sehepunkte 20 (2020), Nr. 1

Cassandra Mark-Thiesen: Mediators, Contract Men, and Colonial Capital

Mit ihrer Untersuchung von Arbeitsmobilisierung an der Goldküste legt Cassandra Mark-Thiesen eine differenzierte Studie vor, die die wirtschaftlichen und sozialen Umstände, unter denen in den Goldminen von Wassa im späten 19. Jahrhundert gearbeitet wurde, hinsichtlich der verschiedenen beteiligten Akteursgruppen unter die Lupe nimmt. Besondere Aufmerksamkeit widmet sie den indigenen Arbeitsagenten, die informelle sowie vertraglich geregelte Arbeitsbeziehungen wesentlich mitgestalteten und mitbestimmten und dadurch eine zentrale Rolle für die koloniale Arbeiterpolitik in Westafrika einnahmen. Es gelingt ihr, die Dynamik der Beziehungen zwischen afrikanischen Arbeitsagenten, Arbeitern, europäischen Konzessionen und der Kolonialverwaltung nachzuzeichnen, die nach dem rechtlichen Ende der Sklaverei in Westafrika von neuen Handlungsspielräumen und neuen Abhängigkeiten geprägt waren. Trotz ihrer privilegierten Position gelang es den Magnaten nicht, die Macht des Kolonialstaates für die Minen zu vereinnahmen, was von afrikanischen Zwischenmännern genutzt werden konnte, die die Rekrutierung von Arbeitskräften übernahmen und ein System von "voluntary bondage" (11) etablierten.

Mark-Thiesens Untersuchung deckt den Zeitraum zwischen den ersten großen Goldfunden in Wassa und dem zweiten Goldboom, der im Zuge des Baus der Eisenbahn und der kriegsbedingten Schließung der Goldminen am Witwatersrand seinen Höhepunkt erlebte. Sie beginnt im ersten Kapitel mit einer Darstellung der Transformationsprozesse, denen Professionalisierung, Kapitalisierung und Technologie in den Goldminen von Wassa unterlagen, und die zur Folge hatten, dass die politische Beziehung zwischen der Kolonialverwaltung und den Minen recht lose und von wirtschaftlichem Pragmatismus geprägt war. Kapitel 2 untersucht die Reaktion des Arbeitsmarktes auf diese Entwicklung. Während auf den Konzessionen unterschiedliche Arbeitsverhältnisse parallel existierten, lagerten die Goldminen zunehmend die Rekrutierung von Arbeitskräften an zumeist liberische Arbeitsagenten aus, die selbst direkt für Anstellung, Transport, Training und Aufsicht ihrer Arbeitertrupps sowie für deren soziale Belange für die Dauer des Vertrags zuständig waren. In Kapitel 3 folgt Mark-Thiessen den neuen Rekrutierungsnetzwerken, die während des zweiten Goldbooms entstanden, als sich die Goldminen die Anwerbung von Arbeitern aus Liberia nicht mehr leisten konnten. Die Rekrutierung von Arbeitern wurde von neuen Akteuren übernommen, unter ihnen auch afrikanische Frauen und Europäer, die zunehmend unabhängig operierten, eigenes Kapital in die Rekrutierung investierten und die den Minen entsprechend weniger Loyalität entgegenbrachten. Die Rolle des Government Transport Departments für die Rekrutierung von Arbeitskräften wird in Kapitel 4 untersucht. Die Kolonialbehörde übernahm Rekrutierungsaufgaben, trat aber zudem auch politisch für eine konsistente Regelung der Arbeitsverhältnisse auf den Konzessionen ein und verstand sich als Vermittler zwischen Arbeitern, Goldminen und Kolonialverwaltung. Mit dem Ende des zweiten Goldbooms gingen die Goldminen zunehmend dazu über, in den Northern Territories Arbeiter mit Hilfe lokaler Oberhäupter zu rekrutieren (Kapitel 5). Das daraus resultierende System von Zwangsarbeit wird den Mobilisierungsstrategien der afrikanischen Arbeitsagenten und des Government Transport Departments entgegengesetzt.

Cassandra Mark-Thiesen erzählt die Geschichte der Goldminen von Wassa als eine Arbeitergeschichte mit globaler Dimension. Der Fokus auf die indigenen Arbeitsagenten und deren Mobilisierung von Arbeitern ermöglicht ihr einen offenen Blick auf Akteure, die in den Kolonialarchiven zumeist nur als Randfiguren auftauchen, die aber zentrale Schaltstellen in der kolonialen Wirtschaft einnahmen und eine nuanciertere Untersuchung von Arbeit, Industrie und der Globalisierung der Wirtschaft an der Goldküste ermöglichen. Sie verwendet Quellen, die die Stimmen einer Vielfalt von beteiligten Akteuren repräsentieren und neben dem Staat, Managern und Mediatoren auch Arbeiter zu Wort kommen lassen. Dieses vergleichbar hohe Maß an Multiperspektivität zahlt sich vor allem dann aus, wenn Mark-Thiesen individuellen Akteuren folgt, um die Janusköpfigkeit des indigenen Rekrutierungssystems zwischen Freiwilligkeit und Handlungsmacht auf der einen und offensichtlich ungleich verteilten Machtverhältnissen auf der anderen Seite zu beleuchten.

In ihren Schlussfolgerungen bleibt die Studie stark in Erklärungsmustern der Arbeitergeschichte verhaftet. Die Politik der Arbeitsmarktkontrolle, die von lokalen Akteuren ausgehandelt wurde, so etwa ein Interpretationsstrang, reflektiere die Fähigkeit dieser Akteure, flexibel auf die verschiedenen Modelle von Arbeitsverhältnissen zu reagieren und sei daher als lokale Antwort auf den Kapitalismus in Form der zunehmend mechanisierten Goldbergbauindustrie zu verstehen (158-159). Für ein weiterführendes Verständnis der verschiedenen Handlungsstrategien indigener Akteure hätte ein kulturgeschichtlicher Zugang einen zentraleren Platz verdient, um etwa in der Einordnung von Handlungsmotivationen und -spielräumen indigener Arbeiter und Rekrutierer die Logiken des kolonialen Arbeitsmarktes zu hinterfragen.

Rezension über:

Cassandra Mark-Thiesen: Mediators, Contract Men, and Colonial Capital. Mechanized Gold Mining in the Gold Coast Colony, 1879-1909 (= Rochester Studies in African History and the Diaspora), Rochester, NY: University of Rochester Press 2018, XII + 217 S., 4 Kt., 6 s/w-Abb., 10 Tab., ISBN 978-1-58046-918-0, GBP 35,00

Rezension von:
Luise Fast
Universität Bielefeld
Empfohlene Zitierweise:
Luise Fast: Rezension von: Cassandra Mark-Thiesen: Mediators, Contract Men, and Colonial Capital. Mechanized Gold Mining in the Gold Coast Colony, 1879-1909, Rochester, NY: University of Rochester Press 2018, in: sehepunkte 20 (2020), Nr. 1 [15.01.2020], URL: https://www.sehepunkte.de/2020/01/31894.html


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