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Markus Schacht / Jörg Meiner (Red.): Onder den Oranje boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. Katalogband zur Ausstellung der Stadt Krefeld, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und des Stichting Paleis Het Loo, Nationaal Museum, München: Hirmer 1999, 504 S., DM 78,00

Aus: Nassauische Annalen (Bd. 111 (2000), S. 580-581)

Rezensiert von:
Ulrich Schuppener

Rein äußerlich unterscheidet sich der vorliegende Katalogband vom Textband nur durch die Gestaltung des Buchdeckels. Während der Umschlag des Textbandes die Darstellung der vier Töchter Heinrichs von Oranien-Nassau des weniger bekannten Historienmalers Jan Mijtens ziert, von dem allerdings mehrere Werke im Ausstellungskatalog vertreten sind, wählte man als Umschlagabbildung des Katalogs die Allegorie auf die Gründung von Oranienburg des nicht unbedeutenden brandenburgischen Hofmalers Willem van Honthorst, der jedoch nie aus dem Schatten seines berühmteren Bruders Gerard van Honthorst her-austrat und von dessen caravaggesken Zügen in seinen frühen Werken hier nichts zu spüren ist. Was die Porträts und speziell die Bildnisse von Fürstlichkeiten anbelangt, sehen sich die Gemälde des älteren Gerard und des jüngeren Willem zum Verwechseln ähnlich. So wie der vier Jahre ältere Gerard im Haag für das oranische Schloß Huis ten Bosch arbeitete, gestaltete Willem van Honthorst das Deckenbild für das Schloß Oranienburg. Die Gründungsallegorie zeigt im Zentrum den Großen Kurfürsten und links von ihm seine Gemahlin Louise Henriette von Oranien, die Enkelin Wilhelms von Oranien und Urgroßmutter Friedrichs des Großen. Wegen des zweiten Präsentationsortes der Ausstellung "Onder den Oranje boom" Oranienburg kann die Wahl dieses, wenn auch recht statisch, spannungslos und allzu heroisch wirkenden Titelbildes als symptomatisch und exemplarisch bezeichnet werden. Das gleiche gilt für die Bildinterpretation dieses Gemäldes. (S. 239ff.) Nach den einleitenden Informationsangaben (Entstehungszeit, Kunstgattung, Format, Aufbewahrungsort, Literaturhinweise) folgt zunächst eine Kurzbiographie und Wertung des Künstlers. Die anschließende Bildbeschreibung nimmt begreiflicherweise den größten Raum ein. Der dritte Teil klärt gerafft über die Geschichte des Kunstwerkes auf. Gegebenenfalls folgen noch Fußnoten. Grob skizziert und pauschaliert, ist das der Rahmen der Erörterung der ihr zugrunde liegenden Abbildungen, d.h. Exponate. Das äußerst umfangreiche Ausstellungsverzeichnis besteht indes nicht nur aus Illustrationen und Bilderläuterungen, ist also nicht vornehmlich ein Bildband, sondern enthält zusätzlich einführende Konspekte zu den 16 Kapiteln der thematisch geordneten Bilder. Die Gruppierung geht dabei chronologisch vor, d.h. von Wilhelm dem Schweiger bis Kaiser Wilhelm II. Hierbei orientieren sich die einzelnen Artikel nicht ausschließlich an Dynastien, nämlich den durch Heirat geknüpften Beziehungen des Hauses Oranien-Nassau zu anderen Adelsgeschlechtern (Solms, Simmern, Hohenzollern, Anhalt-Dessau) und an den Exponenten dieses Herrscherhauses (Wilhelm der Schweiger, Friedrich Heinrich, König Wilhelm III. u.a.), darüber hinaus werden zwischen den personenbezogenen Abschnitten geschickt und unauffällig sachorientierte Themen eingeflochten. Logischerweise eröffnet das Kapitel "Aufstieg einer deutschen Grafenfamilie zum europäischen Fürstenhaus" nach einem Vorwort mit dem Tenor der Intention dieser Ausstellung die Sammlung der Abhandlungen, der Wiedergabe und Beschreibung der Ausstellungsobjekte. Durch die hervorragenden Expositionen der 16 Kapitel, die durch den historischen Hintergrund, das Zeitkolorit und die Charakteristiken der Repräsentanten des