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Gunther Franz / Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung (= Trierer Hexenprozesse; Bd. 4), Trier: Spee 1998, VII + 429 S., 4 Farbabb., ISBN 3-87760-126-X, DM 68,00

Aus: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 44 (1999)

Rezensiert von:
Ralf-Peter Fuchs
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Auf die bereits seit einigen Jahren erfolgreich praktizierte Zusammenarbeit von Franz Irsigler und Gunther Franz geht die Buchreihe Trierer Hexenprozesse zurück. Die hier erscheinenden Publikationen vor allem zu den Hexenprozessen im Kurfürstentum Trier, dem Herzogtum Lothringen und benachbarten Territorien, einer "Kernzone der europäischen Hexenverfolgungen" (S. 23), sind Bestandteil einer Vielfalt von Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft Hexenprozesse im Trierer Land. Der vorliegende Band umfaßt im wesentlichen die Forschungsbeiträge einer Tagung vom Oktober 1995 in Wittlich und Trier mit dem Titel Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung. Der Sammelband geht jedoch über eine reine Präsentation verschiedener methodischer Ansätze hinaus. Er vermittelt Grundlegendes zum Stand der aktuellen Hexenforschung, darüber hinaus auch etwas von der Bandbreite der Untersuchungsgegenstände, die sich mittlerweise auf diesem Feld herausgebildet haben.

In einem einführenden Aufsatz skizziert Franz Irsigler den zeitlichen Verlauf, den Umfang sowie motivische Hintergründe der Hexenverfolgungen im Alten Reich. Den Kern des Beitrages bildet die Auseinandersetzung mit in der Öffentlichkeit nach wie vor vorherrschenden Irrtümern: den Vorstellungen, die Verfolgungen hätten sich im finsteren Mittelalter ereignet, ihnen seien neun Millionen Menschen zum Opfer gefallen usw. Der weitverbreiteten Verengung der Ursachendiskussion im Hinblick auf die Geschlechterproblematik und der Fixierung auf bestimmte Tätergruppen wie etwa dem katholischen Klerus wird ein differenziertes Ursachenmodell gegenübergestellt, in das wichtige Erträge der Hexenforschung der letzten Jahre eingeflossen sind. Nimmt man den zweiten Beitrag des Autors im Sammelband noch hinzu, in dem Grundlinien einer regional ausgerichteten Hexenforschung aufgezeichnet werden, läßt sich festhalten, daß die hier mitgeteilten Informationen einen idealen Einstieg in das Thema der Hexenverfolgungen bieten.

Gunther Franz dokumentiert Programm und Tätigkeitsfelder der Arbeitsgemeinschaft Hexenprozesse im Trierer Land, in denen sich regionalhistorische Aktivitäten mit denen universitärer Forschungseinrichtungen verzahnen. Die Arbeit manifestiert sich u.a. im Teilprojekt eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs, das unter dem Titel Zauberei- und Hexenprozesse im Maas-Rhein-Moselraum, 15.-17. Jahrhundert an der Trierer Universität durchgeführt wird. Hervorgehoben wird hier insbesondere die Tätigkeit auf dem Gebiet der Edition. Das Vorhaben einer umfangreichen editorischen Aufbereitung von Hexenprozeßakten wird u.a. aus der Notwendigkeit abgeleitet, pseudowissenschaftliche Erkärungsmuster, wie etwa die Annahme eines Vernichtungsfeldzuges der frühmodernen Obrigkeiten gegen die Hebammen als weise Frauen, mit den Quellen ad absurdum zu führen.

Ein in vielerlei Hinsicht vergleichbares Projekt wird von Heide Dienst und ihrem Mitarbeiter Martin Scheutz vorgestellt. Seit 1989 ist an einer Edition der österreichischen Hexenprozeßakten gearbeitet worden. Ziel war, mit einigen Ausnahmen, eine flächendeckende Bearbeitung der Überlieferung im heutigen österreichischen Staatsgebiet. Die heutige Kontroversität des Hexenthemas wie auch die Vielfältigkeit der Interpretationsansätze werden als Argumente für den immensen Arbeitsaufwand ins Feld geführt. Daneben werden die editorischen Grundsätze erläutert und die spezifischen Probleme der Arbeit anhand einer Beispielquelle aus dem 18. Jahrhundert erörtert. Es ist bedauerlich, daß der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung in Österreich die finanzielle Unterstützung der Arbeiten eingestellt hat. Gespannt darf man immerhin hinsichtlich einer Publizierung von Teilergebnissen der Arbeitsgruppe sein.

