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Susanne König-Lein (Red.): Nichts als Natur und Genie. Pascha Weitsch und die Landschaftsmalerei in der Zeit der Aufklärung. Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum 22. Oktober 1998 bis 17. Januar 1999, Wolfenbüttel: Herzog-August-Bibliothek 1998, 163 S., DM 39,80

Aus: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte (Bd. 80 (1999), S. 291 - 292)

Rezensiert von:
Rudolf-Alexander Schütte

Ausstellungen mittlerer Größenordnung, die nicht mit international bekannten Namen oder einem größeren Themenkomplex aufwarten können oder wollen und nicht von einem maximalen Werbeaufwand begleitet werden, haben es in Zeiten der auf Masse bedachten Großausstellungen schwer, Beachtung und Aufmerksamkeit zu finden. Doch gerade diese Ausstellungen sind es, die wichtige Themen aufgreifen und vermitteln, und wenn sie nach dem Ende der eigentlichen Ausstellungen noch Bestand haben, so liegt es an den sie begleitenden Katalogen, die lesbar bleiben, weil sie nicht gleich mit in Kilogramm gerechneter Masse zu erschlagen versuchen. Den Katalog einer solchen Ausstellung über den Braunschweiger Landschaftsmaler Pascha Johann Friedrich Weitsch (1723-1803), dessen 275. Geburtstag zum Anlaß der Ausstellung genommen wurde, gilt es hier anzuzeigen. Der Katalog gliedert sich in den 53 Nummern umfassenden Katalogteil mit der detaillierten Beschreibung und Kommentierung der ausgestellten Werke und einen vorangestellten Aufsatzteil. Der Aufsatzteil wird eingeleitet von einer durch R. Wex transkribierten und kommentierten, handschriftlichen Biographie des Malers, die offenbar als Vorlage für den Nachtrag zum Weitsch-Artikel im 1816 in Zürich erschienenen dritten Band von Füsslis Allgemeinem Künstlerlexikon herangezogen wurde. Schon Annedore Müller-Hofstede hat in ihrer 1973 erschienenen Weitsch-Monographie auf diesen Text und seine Bedeutung hingewiesen; ihn einleitend den Aufsätzen voranzustellen bietet einen gelungenen Einstieg zur Beschäftigung mit Pascha Weitsch und ist überdies ein Lesevergnügen, bei dem man sich entfernt an "Anton Reiser" von Karl Philipp Moritz erinnert fühlt, allerdings mit dem Unterschied, daß die Entwicklung der Biographie von Weitsch einen auskömmlicheren Verlauf als die des Moritzschen Helden nahm. Ergänzend zu dem geschriebenen Lebenslauf von Pascha Weitsch findet der Katalogleser die wichtigsten Daten zum Maler und seiner Familie überblicksartig zusammengestellt.

Daran anschließend beschreibt S. König-Lein Pascha Johann Friedrich Weitsch im Urteil seiner Zeitgenossen. Die erstaunlich homogenen Aussagen der Zeitgenossen ordnet König-Lein bestimmten Themenkreisen zu, etwa den Charaktereigenschaften oder der patriotische Gesinnung von Weitsch. Besonders werden die Anfänge von Weitschs Malerei, das Erlernen der Malerei ohne Lehrer, die auch bei anderen berühmten Malern im Nachhinein oft zur Künstlerlegende überhöhten Anfänge, behandelt. A. Walz beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Porzellanmaler Pascha Weitsch. Überzeugend, aus seiner profunden Kenntnis des Fürstenberger Porzellans schöpfend, plädiert Walz für eine Revidierung und Reduzierung der von Müller-Hofstede Weitsch zugeschriebenen Porzellanmalereien. Im Mittelpunkt der Argumentation von Walz steht das 1763 von Herzog Carl an Weitsch in Auftrag gegebene Tafelservice mit den "Städten, Pflecken, Ämtern und Dörfern aus dem Braunschweigischen Lande", das er dem 1773 für Karl Wilhelm Ferdinand gefertigtem Service gegenüberstellt, welches Weitsch abgeschrieben wird.

Die beiden letzten Beiträge des Aufsatzteiles von J. Hermand und P. Albrecht beleuchten die zeitgenössische, kulturpolitische Situation in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und erlauben so, Weitschs Malereien in einen größeren Rahmen zu stellen. Es geht einerseits um die touristische Erschließung und Nationalisierung des Harzes vor dem Hintergrund der dreimaligen Brockenbesteigungen durch Pascha Weitsch in den Jahren zwischen 1780 und 1787, in dem Aufsatz von Hermand, und andererseits um die Herausbildung der Metapher von der "deutschen" Eiche, vornehmlich durch Klopstocks "Hermannsschlacht" von 1767, in dem Beitrag von Albrecht. Ausgangspunkt Albrechts sind die zahlreichen Bilder von Pascha Weitsch, in denen einzelne Eichen und Eichenwälder eine tragende Rolle spielen. Albrecht spannt den Bogen von Tacitus bis in die Napoleonische Zeit, wobei fast beiläufig auch Einsichten über die Funktion von Eichenwäldern vermittelt werden, die beispielsweise auch zur Eichelmast dienten, die die zahlreichen Kühe und Hirten auf Weitschs Bildern erklären (und die nicht etwa aus kompositorischen Gesichtspunkten heraus zu verstehen sind).

Der Katalogteil gibt in chronologischer Reihenfolge einen Querschnitt durch das Werk von Pascha Weitsch und stellt seine Werke zeitgenössischen Malern und Vorbildern, vornehmlich niederländischen Malern, die Weitsch in der Gemäldegalerie von Salzdahlum studieren konnte, gegenüber. Daß die eingangs gelobten mittelgroßen Ausstellungen nicht frei im Raume hängen und nicht nur um Beachtung, sondern ganz vordergründig auch um Mittel kämpfen müssen, wird auch an dem Weitsch-Katalog deutlich. In der Ausstellung selbst war im Kupferstichkabinett des Museums, unter der Einrichtung von T. Döring, auch eine eindrucksvolle Auswahl von Weitsch-Zeichnungen (und wenigen Radierungen) zu sehen, die auf einem Faltblatt beschrieben wurden, das aber nicht zum Katalog gehörte. So blieben die Zeichnungen im Katalog aus finanziellen Gründen unberücksichtigt, sieht man von den wenigen, winzig klein abgebildeten Zeichnungen zu Vergleichszwecken einmal ab. Dennoch, es ist ein handhabbarer, lesbarer und sehr empfehlenswerter Katalog entstanden, dessen Initiator, Reinhold Wex, man wünscht, daß er sich weiter mit Pascha Johann Friedrich Weitsch beschäftigt.

Empfohlene Zitierweise:

Rudolf-Alexander Schütte: Rezension von: Susanne König-Lein (Red.): Nichts als Natur und Genie. Pascha Weitsch und die Landschaftsmalerei in der Zeit der Aufklärung. Ausstellung im Herzog Anton Ulrich-Museum 22. Oktober 1998 bis 17. Januar 1999, Wolfenbüttel: Herzog-August-Bibliothek 1998, in: INFORM 1 (2000), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=353>

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