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Peter Kolb / Ernst-Günter Krenig (Hg.): Unterfränkische Geschichte. Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg: Echter 1995, 752 S., mehrere Karten, Tabellen, Schaubilder und Abbildungen, ISBN 3-429-01720-3, € 45,50

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 84 (2000), S. 366-368)

Rezensiert von:
Harald Stockert

Reformation, Konfessionalisierung und Dreißigjähriger Krieg stehen im Mittelpunkt des dritten Bandes der von Peter Kolb und Hans-Günter Krenig herausgegebenen "Unterfränkischen Geschichte". Abermals ist es den Herausgebern gelungen, einen namhaften Autorenkreis für dieses verdienstvolle Handbuch zu gewinnen. In insgesamt 18 Beiträgen beschreiben sie die Geschichte des heutigen Regierungsbezirks Unterfranken in den ereignisreichen Jahren von 1520 bis 1648. Politische und religiöse Aspekte dieser mittlerweile als "konfessionelles Zeitalter" bezeichneten Epoche finden dabei ebenso Beachtung wie wirtschafts-, sozial-, kultur- und auch kunstgeschichtliche Gesichtspunkte.

Im Mittelpunkt des ersten und größten Teils "Von der Reformation bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges" steht die historische Entwicklung des Hochstifts Würzburg, dessen ehemaliges Gebiet den größten Teil des heutigen Regierungsbezirks Unterfranken abdeckt. Die politische Entwicklung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, die vor allem von der Reformation geprägt war, ist Gegenstand zweier Beiträge von Klaus Gut und Bernhard Sicken. Der starke Erfolg der Lehre Luthers in Franken, die in mehreren Territorien frühzeitig Fuß fassen konnte (z.B. Grafschaft Wertheim, Markgrafschaft Brandenburg-Kulmbach), drängte das Hochstift Würzburg sowohl innen- als auch außenpolitisch in die Defensive. Erst nach dem Augsburger Religionsfrieden und nach Abschluß des Landsberger Bundes mit Bamberg und Nürnberg (1556) kam es zu einer Konsolidierung des Fürstbistums, das in den Kriegen mit dem streitbaren Markgrafen Albrecht Albiciades von Brandenburg-Kulmbach an den Rand seiner politischen Existenz geraten war. Maßgeblichen Einfluß hatte die Reformation auch auf das eruptive Ausbrechen des Bauernkrieges, der, so Klaus Arnold, nicht nur ein Aufbegehren der Bauern war, sondern "ein Konflikt des gemeinen Mannes in Stadt und Land mit der dörflichen Herrschaft beziehungsweise der städtischen Obrigkeit", mithin eine Volkserhebung war (S.63). Einem auf ganz anderer Ebene bedeutenden sozial- wie auch verfassungsgeschichtlichen Phänomen widmet sich Erich Riedenauer mit der Entstehung, Entwicklung und Rolle der fränkischen Reichsritterschaft in der Region. Beachtenswert ist seine umfangreiche Liste der über zweihundert ritterschaftlichen Familien, die in den fränkischen Kantonen Odenwald, Rhön-Werra, Steigerwald und Baunach organisiert waren.

Auf breites Interesse in der Forschung ist in der Vergangenheit immer wieder Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn gestoßen. Während Ernst-Günter Krenig sich dem durchaus erfolgreichen politischen Gesamtkonzept des Bischofs zur Erneuerung des alten Glaubens und zur organisatorischen Modernisierung seines überschuldeten Würzburger Staatswesens widmet, rückt Elmar Weiß die Schattenseiten der Echterzeit ins Blickfeld: In seiner Regierungszeit begannen die massiven "Hexenverfolgungen" im Hochstift, das in dieser Hinsicht eine traurige Berühmtheit erlangte. Es bleibt letztlich ein Geheimnis, warum ausgerechnet dieser recht fortschrittliche Kirchenfürst, der zunächst der Prozessen sehr distanziert gegenüber gestanden hatte, sich nach 1590 zu einem derartigen Fanatiker entwickelte und mit unerbittlicher Härte Menschen als Hexen verfolgen ließ. Der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Unterfranken widmen sich Bernhard Sicken und Friedhelm Jürgensmeier. Sickens Darstellung des Heer- und Kriegsfinanzierungswesens zeigen die strukturellen Grundlagen dieses mörderischen Krieges auf, der Franken mehrmals heimsuchte. Die Gründung des "Herzogtums Franken" aus den säkularisierten Fürstbistümern Würzburg und Bamberg (1633/34), das heute allenfalls als historisches Kuriosum erscheint, war vor diesem Hintergrund der letzte - erfolglose - Versuch, die protestantische Religion flächendeckend in Franken einzuführen. Den frühen Regierungsjahren des Fürstbischofs Johann Philipp von Schönborn, der durch seine Wahl zum Erzbischof von Mainz (1647) zu einer Person mit reichsweiter Bedeutung wurde und maßgeblich an den Verhandlungen zur Beendigung des Krieges beteiligt war, gelten die Ausführungen Jürgensmeiers.