In eine völlig andere Richtung gehen die konzeptionellen Überlegungen im Beitrag von Walter Rummel. Der Autor problematisiert den Begriff Alltagsgeschichte und plädiert für die Verwendung des Begriffs Erfahrungsgeschichte (S. 81). Die breite Befürwortung von Hexenprozessen seitens der Untertanen wird vor dem Hintergrund eines sich in vielen Bereichen verändernden Alltags gedeutet. Eine zunehmende Marktorientierung ließ das Konfliktpotential unter Nachbarn wachsen, u.a. auch das Vordringen von Buchwissen lieferte Erklärungsmuster für Erfolg auf der einen, Mißerfolg auf der anderen Seite. Auf der Basis seiner umfangreichen Studien zu Kurtrier und Sponheim konstatiert der Autor einen Verdrängungswettbewerb innerhalb der lokalen Ober- und Mittelschichten, in dem Denunziationen und die Durchführung von Prozessen eine wichtige Rolle einnahmen. Nicht Leichtgläubigkeit der Untertanen, sondern konkrete Chancen zur Alltagsbewältigung bildeten hier einen wesentlichen Hintergrund der Hexenverfolgungen.

Auch Robin Briggs widmet seinen Beitrag dem Verhalten von Nachbarn unter den Bedingungen der konkreten rechtlichen Möglichkeiten, sich mit Zaubereiklagen an die Obrigkeiten zu richten. Ausgehend von der Fragestellung, warum vielfach sehr viel Zeit zwischen konkreten Schadensereignissen wie Todesfällen, Viehkrankheiten etc. und Hexenprozessen verging, wird das Verhalten von Beschuldigten bis zur Einleitung von Verfahren untersucht. Basis bildet dabei das Studium lothringischer Akten. Nachgezeichnet werden verschiedene Strategien, die von Versöhnungsgesten über die konsequente Leugnung der Schuld bis hin zu retorsiven Reaktionen wie Gegenbeschuldigungen reichten. Auch auf einige Rügeverfahren gegen Hexereibeschimpfungen wird eingegangen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Frage, warum offensichtlich nicht auf die Möglichkeiten, die der römisch-kanonische Injurienprozeß bot, zurückgegriffen wurde. Insgesamt wird deutlich, daß der Umgang der Bevölkerung mit dem Hexereiverdacht sehr "subtil" war (S. 128). Auch diejenigen, die sich als Geschädigte fühlten, sahen nämlich lange Zeit von Anklagen ab, da sie konkrete Angst vor den vermeintlichen Zauberern hatten, hohe Prozeßkosten scheuten und sich teilweise zudem der Tatsache bewußt waren, daß eine Verstrickung in Hexenprozesse auch für die Ankläger unkalkulierbare Folgen haben konnte.

Einen Überblick über den Forschungsstand hinsichtlich städtischer Hexenverfolgungen gibt Johann Dillinger. In seinem Beitrag geht es insbesondere um die Frage nach spezifischen "Grundvoraussetzungen und -formen" (S. 129). Verfolgungen in Klein- und Mittelstädten wiesen in der Regel zahlreiche Ähnlichkeiten mit denen in ländlichen Regionen auf. So sind keine grundlegenden Unterschiede im Hinblick auf Hexereiimaginationen und die Entstehung von Verdachtsmomenten auszumachen. Für größere Städte läßt sich allerdings festhalten, daß die Verfolgungsaktivitäten relativ gering waren. Als Erklärung wird eine allgemein größere Distanz der Bevölkerung gegenüber Gerüchten angeführt. Vor allem wird dies aber darauf zurückgeführt, daß die städtischen Eliten, denen eine tragende Rolle im Hinblick auf die Durchführung der Justiz zukam, zumeist wußten, welche Gefahren Hexenprozesse für die innere politische Stabilität und die eigene Machtposition mit sich bringen konnten.

