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Horst Lademacher (Hg.): Onder den Oranje boom. Textband: Dynastie in der Republik. Das Haus Oranien-Nassau als Vermittler niederländischer Kultur in deutschen Territorien im 17. und 18. Jahrhundert, München: Hirmer 1999, 522 S., ISBN 3-7774-8070-3, DM 85,00

Aus: Nassauische Annalen (Bd. 111 (2000), S. 579-580)

Rezensiert von:
Ulrich Schuppener

Anläßlich der bisher aufwendigsten supranationalen Oranier-Exposition "Onder den Oranje boom" kam es zur Edition zweier voluminöser Bände im ungewöhnlichen Format 23 cm x 29 cm. Die als Begleitmaterial gedachten Paperbacks sprengen den Rahmen traditioneller Ausstellungskataloge. Sie repräsentieren offenkundig mehr als eine Komplettierung und Orientierung als Ressourcen der Oranierausstellung, den von den Niederlanden sowie den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Brandenburg gemeinsam initiierten Projekt in den Städten Krefeld, Oranienburg und Apeldoorn. Der erste Band stellt in erster Linie eine wissenschaftliche Retrospektive der historischen und kulturellen Abläufe, Verflechtungen, Ausstrahlungen und nicht zuletzt der Bedeutung des Hauses Oranien-Nassau dar, was die Kategorisierung in die Globalthemen Politik, Dynastische Beziehungen, Territorien, Kultur und Kunst, Wirtschaft und Technik verdeutlichen. Die Beziehungsgeschichte der drei Ausstellungsorte zum Haus Oranien-Nassau wird dabei wider Erwarten nicht in gesonderten Aufsätzen oder Kapiteln erörtert, sondern nur sporadisch und punktuell integriert, leider jedoch infolge des fehlenden Ortsregisters nicht auf Anhieb und gezielt auffindbar. Das vorliegende Werk stellt eine Dokumentation unterschiedlicher Autoren dar, deren Essays nicht ausschließlich Originalbeiträge sind; vielmehr hat der Herausgeber verschiedene aus anderen Anlässen und an anderer Stelle erschienene Erörterungen mit aufgenommen, um die Einsicht in das politisch-kulturelle Ambiente zu vertiefen, wie es etwas pathetisch im Vorwort lautet. Welche Autorisation sich daraus ergibt, die wirtschaftlichen und technischen Aspekte der oranischen Einflußnahme zu diskutieren, wie dies im abschließenden Kapitel geschieht, kommt darauf an, was man unter einem Einblick in die politisch-kulturellen Voraussetzungen und Wirkungsbedingungen versteht, und ist vorwiegend eine Interpretationsfrage des Begriffes Kultur. Interessant und arrondierend sind die drei resümierenden Studien über den Einfluß niederländischer Wirtschaft und Technik in Brandenburg-Preußen, im Rheinland und im Elbe-Weser-Dreieck ohnehin, und sie werden geschickt veranschaulicht durch die Wiedergabe des Reisetagebuches des Deichkonstrukteurs Ernst August Meier als Quellentext in originaler Diktion und Orthographie. Allerdings handelt es sich dabei überwiegend um eine Beschreibung von Land und Leuten und ihrer adäquaten agrikulturellen, handwerklichen, manufakturierenden und frühindustriellen Struktur mit plastischem Zeitkolorit, jedoch von hohem informativen Wert, wenn auch den kulturhistorischen Rahmen einer Darlegung niederländischer Kunst und Kultur sprengend. Der Anhang des Buches kann als eine besonders instruktive Abrundung und Vervollständigung dieser eindrucksvollen Publikation bezeichnet werden, vor allem die detailliert ausgearbeitete Zeittafel, gruppiert in die Bereiche Politik-Wirtschaft und Kunst-Religion-Wissenschaft. Eine Auswahlbibliographie niederländischer, deutscher und englischer themabezogener Literatur sowie ein prägnantes Personenverzeichnis schließen sich an. Der 57seitige Anmerkungsapparat hätte jedoch leserfreundlicher als Fußnoten aufgeschlüsselt werden sollen. Allein die Illustration, die sich bis auf das Titelbild auf Schwarzweiß-Darstellungen beschränkt, aber als ausgewogen und repräsentativ gelten kann und zur Auflockerung und Veranschaulichung der inhaltlich anspruchsvollen Texte beiträgt, dient als Anreiz zur Anschaffung bzw. zum Studium des in jeder Hinsicht wertvollen Bandes. Schon die Palette der Kunstarten - Radierungen, Aquarelle, Gravuren, Zeichnungen, Kupferstiche, Holzschnitte, Steindrucke, Gemälde, Fotografien - kennzeichnen die Sorgfalt der Aufmachung. Keineswegs störend und kaum auffallend ist die Tatsache, daß einige Abbildungen auch im Katalog auftauchen, z.B. aus der Reihe der politischen Sinnbilder und das eine oder andere Porträt, etwa der Amalia von Solms als Witwe mit dem Konterfei des Prinzen Friedrich Heinrich, um nur ein Gemälde zu nennen. Insgesamt zeigt die Auswahl der Bilder eine glückliche Hand, da sie nicht einseitig ist, wenn auch die teilweise ganzseitigen Porträts ein optisches Übergewicht besitzen. Landkarten, Bildnisse, Gruppenbilder, Münzen, politische Ikonographien, Grundrisse, Topographien, Genrebilder wurden textimmanent integriert. Trotzdem - und dies in der Hauptsache aufgrund der Wissenschaftlichkeit der 30 Artikel - stellt die Arbeit hohe Ansprüche an den Leser. Sie dürfte aber selbst die Erwartungen des an der Geschichte der Dynastie Oranien interessierten Lesers voll erfüllen, da hier wegen des reichhaltigen Spektrums unterschiedlicher Sujets und Aspekte keine Überlappung der an sich schon substanzreichen Literatur zum Thema Oranien-Nassau vorliegt, vielmehr eine äußerst ansprechende Ergänzung und Erweiterung.

Empfohlene Zitierweise:

Ulrich Schuppener: Rezension von: Horst Lademacher (Hg.): Onder den Oranje boom. Textband: Dynastie in der Republik. Das Haus Oranien-Nassau als Vermittler niederländischer Kultur in deutschen Territorien im 17. und 18. Jahrhundert, München: Hirmer 1999, in: INFORM 1 (2000), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=386>

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