Günther Kleineberg: Rezension von: Konrad Schneider: Der Mineralwasserversand und seine Gefäßproduktion im rheinisch-hessischen Raum vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, Koblenz: Numismatischer Verlag Gerd Martin Forneck 2000, in: INFORM 2 (2001), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=450>

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