Rezension über:

Ayan Shome: Dialogue & Daggers. Notion of Authority and Legitimacy in the Early Delhi Sultanate (1192 C.E. - 1316 C.E.), New Delhi: Quills Ink 2014, IX + 233 S., ISBN 978-93-84318-44-4
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Rezension von:
Stephan Conermann
Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Conermann: Rezension von: Ayan Shome: Dialogue & Daggers. Notion of Authority and Legitimacy in the Early Delhi Sultanate (1192 C.E. - 1316 C.E.), New Delhi: Quills Ink 2014, in: sehepunkte 17 (2017), Nr. 7/8 [15.07.2017], URL: https://www.sehepunkte.de
/2017/07/30666.html


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Diese Rezension ist Teil des Forums "Studien zum Delhi Sultanat (1206-1526)" in Ausgabe 17 (2017), Nr. 7/8

Ayan Shome: Dialogue & Daggers

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Vor uns liegt die - offenbar überarbeitete - Fassung einer an der Londoner School of Oriental and African Studies (SOAS) im Jahr 2011 angenommenen Dissertation. Ayan Shome, der aus Kolkata stammt, hat an der SOAS zunächst einen BA in Economics and Politics (2003) und dann einen MA in Asian / African History absolviert, bevor er unter der Betreuung von Daud Ali, einem ausgewiesenen Sanskritisten und Spezialisten für indische Philosophie, seine Promotion in Indian History in Angriff nahm. [1] Hat man die Arbeit gelesen, so fallen drei Dinge auf: (1) Eigentlich müsste sich jeder, der eine Monografie über die Entstehung des Delhisultanates schreibt, erst einmal ernsthaft mit Sunil Kumars gewichtiger Studie "The Emergence of the Delhi Sultanate, 1192-1286" (Ranikhet 2007) auseinandersetzen. Dies macht Ayan Shome erstaunlicherweise nicht, wobei er sich überhaupt wenig damit aufhält, den Forschungsstand zu diskutieren und die eigenen Ergebnisse in ein Verhältnis zu den bisher vorgebrachten Erklärungsansätzen zur Etablierung der muslimischen Herrschaft in Nordindien im 13. Jahrhundert zu setzen. (2) Die Quellenzitate und -angaben beziehen sich in der Regel auf englische Übersetzungen der persischen Texte. Shome weist ganz zu Anfang seines Buches darauf hin, dass er mit dem - durchaus nicht einfachen - Persischen des 13. und 14. Jahrhunderts seine Schwierigkeiten hat. Mir scheint das recht problematisch zu sein, denn die Übertragungen ins Englische sind häufig sehr ungenau und geben den Sinn des Originals nur unzureichend wieder. Darüber hinaus werden Sachverhalte oftmals nur paraphrasiert und zuweilen ganze Passagen weggelassen. Schließlich kann man die Semantik der Schlüsselbegriffe nur auf der Basis einer intensiven und langjährigen Beschäftigung mit den Originalwerken erfassen - wenn das überhaupt gelingt. (3) Der Fußnotenapparat ist generell nicht gerade üppig. Es finden sich nur spärliche Belege für die in dem Fließtext vorgebrachte Argumentation. Der Leser fragt sich bei der Lektüre nicht selten, wie der Autor eigentlich zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist. Man muss an vielen Stellen schon glauben, dass Ayan Shome seine Behauptungen auf der Basis einer intensiven Lektüre der Texte selbst aufgestellt hat. Ganz sicher kann man sich aber nicht sein. Insofern bietet sich an, das vorgelegte Buch eher als einen essayistischen Versuch einer Neuinterpretation der mittelalterlichen indischen Geschichte zu lesen. Seine Hypothese ist auf jeden Fall ganz interessant. Das Delhisultanat ist in der modernen Geschichtsschreibung in erster Linie in den Kontext der religiösen Auseinandersetzung zwischen Muslimen und Hindus gestellt worden. Diese Konfrontation habe sich dann, so die gängige Auffassung, wie ein roter Faden durch die gesamte indische Geschichte bis in die Gegenwart hinein gezogen. Der "Einfall des Islam" bedeutet in diesem Narrativ einen massiven Einschnitt in der bis dahin als einheitlicher Prozess aufgefassten Historie des Subkontinents. Die Muslime hätten eine Kultur der Gewalt und des Krieges mitgebracht und vor Ort etabliert, die der einheimischen Zivilisation bis dahin unbekannt gewesen sei. Ayan Shome stellt vor diesem Hintergrund in seinem Buch die folgende These auf:

"Instead it can be argued that the Delhi Sultanate represented a form of continuity in that it enhanced a warrior culture that was already prevalent in Northern India; a culture that valued military capability as a sign of innate authority, and used this authority for formulating a political hierarchy; where warrior identity and religious values were seen as deeply intertwined, and at times conflated. In a military environment like this the Sultanate as a polity had much to offer as it consisted of individuals and groups, who back in their Central Asian homeland were themselves in a process of social and cultural mobilization within the ambit of a warrior identity; a mobilization that was closely linked to Islamicization. Hence, the Delhi Sultanate operated in a geographical space where both forms of warrior identities came in to dialogue; a dialogue that involved both violence and co-operation. It will argued here that the Delhi Sultanate was a dynamic which involved the interaction of an Iranic warrior identity, which was closely linked to Islamicization in Central Asia and an Indic warrior identity closely linked to social and cultural processes in India; and it was not primarily a religious conflict, based on doctrinal difference. Religion did play a part, but not in the manner that has normally been envisaged in the popular imagination and mainstream historiography to this day." [2]

Zu dieser Kernaussage gelangt der Verfasser im Laufe von vier umfangreichen Kapiteln. Zunächst beschäftigt er sich mit der gesellschaftlichen und politischen Situation in Nordindien vor der Herausbildung des Sultanates um Delhi herum ("Evolution of Authority Before The Delhi Sultanate <600-1200>", 34-85), um dann auf die ethnischen, sozialen und historischen Hintergründe derjenigen muslimischen Gruppen einzugehen, die die Herrschaftselite des neuen Verbundes bildeten. ("The Nature of Dialogue; The Precursor to the Social and Political Dynamic of the Delhi Sultanate and its Implication on the Notions of Authority Among the Various Elites of the Sultanate", 85-121). An dem Beispiel der Regierung von Balban (1266-1287) führt uns Ayan Shome im Folgenden die Komplexität des labilen Herrschaftsgefüges vor Augen. ("Balban; His Career and Notions of Authority: Its Implications for the Internal Dynamics of the Delhi Sultanate", 121-164). In dem abschließenden Kapitel steht die Frage nach den Verflechtungen zwischen den islamischen und den hinduistischen Gruppen innerhalb des Delhisultanates im Vordergrund. Es wird deutlich, dass es sich um ein Machtgefüge handelte, das nur deshalb länger existieren konnte, da es im Kern von einer intensiven Interaktion zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen zusammengehalten wurde. Die Grundlage für diesen modus vivendi bildete, so Shome, eine beiden Gemeinschaften innewohnende Kriegerkultur.

Glaubt man dem Verfasser, so hat er eine sehr interessante und in Zukunft vor allem mit Spezialisten für die nichtmuslimischen Gesellschaften Nordindiens im 12. und 13. Jahrhundert zu diskutierende Neudeutung der langfristigen Implementierung islamischer Herrschaft in dieser Region vorgelegt.


Anmerkungen:

[1] Zu Daud Alis Veröffentlichungen zählen unter anderem: Courtly Culture and Political Life in Early Medieval India, Cambridge 2004; und hg. zusammen mit Ronald Inden / Jonathan Walters: Querying the Medieval. Texts and the History of Practice in South Asia, Oxford 2000.

[2] So prägnant finden wir die zentrale Aussage des Buches leider nur auf dem Klappentext.

Stephan Conermann