Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Bernhard Löffler, Regensburg


Hans-Ulrich Wiemer: Theoderich der Große. König der Goten, Herrscher der Römer. Biographie, München: C.H.Beck 2018, 790 S., 17 Kt., 9 Farb, 37 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-71908-0, EUR 34,00.
Das ist eine wichtige und wuchtige Biographie, die auch den Nicht-Althistoriker nachhaltig beeindruckt und anspricht. Den Landeshistoriker tangiert sie thematisch ohnehin etwas, gilt das zur Rede stehende 5./6. Jahrhundert doch als Ursprung der sog. "Stammesherzogtümer", auch des bayerischen. Wesentlicher ist freilich, dass Wiemer die Zeit und Herrschaft seines "Helden" in einer ausgesprochenen Transformationsepoche für generellere strukturhistorische Aufschlüsse nutzt. Er macht aus der Lebensgeschichte in überlieferungsarmer Zeit ein faszinierendes Panorama, das neben den (politischen) Ereignissen Fragen der schleichenden institutionellen Übergänge im verwickelten Neben- und Miteinander von Römern und Goten, der komplexen gesellschaftlichen Ordnung und nicht zuletzt der kritischen Historiographie- und Begriffsgeschichte (u.a. zu ethnischen Deutungsmustern wie "Stamm") einbezieht und alle diese Ebenen miteinander verwebt. Bemerkenswert ist dabei nicht nur der hohe Grad an methodischer Reflexion und inhaltlicher Kontextualisierung, sondern auch der glänzende und plastische, Analyse und Quellennähe verbindende Schreibstil - auch das macht die Lektüre zu Weihnachten empfehlenswert.

Peter Frankopan: Licht aus dem Osten. Eine neue Geschichte der Welt, Berlin: Rowohlt 2016, 944 S., ISBN 978-3-87134-833-4, EUR 39,95.
Alles eine Frage der Perspektive - Historiker und zumal die Leser der "sehepunkte" wissen das natürlich, aber es schadet nicht, es sich immer wieder zu vergegenwärtigen. Das Buch von Peter Frankopan kann uns hier helfen und nützlich sein. Er beschreibt und interpretiert Weltgeschichte nicht mit dem Blickwinkel von Europa aus (obwohl der Autor selbst Europäer ist) und zentriert seine Erzählung bewusst nicht um "den Westen" oder den "langen Weg" dahin. Im Zentrum steht bei Frankopan der Osten - von daher kommt das Licht, und das meint nicht zuletzt die interpretatorische Grundperspektive. Das Buch ist gleichermaßen anregend wie informativ: anregend, weil es die Verhältnisse von Zentralität und Peripherie verschiebt und den Orient zum eigenständigen Faktor mit engen historischen Verbindungen zum "Westen" macht; informativ, weil es darüber hinaus einen zeitlich weiten Bogen schlägt und einen epochenübergreifenden Durchzieher bietet von der antiken Welt und dem Aufstieg des Islam bis hin zu den Öl- und politischen Krisen des 20. Jahrhunderts.

Hans Woller: Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam. München: C.H.Beck 2019, 352 S., 29 s/w-Abb., ISBN 978-3-406-74151-7, EUR 22,95.
Zeitgeschichte als Sportgeschichte - spätestens seitdem verzogene Bürschchen, die nach einem Ball treten, zu medial gehypten und ökonomisch vermarkteten Superstars mit ersatzreligiösem Kultstatus werden, kann das ein guter Zugangsschlüssel für den Zustand von Gesellschaft sein. Hans Woller wählt ein frühes Beispiel: Gerd Müller, den "Bomber der Nation", und zeichnet seinen Weg nach vom armen Provinzkicker zum Weltstar im gloriosen Bayern-Ensemble der 60er und 70er Jahre um Beckenbauer und Maier und dann hinein in den Absturz mit deprimierender Alkoholsucht. Daneben dient die Biografie Müllers und die mit ihm verbundene Fußballszenerie aber vor allem auch als Spiegel für gesellschaftliche Wandlungen und, konkreter noch, für kritische Fragen nach nicht selten etwas halbseidenen Finanzpraktiken, nach dem Geschäft zwischen Sport, Show und Parteipolitik in der Inkubationszeit des modernen, kapitalistischen Profifußballs.

Torben Kuhlmann: Armstrong. Die abenteuerliche Reise einer Maus zum Mond, Zürich: NordSüd Verlag 2016, Sonderausgabe '50 Jahre Mondlandung' 2019, 128 S., ISBN 978-3-314-10348-3, EUR 20,00.
Das maßgebliche Werk zum zeitgeschichtlichen Jubiläum Mondlandung! Die Verschwörungstheoretiker wissen es natürlich schon längst, die Sache mit dem Mond war Fake und Inszenierung. Hier aber kommt die ultimative, die einzig wahre Story: Vor den Menschen waren die Mäuse auf dem Mond, genauer gesagt: die umtriebige Entdeckermaus Nils Armstrong, mit selbst gebastelter Mondrakete und einer kleinen Mondflagge, die dann Kollege Neil Armstrong findet und verschweigt. Und auch der legendäre Spruch war selbstverständlich geklaut und lautete ursprünglich ganz anders: "Ein kleiner Schritt für die Maus, ein großer für die Mausheit". Ein wunderbares Kinderbuch - tolle Geschichte, schöne Bilder, witzige Dialoge. Das Ganze gibt es auch als genussvolles Hörbuch mit einem urkomischen, wandelbaren Bastian Pastewka in allen Rollen.

Christoph Ransmayr: Cox oder Der Lauf der Zeit Roman. Frankfurt a.M.: S. Fischer 2016, 304 S., ISBN 978-3-10-082951-1, EUR 22,00.
Mein absoluter Favorit, belletristisch, aber gerade auch für Historiker von Interesse. Der Roman handelt von der Zeit und vom Streben, diese zu beherrschen. Eingebettet ist dieses Grundthema in eine historische Szenerie und gut erfundene Geschichte des 18. Jahrhunderts. Der Kaiser von China, Herr über die Menschen und über alles Mögliche und eben auch über die Zeit, holt sich den berühmtesten Uhrmacher seiner Epoche, den Engländer James Cox, in sein Reich. Cox gab es wirklich, dem Kaiser allerdings ist er nie begegnet. Im Roman soll er ihm eine Uhr bauen, die den kaiserlichen Ansprüchen entspricht, die ewige Zeit misst und die Vergänglichkeit besiegt. Ransmayr ist ein Meister seines Metiers mindestens ebenso wie Cox als Uhrmacher: nie geschwätzig oder übermäßig ausladend, sondern mit einer ganz wundervoll konzentrierten, bezaubernd poetischen Sprachkunst. Man sollte ihn am Ende der Buchreihe lesen, denn sprachlich und vom Lesevergnügen her ist er nicht zu übertreffen.