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Christian Peters: Apologia Confessionis Augustanae. Untersuchungen zur Textgeschichte einer lutherischen Bekenntnisschrift (1530-1584) (= Calwer Theologische Monographien, Reihe B: Systematische Theologie und Kirchengeschichte; Bd. 15), Stuttgart: Calwer Verlag 1997, 664 + XLIX S., ISBN 3-7668-3467-3, DM 178,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 421 f.)

Rezensiert von:
Claus Müller

Von Zeit zu Zeit gibt es immer wieder wissenschaftliche Projekte, deren bloße Aufgabenstellung einem Respekt abnötigt. Wenn sich jemand vornimmt, die Textgeschichte der "Apologia Confessionis Augustanae" (AC) von 1530 bis 1584 zu untersuchen, ist dies sicherlich ein solches. Christian Peters hat sich in seiner Münsteraner kirchengeschichtlichen Habilitationsschrift dieser Aufgabe gestellt und sie in beeindruckenden Weise gemeistert.

Peters behandelt vier Problemkomplexe: Zum einen untersucht er die Entstehung der Augsburger Fassung der AC, die Kaiser Karl V. übergeben werden sollte. Zum anderen zeigt er, wie die AC für die verschiedenen Druckfassungen modifiziert wurde. Exemplarisch zeichnet er dann im einzelnen die Entwicklung der zentralen Artikel zur Rechtfertigungslehre nach. Schließlich beleuchtet er auch das komplexe Verhältnis "Luther und die Apologie".

Was die Arbeit Peters' auszeichnet, ist das gelungene Zusammenspiel verschiedener Zugangsweisen. Peters untersucht einerseits detailliert "das Zeugnis der äußeren Quellen" (insbesondere Briefe) daraufhin, was in ihnen über die Arbeit an der AC und deren äußere Umstände mitgeteilt wird. Diese Kenntnisse nutzt er nun aber wiederum zur Interpretation der verschiedenen Bearbeitungen des Textes der AC, die sich teils textkritisch, teils literarkritisch voneinander abheben lassen. Aber erst dadurch, daß Peters zugleich zeigt, welche theologischen Sachprobleme und -entscheidungen mit den Formulierungen der jeweiligen Bearbeitungen verbunden sind, wird seine Untersuchung zu einer theologischen Arbeit.

Nach einem kurzen Forschungsbericht und der Exposition der Aufgabenstellung rekonstruiert Peters im ersten Teil anhand der äußeren Zeugnisse die komplexe Geschichte der Entstehung der Augsburger Version der AC. Wichtig ist ihm dabei zu zeigen, wie einerseits die Arbeit an der AC aufs engste mit der "Ausschußpolitik" beider Parteien auf dem Reichstag verknüpft war und andererseits, daß es sich bei der "Apologie" auch um ein Gremienprodukt handelt, an dem wohl außer dem unbestritten federführenden Melanchthon Justus Jonas, Georg Spalatin, Johann Agricola und Johannes Brenz beteiligt waren. Textgeschichtlich spiegeln sich nach Peters die Ereignisse des Reichstages insbesondere in Melanchthons Überarbeitungen der sogenannten "Grundschrift Spalatins" wider (wie sie in der "Wolfenbütteler Handschrift" erhalten sind). Für die deutsche Version der AC, die gleichfalls auf dem Augsburger Reichstag verlesen werden sollte, biete die Schwäbisch Haller Handschrift "den ältesten heute noch zugänglichen Text der deutschen (Augsburger) AC" (S. 93). Er wird im Anhang erstmals kritisch ediert. Peters verzeichnet genau die Abweichungen der deutschen Version gegenüber der lateinischen und deutet sie als Werk einer auf die Gewinnung der Ständemehrheit des Reichstages zielenden "'politischen' Redaktion" (S. 107). Dieser politische Charakter der deutschen Version kennzeichne auch die späteren Druckversionen.

Die Habilitation zeigt nun, wie Melanchthon in der Folgezeit beständig an der AC weitergearbeitet und sie modifiziert hat. Das wichtigste und potentiell folgenreichste Ergebnis der Untersuchung der verschiedenen Druckversionen der AC besteht darin, daß Peters den lateinischen sog. "Oktavtext" (vom September 1531) aufgrund seiner "formalen und theologischen Qualitäten" (S. 189) und seiner Bedeutung im 16. Jahrhundert dem sog. Quarttext (von April/Mai 1531) für eindeutig überlegen hält und deshalb fordert, bei einer Neuausgabe der BSLK den "Oktavtext" zugrundezulegen (ebd.). Demgegenüber plädiert Peters bei einer Neuausgabe der BSLK für eine Beibehaltung des deutschen "Quarttextes" (vom Oktober 1531) gegenüber dem deutschen "Oktavtext" (vom Januar 1533). Die Besonderheit des Quarttextes liege in seinem Charakter als "komplexer Mischtext". Nicht nur, weil er ein Produkt der Übersetzertätigkeit Justus Jonas' und der Redaktion Melanchthons darstellt, sondern vor allem, weil er zwischen der lateinischen "Quartausgabe" und der lateinischen "Oktavausgabe", bei deutlichem Übergewicht der letzteren, stehe. Dieses Urteil untermauert Peters durch eine Detailuntersuchung über die Artikel 4-6 (und 20), d. h. die Rechtfertigungsartikel, deren Genese er rekonstruiert. Er kann nachzeichnen, wie für Melanchthon selbst zwischen den überladenen Rechtfertigungsartikeln der "Quartausgabe" und dem neu konzipierten Artikeln der "Oktavausgabe" entscheidende Klärungsprozesse stattfinden. Dabei spielt u. a. der Briefwechsel mit Brenz eine wichtige Rolle. Peters formuliert pointiert: "Für Melanchthon ist der Rechtfertigungsartikel der 'Quartausgabe' von Anfang an ein reines Provisorium" (S. 503). Demgegenüber biete die "Oktavausgabe" "eine Darstellung der Rechtfertigungslehre, die für das Luthertum schon bald wegweisend wird" (S. 504).

Schließlich kommt Peters zu dem Ergebnis, daß Luthers Pläne zu einer apologia germanica vom Frühjahr 1531 letztlich in seinem Galaterbriefkommentar (1535) zur Erfüllung kommen. Für die Zwischenzeit kann Peters durch eine Vielzahl von Äußerungen, insbesondere aber durch eine Analyse von Luthers Predigten und Vorlesungen aus den Jahren 1530/31, nachweisen, daß es bei der Arbeit Melanchthons an den Rechtfertigungsartikeln zu "beachtlichen Wechselwirkungen" (S. 504) bzw. zu einem "echte(n) Lern- und Austauschprozeß" (S. 505) zwischen Melanchthon und Luther gekommen ist. Anhangsweise werden die Dresdner Handschrift und die Schwäbisch Haller Handschrift kritisch ediert. Ein dritter Anhang rekonstruiert die frühe "Wittenberger Redaktion". Ein umfangreiches Personen- und Ortsregister schließt das Buch. Eine Rezension vermag kaum, die philologische, historische und theologische Detailarbeit, die Peters geleistet hat, adäquat zu vermitteln. In ihr liegt die große Stärke, aber auch die große "Schwäche" des Werkes. Diese Habilitationsschrift ist ein Buch für ausdauernde Spezialisten!

Empfohlene Zitierweise:

Claus Müller: Rezension von: Christian Peters: Apologia Confessionis Augustanae. Untersuchungen zur Textgeschichte einer lutherischen Bekenntnisschrift (1530-1584), Stuttgart: Calwer Verlag 1997, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=404>

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