Auf Opfer, Täter und Gegner der Hexenverfolgung wird in einem weiteren Block des Sammelbandes eingegangen: Adolf Kettel zeigt anhand einiger Beispiele aus der Grafschaft Blankenheim und weiteren Gebieten, daß auch Kleriker häufiger zu Opfern der Verfolgungen wurden. Jutta Nowosadtko verdeutlicht am Beispiel des bayerischen Nachrichters Johann Georg Abriel, daß die Hexenprozesse das Berufsbild des Scharfrichters beeinflußten. So wurde etwa die Nadelprobe zu einem wichtigen Element des Berufswissens noch über die Zeit der Verfolgungen hinaus. Die Zunahme der Hinrichtungen schlug sich zudem in steigenden Profiten nieder. Ebenso läßt sich für die Hochphasen der Hexenprozesse konstatieren, daß die zunehmende Zahl von Hinrichtungen als berufliche Herausforderung begriffen wurde und eine professionelle Ausführung der obrigkeitlichen Aufträge intern das Prestige steigen ließ. Erst mit zunehmender Skepsis gegenüber den Hexenverfolgungen wurden Negativbilder vom Scharfrichter aus Massenhinrichtungen abgeleitet.

Mit dem Stand der Juristen und Rechtsgelehrten befassen sich mehrere Beiträge. Rita Voltmer zeichnet die Karriere des Hexenrichters Claudius Musiel nach, der während seiner Tätigkeit im Amt St. Maximin bei Trier akribisch über Hinrichtungen und Besagungen Buch führte. Grundlage der Auseinandersetzung mit seiner Person bilden intensive Archivstudien, die u.a. genealogische Hintergründe aufhellen und seinen Aufstieg über den Habitus pflichtbesessener Loyalität nachvollziehen lassen. Othon Scholer beschäftigt sich in zwei Aufsätzen mit der zeitgenössischen Kontroversität der Hexenprozesse. Das Wirken des Theologen Cornelius Loos gegen die Dämonologie des Petrus Binsfeld wird anhand der in Köln und Trier aufbewahrten Originalschriften erläutert. Ebenso werden konkrete Bezüge zu den Trierer Prozessen und Verhältnissen in diesen und anderen Schriften, u.a. von Martin Del Rio, dargestellt. In einem weiteren Aufsatz weist Johann Dillinger nach, daß die vernichtende Kritik an den Hexenprozessen durch Friedrich von Spees Cautio Criminalis bereits 1636 in der Kleinstadt Oberndorf am Neckar Früchte trug. Der dortige Pfarrer Dr. Justus Haußmann hielt, während die Justiz Hexenverfolgungen betrieb, eine Predigt, in der er sich wesentlich auf die Schrift Spees stützte.

Im Band sind schließlich zwei weitere Aufsätze zur Verbildlichung von Hexerei- bzw. Zaubereivorstellungen enthalten. Elisabeth Biesel untersucht Beschreibungen des Teufels und von Hexentänzen in den Geständnissen der Angeklagten. Über die Geständnisprotokolle wird versucht, sich der magischen Vorstellungswelt der ländlichen Bevölkerung anzunähern. Der Rechtshistoriker Wolfgang Schild geht Bezügen von Text und Bild im frühneuzeitlichen Hexenschrifttum nach. Titelkupfer und weitere Abbildungen trugen etwa dazu bei, juristische Sachverhalte anschaulich zu vermitteln. Die Abbildungen unterlagen aber auch ästhetischen Prinzipien, was im Hinblick auf den Versuch einer Darstellung des Bösen, Teuflischen nicht unproblematisch war.

Ein Orts- und ein Personenregister machen den Sammelband zu einem wichtigen Nachschlagewerk für die weitere Erforschung der Hexenprozesse vor allem im Maas-Mosel-Saar-Raum. Es bleibt zu wünschen, daß ihm eine breite Aufmerksamkeit zuteil wird.

Empfohlene Zitierweise:

Ralf-Peter Fuchs: Rezension von: Gunther Franz / Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, Trier: Spee 1998, in: INFORM 1 (2000), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=366>

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