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Hartwig Weber: "Von der verführten Kinder Zauberei". Hexenprozesse gegen Kinder im alten Württemberg, Stuttgart: Thorbecke 1996, 274 S., ISBN 3-7995-0380-3, DM 49,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 437 f.)

Rezensiert von:
Alexander Maisch

Kinder gehörten nicht selten zu den Angeklagten in Hexenprozessen. Sie machten ihre Aussagen im Unterschied zu den Erwachsenen häufiger freiwillig und denunzierten bereitwillig Verwandte und Bekannte. Hartwig Weber analysiert die Hexenprozesse gegen Kinder im Herzogtum Württemberg im 17. Jahrhundert. Sein Ausgangspunkt ist der Calwer Kinderhexenprozeß von 1683, der zu zwei Todesurteilen führte. Außerdem wurden sechs Frauen aus Calw ausgewiesen, die Kinder teilweise mit Ruten gezüchtigt. Die folgenden Kapitel sind eher allgemeinen Ausführungen zum Hexenglauben und zur Kindheit im 16. und 17. Jahrhundert, die in dieser Zeit langsam als eigene Lebensphase begriffen wurde, gewidmet. Württemberg war kein verfolgungsintensives Gebiet. Juristen und Theologen hielten sich beim Kampf gegen das "Unholdenwesen" eher zurück - verglichen zumindest mit solchen Territorien wie den Bistümern Würzburg und Bamberg, wo innerhalb weniger Jahre des 17. Jahrhunderts mehr als 900 Menschen verbrannt wurden.

Die Untersuchung Webers basiert auf den Malefizakten des Hauptstaatsarchivs Stuttgart in den Beständen A 209 und A 309, die er als weitgehend vollständig einschätzt. Letzteres trifft aber mit Sicherheit nicht zu, der Bestand wurde im 19. Jahrhundert ausgedünnt. 39 Kinder hätten in Hexenprozessen eine wichtige Rolle gespielt, der Schwerpunkt liege in den letzten vier Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts, also zu einem Zeitpunkt, an dem eine Anklage wegen Hexerei deutlich an Gefährlichkeit eingebüßt hatte. In der Regel gaben sich diese Kinder selbst als Hexen an, nutzten aber die Gelegenheit zur Denunziation von anderen. Besagungen gingen häufig auf familiäre Konflikte zurück. Die Urteile waren vergleichsweise mild. Die württembergischen Behörden setzten zu dieser Zeit mehr auf Pädagogik als auf strenge Verfolgung. Ein ausführliches Kapitel beschäftigt sich mit den Phantasien, die hinter diesem Teufels- und Hexenglauben standen, wobei Weber besonders auf die sexuellen abhebt. Im Anhang finden sich Nacherzählungen beispielhafter Prozesse.

Auf die Frag, ob die Infantilisierung des Hexenglaubens, wie sie sich im steigenden Anteil kindlicher Denunziationen ausdrückt, nicht das Vorspiel zum Ende des Glaubens an Zauberer und Hexen überhaupt war, geht Weber nicht ein. Hier würden sich noch neue Interpretationsmöglichkeiten anbieten.

Empfohlene Zitierweise:

Alexander Maisch: Rezension von: Hartwig Weber: "Von der verführten Kinder Zauberei". Hexenprozesse gegen Kinder im alten Württemberg, Stuttgart: Thorbecke 1996, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=411>

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