sehepunkte 19 (2019), Nr. 4

Duane W. Roller: Cleopatra's Daughter

Mächtige Frauen beschäftigen die Forschung in den letzten Jahrzehnten zusehends. Dies gilt vor allem für die Kaiserinnen des Römischen Reichs, wie unter anderem bei Anne Kolbs Band über die Augustae [1] oder Anja Buschs Abhandlung über die Frauen der theodosianischen Dynastie [2] deutlich wurde. Eng verbunden mit diesem Gebiet ist die Frage nach Legitimationsstrategien. Wirft man nun einen Blick auf die Publikationen der vergangenen Jahre, wird schnell klar, dass das Material zahlreich ist, jedoch hauptsächlich die einflussreichen (Ost)Römerinnen betrachtet.

Hier setzt Duane Roller mit seiner Monographie über die Frauen der augusteischen Epoche an. Gemeint sind in diesem Fall nicht gut bekannte Protagonistinnen wie Livia oder Antonia, sondern Herrscherinnen aus den östlichen Klientelreichen. Dass Roller in dieser Hinsicht kein unbeschriebenes Blatt ist, zeigt sich an der Liste seiner Veröffentlichungen. Diese beinhaltet unter anderem eine Kleopatra-Biographie (Oxford, 2010) und einen Band über Juba II. sowie dessen Frau Kleopatra Selene (New York/London, 2003).

Bereits im Vorwort wird deutlich, von welcher Bedeutung der Einfluss weiblicher Führungspersönlichkeiten für die Konsolidierung der Klientelreiche war. Es schließen sich einige hilfreiche Materialien an, wie eine Karte der angesprochenen Königreiche sowie ein Stammbaum, der die Verbindungen der thematisierten Frauen untereinander veranschaulicht.

Die Einleitung liefert einen guten Überblick über die Entwicklung der Klientelkönigreiche. Auch die Quellenlage findet ihre Erwähnung: Die Biographien weiblicher Herrscher lassen sich um einiges schwerer nachverfolgen als die ihrer männlichen Standesgenossen. Das hauptsächliche Problem hierbei liegt darin, dass sich die Frauen in literarischen Quellen oft nur durch Berichte über ihre Männer fassen lassen. Die reine Repräsentation einer weiblichen Herrschergestalt in Schriftquellen ist eher eine Ausnahme, doch schaffen hier auch Münzen, Inschriften und Plastiken Abhilfe (4-5).

Im ersten Kapitel erfolgt eine Klärung der Begrifflichkeiten. Den heute gebräuchlichen Terminus "Königin" bezeichnet Roller als nicht völlig korrekt, da dieser den Nuancen des griechischen "basilissa" nicht gerecht wird. Er folgert, dass mit dieser speziellen Bezeichnung die tatsächliche Beherrschung oder Verwaltung eines Landes verbunden war (7-9).

Der Autor beginnt die folgende Reihe von acht Kapiteln, die jeweils einer oder mehreren Herrscherinnen gewidmet sind, mit Kleopatra Selene - der Tochter des Triumvirn Marcus Antonius und Kleopatra VII. Nach dem Tod ihrer Eltern wurde sie nach Rom gebracht und dort zusammen mit den Kindern anderer Klientelherrscher im Hause der Octavia erzogen (30-35). Hier traf sie auch ihren zukünftigen Mann Juba II., dem sie später nach Mauretanien folgte. Roller arbeitet schlüssig heraus, wie die Königin ihre Repräsentation auf dem ptolemäischen Erbe aufbaut und gleichberechtigt Macht ausübt (35-43).

Im nächsten Kapitel betrachtet Roller das Leben der Glaphyra von Kappadokien, der Tochter des Klientelherrschers Archelaos IV. Sie heiratete zuerst Alexander von Judäa, einen Sohn Herodes des Großen. Diese Ehe fand jedoch ihr Ende durch die Hinrichtung Alexanders aufgrund einer angeblichen Verschwörung, woraufhin Glaphyra um 1 n. Chr. den mittlerweile verwitweten Juba II. heiratete (49-56). Obwohl außer einigen Münzen (57) keine weiteren Quellen oder Belege für politische Aktivitäten ihrerseits bekannt sind, möchte Roller Glaphyra als einflussreiche Person verstanden wissen. Bei dieser Interpretation stellt sich die Frage, ob diese Macht tatsächlich von der Königin selbst ausging, oder ob sie als "Spielball" der damaligen Heiratspolitik gesehen werden muss.

Anschließend wird uns Salome von Judäa, die Schwester Herodes des Großen, vorgestellt. Obwohl auch sie mehrere Ehen mit machtpolitischer Motivation schloss, ist sie wesentlich präsenter und regierte de facto nach dem Tod ihres Bruders das Reich (64-73). Durch dessen Testament und den Beistand des Augustus erhielt Salome einige Gebiete, die sie alleine verwaltete (73-74).

