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Peter Blickle: Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes (= C.H. Beck Wissen; Bd. 2103), München: C.H. Beck 1998, 144 S., 10 Abb., ISBN 3-406-43313-8, DM 14,80

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 84 (2000), S. 360 f.)

Rezensiert von:
Herbert Kohl

Wie kaum ein zweites Thema der Geschichtsschreibung hat der Bauernkrieg von jeher diejenigen, die sich seiner annahmen, dazu herausgefordert, weltanschaulich und politisch Stellung zu beziehen. So war der Beginn der kritischen Geschichtswissenschaft zugleich auch der Anfang der Deutungsgeschichte des deutschen Bauernkriegs. Leopold Ranke (1839) sah in ihm nicht viel mehr als einen Ausbruch von Zerstörungswut und Fanatismus. Für ihn war das Wüten der "Menge" ein Ausdruck von Irrationalität, die Folge fehlgeleiteter Glaubensvorstellungen. Dieser negativen Deutung setzte Wilhelm Zimmermann (1840-44) eine eher liberale Sichtweise entgegen, die den Bauernaufstand zum Vorläufer fortschrittlicher Ideen der eigenen Zeit machte. Friedrich Engels (1850) deutete den Bauernkrieg dagegen zur klassenkämpferischen Bewegung, der "frühbürgerlichen Revolution", um. Damit war innerhalb eines Jahrzehnts ein fertiges Tableau unterschiedlichster, miteinander konkurrierender Interpretationen entstanden, die auch im 20.Jahrhundert bestimmend bleiben sollten. Günther Franz (1933) fügte mit der Entzerrung von Reformation und Aufstand eine neue Deutungsvariante hinzu. Anders als seine Vorgänger sprach er trotz seiner Betonung der sozialen und politischen Aspekte des Ereignisses dem Bauernkrieg jegliche sinnstiftende Wirkung für die deutsche Geschichte ab.

Der Autor, durch zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema als Fachmann ausgewiesen, gibt im Anfangskapitel einen knappen Abriss der Geschehnisse des Jahres 1525, um sich dann den Tendenzen und Problemen der modernen Forschung zuzuwenden. Seinem Leser macht er es dabei nicht leicht. Ist der Anfang noch im ansprechenden Erzählton geschrieben und mit aktuellen, oft humorvoll verpackten Bezügen gespickt, wirken die Kapitel über Freiheit, Gerechtigkeit und "Gewalt" (als Teilhabe an der politischen Macht) äußerst theorielastig, streckenweise so, als habe sie ein Staatsrechtler verfaßt. Blickle geht es darum, Modernisierungstendenzen aufzuzeigen, die vom gescheiterten Aufstand angestoßen wurden. So weist er darauf hin, dass in der Folge des Bauernkriegs die Leibeigenschaft faktisch, wenn auch nicht förmlich aufgehoben wurde. Indem er die von den Bauern erreichten Fortschritte als Vorformen moderner Bürgerrechte deutet, bemüht auch er sich - wie könnte es anders sein - um eine Verortung des Themas in den Traditionslinien der deutschen Geschichte. Nicht ohne Stolz vermerkt er, dass "1525" in dieser Hinsicht gegenüber "1848" in den letzten Jahrzehnten deutlich aufgeholt habe.

Neben Fragen der historischen Bewertung beschäftigen den Autor auch die Begrifflichkeiten. Mit einem gewissen Schuß Selbstironie stellt er fest, daß es offensichtlich zur Lieblingsbeschäftigung mancher Historiker geworden sei, dekonstruktivistische Ansätze auf die eigene Disziplin zu übertragen. Etablierte Epochenbezeichnungen, Faktenbestände etc. werden dabei als Legenden und Mythen entlarvt, frei nach dem Motto: Auf zur fröhlichen Begriffszertrümmerung! Blickle tut dies für seinen Teil, und zwar recht genüsslich, mit dem Begriff "deutscher Bauernkrieg". Dabei handle es sich, so der Verfasser, um eine Wortschöpfung des 19.Jahrhunderts, die an den historischen Realitäten vorbeigehe. In den Quellen sei nämlich nie von "Bauern", sondern stets vom "gemeinen Mann" die Rede; das Attribut "deutsch" sei nur vor dem kleindeutschen Hintergrund jener Zeit zu verstehen, denn die Ereignisse in Österreich und der Schweiz blieben damit ausgeblendet; auch der Begriff "Krieg" sei irreführend, da die Bauern in keinem Fall, auch nicht dort, wo sie in der Überzahl waren, die Kampfhandlungen von sich aus eröffnet hätten. Doch keine Sorge: die Geschichte muss nicht umgeschrieben werden - und das weiß auch der Autor. Ein Blick auf den Titel seines Buches genügt.

Empfohlene Zitierweise:

Herbert Kohl: Rezension von: Peter Blickle: Der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes, München: C.H. Beck 1998, in: INFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=430>

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