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Wolfgang Zimmermann: Rekatholisierung, Konfessionalisierung und Ratsregiment. Der Prozeß des politischen und religiösen Wandels in der österreichischen Stadt Konstanz 1548-1637 (= Konstanzer Geschichts- und Rechtsquellen; Bd. 34), Stuttgart: Thorbecke 1994, 328 S., ISBN 3-7995-6834-4, DM 78,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 466 f.)

Rezensiert von:
Herbert Kohl

Die Geschichte der Stadt Konstanz stellt für das Zeitalter der Reformation einen absoluten Sonderfall in der Entwicklung des Heiligen Römischen Reiches dar: Aus einer Reichsstadt, die wie die meisten anderen die Reformation durchgeführt hatte, wurde eine österreichische Landstadt, in der der katholische Glaube von oben wieder eingeführt wurde. Die vorliegende Arbeit, eine an der Eberhard-Karls-Universität zu Tübingen entstandene Dissertation, untersucht neben den religiösen auch die politischen und sozialen Folgen, die der von außen erzwungene Herrschaftswechsel für die Betroffenen hatte.

Bereits seit Beginn des 16. Jahrhunderts gab es in Konstanz Bestrebungen, der schweizerischen Eidgenossenschaft beizutreten, was von Habsburg, dem übermächtigen Nachbarn der Stadt, jedoch verhindert wurde. Die Niederlage und der anschließende Zusammenbruch des Schmalkaldischen Bundes brachten die Konstanzer in eine prekäre Lage, so daß sich die Stadt den österreichischen Belagerern im Sommer des Jahres 1548 schließlich kampflos ergeben mußte. Zunächst wurden die politischen Verhältnisse neu geregelt. Die Bürgerschaft mußte den Eid auf König Ferdinand, den neuen Landesherren, ablegen, die alte Ratsverfassung wurde außer Kraft gesetzt, und ein Hauptmann übernahm in der Folge das Stadtregiment.

Nicht weniger schmerzlich waren für Stadt und Bürger die grundlegenden religiösen Veränderungen, die sich aus der bald einsetzenden katholischen Restauration ergaben. Da sich aber mit den Machtstrukturen nicht automatisch auch die Einstellungen und Mentalitäten der Regierten ändern, finden sich in diesem Punkt auch für Konstanz zahlreiche Beispiele von Widerstand und Verweigerung. Wie der Autor nachweist, waren es vor allem zwei städtische Bezirke, in denen an die 90 Familien dem evangelischen Glauben in einer "Grauzone stiller Duldung" (S. 52) die Treue hielten. In der Praxis bedeutete das, daß diese Bürger und ihre Familien Gottesdienste in Gemeinden außerhalb der Stadt besuchten. In den Akten gibt es zahlreiche Hinweise auf Geldstrafen, mit denen die Obrigkeit versuchte, die unerwünschten Praktiken zu unterbinden. An hohen Festtagen besetzten besondere Wachen die Stadttore, um die Betreffenden am Verlassen der Stadt zu hindern. Die Akten belegen, daß diese Art nonkonformen Verhaltens in den betreffenden Familien etwa über drei Generationen andauerte. Eine andere Form religiöser Resistenz wurde von einigen Geistlichen praktiziert, die nach außenhin das katholische Bekenntnis abgelegt hatten, in ihren Gottesdiensten aber an der evangelischen Predigt festhielten, weshalb die wiederholt mit der Obrigkeit in Konflikt gerieten.

Der Herrschaftswechsel zog neben den innerstädtischen Auseinandersetzungen eine Reihe weiterer Konflikte nach sich, vor allem solche, die den Besitz des ehemaligen Kirchengutes betrafen. Hier kam es zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten zwischen der katholischen Kirche, dem Landesherrn und der Stadt, die durch die Maximalforderungen des Bischofs (der es vorzog, in Meersburg zu residieren) verschärft wurden. Es dauerte Jahrzehnte, bis in der Stadt wieder klare und geordnete Verhältnisse einkehrten.

Was dieses Buch zu einer interessanten Lektüre macht, ist das außerordentlich reizvolle Spannungsverhältnis zwischen der Singularität des dargestellten Vorgangs und der weitgehenden Modellhaftigkeit historische Strukturen, die im Verhalten der beteiligten Akteure deutlich werden. Wie so oft in der Geschichte geht es hier um Durchsetzung und Legitimation von Herrschaft, die Wahrung geistiger und materieller Besitzstände und, last but not least, die Definitionsmacht darüber, nach welchen moralischen Codes Menschen in sozialen Systemen zusammenleben, also letztlich um Fragen von zeitloser Bedeutung.

Empfohlene Zitierweise:

Herbert Kohl: Rezension von: Wolfgang Zimmermann: Rekatholisierung, Konfessionalisierung und Ratsregiment. Der Prozeß des politischen und religiösen Wandels in der österreichischen Stadt Konstanz 1548-1637, Stuttgart: Thorbecke 1994, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=421>

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