Auch die Protagonistin des nächsten Kapitels, Dynamis von Bosporus, ist hauptsächlich über Inschriften und Münzen zu fassen (83-85). Wie viele royale Frauen ihrer Zeit wurde sie wegen ihrer Abstammung als Legitimationsinstrument genutzt. Nach dem Tod ihres Mannes, Asandros, regierte sie das Reich für einige Zeit selbstständig, bis ihr Augustus Polemon von Pontos an die Seite stellte. Da sie auch diesen überlebte, regierte sie den letzten Abschnitt ihres Lebens abermals alleine (83-89). Hier überzeugt besonders der kritische Umgang Rollers mit dem Quellenmaterial (94-95).

Es folgt ein Kapitel über Pythodoris von Pontos, deren Leben von Strabon dokumentiert ist (105-108). Ihre guten Beziehungen zum römischen Kaiserhaus, insbesondere zu Livia, ließen sie alle Vorwürfe gegen ihren zweiten Ehemann überstehen, und sie regierte Pontos bis zu ihrem Tod (108-115).

Die letzten Frauen, denen ein Kapitel gewidmet wird, sind Aba von Olbe und Mousa von Parthien. Über beide gibt es nur spärliche Quellen. Aba herrschte zur gleichen Zeit wie Kleopatra VII. und bat diese um Hilfe (122). Die Biographie von Thea Mousa liest sich eher wie ein typisches Märchen - vom Sklavenmädchen zur Königin. Der Autor hat sicher recht, wenn er hier insbesondere auf die Stereotype verweist, mit denen mächtige Frauen gerne bedacht werden (127).

Den Abschluss bildet ein Abschnitt, in dem Roller die vorher beschriebenen orientalischen Königinnen einer römischen Matrone gegenüberstellt und die Position selbiger erklärt. Hierbei verdeutlicht er, dass auch in Rom Frauen zunehmend an Einfluss gewannen, obwohl dieser andere Ausprägungen hatte. Als Beispiele dienen ihm vor allem Octavia und Livia (129-140). Die Beziehung der Königinnen zu den beiden mächtigsten Frauen Roms wird nun nochmals ausführlicher thematisiert, ebenso wie die Rolle, die Kleopatra und Antonius als Vorbilder für ihre Nachfolgerinnen gespielt haben (142-146).

Es folgen zwei Appendizes zu Flavius Josephus und Nikolaos von Damaskus sowie über die etwaige Identität der biblischen Salome.

Roller bestreitet zu keinem Zeitpunkt, dass das Quellenmaterial zu den von ihm vorgestellten Königinnen oftmals rar gesät ist, und dennoch kann er daraus glaubhafte Biographien erstellen. Dort, wo etwas unsicher bleiben muss, macht er dies auch deutlich und bietet unaufdringlich diverse Lösungsmöglichkeiten an. Positiv hervorzuheben sind zudem die zahlreichen Quellen aus diversen Gattungen, die er für seine Recherchen zusammentragen konnte. Die Literaturliste bietet einen guten Überblick über die Forschung und reicht bis ins Jahr 2016.

Bemerkenswert sind noch die Herausarbeitung der Beziehungen der Königinnen untereinander sowie der ständigen Kontakte zu den Frauen des römischen Kaiserhauses und zu Antonius und Kleopatra. Es gelingt Roller ausnahmslos, dieses höchst interessante und komplizierte Geflecht darzustellen. Wer sich mit der Geschichte mächtiger Frauen auseinandersetzt, findet in Rollers Werk eine aktuelle und wichtige Ergänzung zu weiblichen Herrschern am Rande des Römischen Reiches.


Anmerkungen:

[1] Anne Kolb (Hg.): Augustae. Machtbewusste Frauen am römischen Kaiserhof? Herrschaftsstrukturen und Herrschaftspraxis II. Akten der Tagung in Zürich 18.-20.09.2008, Berlin 2010.

[2] Anja Busch: Die Frauen der theodosianischen Dynastie. Macht und Repräsentation kaiserlicher Frauen im 5. Jahrhundert, Stuttgart 2015.

Rezension über:

Duane W. Roller: Cleopatra's Daughter. And Other Royal Women of the Augustan Era (= Women in Antiquity), Oxford: Oxford University Press 2018, XIV + 207 S., 5 Kt., 20 s/w-Abb., ISBN 978-0-19-061882-7, GBP 25,49

Rezension von:
Julia Lehn
Universität Trier
Empfohlene Zitierweise:
Julia Lehn: Rezension von: Duane W. Roller: Cleopatra's Daughter. And Other Royal Women of the Augustan Era, Oxford: Oxford University Press 2018, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 4 [15.04.2019], URL: https://www.sehepunkte.de/2019/04/32119.html


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