Hauses Oranien-Nassau als integrierte Bestandteile gekennzeichnet sind und fundamentale Querverbindungen herstellen, wächst der eindrucksvolle Band über einen reinen Ausstellungskatalog hinaus und erreicht somit die Qualität eines informativen und interessanten Geschichtswerks, zumal die darin enthaltenen Fakten und Details nicht immer konform gehen mit der bisherigen Literatur zu diesem Gegenstand, sondern neueste Erkenntnisse miteinbezieht. Die genealogische Tafel im Anhang, die hilfreiche und extensive Bibliographie, ein präzises Personenverzeichnis und der unverzichtbare Bildnachweis am Ende des Buches sind das I-Tüpfelchen dieses Kompendiums. Das ausgeprägteste Merkmal ist erwartungsgemäß die überaus reichhaltige Ausgestaltung mit Abbildungen, die nicht nur als Beiwerk zu bezeichnen sind, eher als dominierende Bestandteile. Schon das erste Bildnis, ein Porträt des Grafen Engelbert II. von Nassau, beeindruckt aufs äußerste nicht allein durch die Erhabenheit des Habitus, vielmehr durch die Attribute des Goldenen Vlieses und des Falken als heraldisches Charakteristikum. Man hätte jedoch erwartet, daß die aquarellierte Federzeichnung von Engelbert I. und seiner Gemahlin Johanna von Polanen im Turniergehabe, durch welche die großen niederländischen Besitzungen an das Haus Nassau-Dillenburg gelangten und das intensive Engagement der nassauischen Grafen in der geschichtlichen Entwicklung der Niederlande erst begreiflich und gerechtfertigt wurde, als einleitendes Bilddokument vorgezogen worden wäre. Voll und ganz gerechtfertigt sind die Voranstellung einer Ansicht von Stadt und Schloß Dillenburg aus dem Jahre 1580 als Stammsitz des Hauses Oranien-Nassau und die Wiedergabe eines Ölgemäldes mit René von Chalon, durch dessen Testament das Fürstentum Orange an Wilhelm den Schweiger fiel und damit in die Hände Nassaus. Vielleicht hätte zur Arrondierung am Schluß das Gruppenbild der jetzigen niederländischen königlichen Familie stehen können, wie dies etwa in der Mitte des Textbandes geschieht, anstatt einer Karikatur auf Kaiser Wilhelm II. und die Königin Wilhelmina. Die überwältigende und fast erdrückende Vielzahl der Darstellungen schöpft aus dem Artenreichtum der Kunst und Technik und umfaßt Ölgemälde, Aquarelle, Kupferstiche, Radierungen, Zeichnungen, Plastiken, Handwerkskunst und vieles mehr. Der Abwechslungsreichtum und die Fülle der Reproduktionen frappieren; so findet man u.a. Porträts, Gebäude, Bauzeichnungen, Stadtansichten, Allegorien, Spottzeichnungen, Kaminplatten, Kacheln, Ritterrüstungen, Waffen, Medaillen, Orden, Flugblätter, Statuetten, Mamorbüsten, Landkarten, Handschriften, Möbelgarnituren, kostbare Geräte aus Silber (teils vergoldet), Zinn, Messing, Glas, Porzellan und Elfenbein. Die Klarheit und Präzision der Wiedergabe, die Harmonie mit den Originalen, die Reihenfolge und Einordnung des Bildmaterials, überhaupt die drucktechnische Qualität können als optimal und in jeder Hinsicht gelungen bezeichnet werden. Der brillant konzipierte Katalog stellt mit Sicherheit eine Bereicherung und empfehlenswerte Lektüre nicht ausschließlich für Fachleute, Kenner und Interessenten der nassau-oranischen Geschichte dar, sondern vermag ohne Zweifel auch Laien und wißbegierige Leser zu fesseln.

Empfohlene Zitierweise:

Ulrich Schuppener: Rezension von: Markus Schacht / Jörg Meiner (Red.): Onder den Oranje boom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. Katalogband zur Ausstellung der Stadt Krefeld, der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und des Stichting Paleis Het Loo, Nationaal Museum, München: Hirmer 1999, in: INFORM 1 (2000), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=387>

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