Die Verfassung und Verwaltung einerseits sowie das Bildungswesen des Hochstifts andererseits stehen im Mittelpunkt der Beiträge von Dietmar Willoweit und Peter Baumgart. In beiden Bereichen gab es zu Beginn der Neuzeit tiefgreifende Defizite aufgrund der im Spätmittelalter erwachsenen Strukturen. Nur mit Hilfe umfassender Reformen wie beispielsweise der Neuordnung der Verwaltung oder der Gründung der Würzburger Universität (1582) konnte das Hochstift vor allem in der Zeit Echters zu einem modernen frühneuzeitlichen Staatswesen umgebaut werden.

Ein großes Verdienst des vorliegenden Bandes ist es, daß auch die in der Vergangenheit so häufig vernachlässigten kleineren politischen Einheiten nicht in Vergessenheit geraten, sondern im zweiten Teil des Buches ihre gerechtfertigte Erwähnung finden. In jeweils eigenen Beiträgen wird die Geschichte der heute unterfränkischen Gebiete des Kurfürstentums Mainz (Roman Fischer), des Hochstifts Fulda (Johannes Merz) sowie der protestantisch gewordenen Reichsstadt Schweinfurt (Uwe Müller) mit den zentralen Themenkomplexen demographische und wirtschaftliche Entwicklung, Reformation, Bauernkrieg, katholische Reform und Dreißigjähriger Krieg geschildert.

"Der Mensch als Gestalter seines Lebensraumes" lautet der Titel des dritten und letzten Teils des vorliegenden Bandes. Kulturgeschichte im traditionellen Sinne bietet Wilfried Schenk mit seiner Beschreibung der "mainfränkischen Kulturlandschaft" anhand eines Überblicks über Bevölkerung, Besiedlung, Agrarverhältnisse, Gewerbe, Handel und Verkehr in Unterfranken. Eine volkskundliche Annäherung an das Thema "Bauen und Wohnen in Dorf und Kleinstadt vor 1650" bietet Konrad Bedal. Trotz des immer noch recht schmalen Forschungsstands kommt er zu dem für uns heute sehr befriedigenden Ergebnis, daß "sich in unterfränkischen Dörfern und Kleinstädten im Verhältnis zu anderen Landschaften relativ viele Bauten dieser Zeitstufe erhalten haben" (S.592). Einen sozialgeschichtlich sehr wichtigen Aspekt der katholischen Reform beschreibt Peter Kolb in seinem Beitrag über das Spitalwesen. Insbesondere als Reaktion auf das Konzil von Trient, das sich mehrfach mit diesem Gegenstand beschäftigt hatte, kam es, wenn auch mit merklicher Verzögerung, im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts in ganz Unterfranken zu zahlreichen Neu- und Wiedergründungen von Spitälern. Deutlich wird dabei das Bestreben der Landesherrschaft, mit Hilfe von Spitalordnungen den obrigkeitlichen Einfluß in diesem Bereich zu verstärken und dem ursprünglich relativ autonomen Spitalwesen enge Zügel anzulegen. Die große Bedeutung der Echterzeit für die Kunstgeschichte thematisiert schließlich Stefan Kummer. Nach einem Rückgang des künstlerischen Schaffens zwischen 1530 und 1570 gab es mit dem Regierungsantritt Julius Echters einen "Aufschwung der Kunsttätigkeit" in Unterfranken (S.663). Die eigenartige Mischung des Baustils aus Element der Gotik und der Renaissance mit charakteristischen Merkmalen, die gemeinhin als "Juliusstil" bezeichnet wird, strahlte bis ins heutige Württembergisch-Franken und ist gleichsam plastischer Ausdruck des Echterschen Reformprogramms.

Allen Beiträgen gemeinsam ist ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis. Das von Peter Kolb zusammengestellte Orts- und Personenverzeichnis erleichtert die Benutzung erheblich. Daß mit dem Jahr 1648 ein scharfe inhaltliche Zäsur gezogen wurde, die zentrale Kontinuitäten verdeckt (ganz deutlich in dem biographisch angelegten Beitrag von Jürgensmeier über Johann Philipp von Schönborn, der von 1642 bis 1673 regierte), wirkt an manchen Stellen störend, ist aber angesichts der chronologischen Konzeption der Reihe unumgänglich. Letztlich kann man aus württembergisch-fränkischer Perspektive dem bayerischen Regierungsbezirk zu dem vorliegenden Band nur gratulieren und vielleicht davon träumen, daß auch in hiesigen Landen ein ähnliches Projekt auf die Beine gestellt werden wird.

Empfohlene Zitierweise:

Harald Stockert: Rezension von: Peter Kolb / Ernst-Günter Krenig (Hg.): Unterfränkische Geschichte. Band 3: Vom Beginn des konfessionellen Zeitalters bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Würzburg: Echter 1995, in: INFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=435>

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