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Werner Buchholz (Hg.): Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme - Analyse - Perspektiven, Paderborn: Schöningh 1998, 458 S., ISBN 3-506-71802-9, DM 104,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 425)

Rezensiert von:
Gerhard Lubich

Die Landesgeschichtsschreibung, einer der deutschen Beiträge zur Geschichtswissenschaft, blickt auf eine lange, im 19. Jahrhundert begründete Tradition zurück. Schon immer stand sie in enger Beziehung mit aktuellen politischen Verhältnissen, sei es als Instrument regionaler Identitätsstiftung, sei es - unter dem Namen "Geschichtliche Landeskunde" - als Grundlage einer zwischen den Kriegen und besonders im Dritten Reich angestrebten "Volksgeschichte", sei es unter dem Etikett der "Regionalgeschichte" als Zuarbeiterin der DDR-Nationalgeschichte. Aus dieser Voraussetzung wird deutlich, daß es nach dem Umbruch der Jahre 1989/90 an der Zeit war, die Position der deutschen Landesgeschichtsschreibung neu zu bestimmen, was auf einem Greifswalder Symposion im Jahre 1995 geschehen ist, dessen Ergebnisse nun in diesem Band dokumentiert sind. Geordnet nach den "historischen Kulturlandschaften Deutschlands" (so die Einleitung des Hrsg., S. 11) wird über den Stand der jeweiligen landesgeschichtlichen Forschung, über Institutionen und Projekte, neue Arbeitsfelder und -weisen berichtet, zum Teil aber auch das eigene Fach in seinen Grenzen und Möglichkeiten reflektiert; insbesondere die Frage nach einem Regionenbegriff und nach der Möglichkeit einer neuen Regionalgeschichte findet sich dabei diskutiert. Zu vermerken ist ebenfalls, daß der seit den 70er Jahren spürbare Trend, das Forschungsfeld Landesgeschichte von der mediävistischen Vorherrschaft zu lösen (man vergleiche den Wandel des Inhalts dieser Zeitschrift), sich konsolidiert hat.

Der Band erfüllt also die von ihm selbst gestellten Ansprüche, er ist durchweg informativ, zeigt die Vielfalt des Bestehenden und Perspektiven für die Zukunft. Aber er wirft auch Fragen auf. Etwa danach, welche Haltung nun der Betreiber von Landesgeschichte gegenüber der ganz zweifellos bestehenden Abhängigkeit seines Faches von bestehenden politischen Verhältnissen und Wunschvorstellungen einnehmen soll. Diese sind nämlich nach wie vor vorhanden, wie allein schon aus einem Blick auf die Gliederung deutlich wird: Der Westen Deutschlands, die alte Bundesrepublik also, findet sich hier nach Gebieten unterteilt, die eine recht lange Traditionslinie in Anspruch nehmen können, zum Teil bis zurück ins Mittelalter (Schwaben, Baden, Bayern, Franken), während die Landesgeschichte im Gebiet der ehemaligen DDR offensichtlich neueren Grenzen folgt, nämlich denen der bestehenden Bundesländer. Zu diskutieren wäre hier, ob eine solch unterschiedliche Struktur, die ganz eindeutig auch andere Forschungsschwerpunkte hervorbringen muß (Sachsen-Anhalt als politisches Gebilde hat eindeutig keine mittelalterliche Geschichte; das Gebiet dieses Bundeslandes sehr wohl), überhaupt eine Landesgeschichte als einheitliche, universell anwendbare Methode hervorbringen kann. Ein gewisses Unwohlsein schleicht sich beim Rez. auch ein, wenn er in einem Buch unter dem Titel "Landesgeschichte in Deutschland" einen Beitrag unter dem Etikett "Donauschwaben" findet; nicht, daß der sich dahinter verbergende Vergleich zwischen deutscher Landes- und ungarischer Lokalgeschichte nicht lehrreich wäre oder dieses Gebiet kein legitimes landesgeschichtliches Forschungsfeld darstellte, aber wenn sich deutsche Landesgeschichte nicht auch an die deutschen Landesgrenzen hält, dann kann sie möglicherweise schnell wieder in Richtung einer "Volksgeschichte" ausgedeutet und als historisierendes Argument mißbraucht werden. Damit soll der konzeptionellen Leitung des Bandes natürlich nicht etwa unterstellt werden, daß sie absichtlich in diese Richtung tendiere, sondern nur angemerkt sein, daß es vielleicht geschickter gewesen wäre, diesen Beitrag ohne geographische Zuordnung unter die Rubrik "Vergleichende Landesgeschichte" zu setzen, was vom Thema her ja durchaus gerechtfertigt gewesen wäre.

Empfohlene Zitierweise:

Gerhard Lubich: Rezension von: Werner Buchholz (Hg.): Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme - Analyse - Perspektiven, Paderborn: Schöningh 1998, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=407>

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