KOMMENTAR ZU

Lars-Arne Dannenberg: Rezension von: Hermann Kinne (Bearb.): Das (exemte) Bistum Meissen 1. Das Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen von der Gründung bis 1569, Berlin: de Gruyter 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 5 [15.05.2015], URL: http://www.sehepunkte.de /2015/05/25956.html


Von Enno Bünz

Die Monografie von Hermann Kinne über das Kollegiatstift St. Petri zu Bautzen ist von Lars-Arne Dannenberg in einer Weise rezensiert worden, die nicht unwidersprochen bleiben kann, zumal es sich um eine Dissertation handelt, die unter meiner Leitung am Lehrstuhl für sächsische Landesgeschichte der Universität Leipzig angefertigt wurde.

Der Rezensent zeigt sich verwundert über den Umfang der Arbeit und lässt dabei unerwähnt, dass sie im Rahmen des Vorhabens Germania Sacra (angesiedelt bei der Göttinger Akademie der Wissenschaften) entstanden ist, die ein verbindliches Bearbeitungsschema vorsieht, das auch bei anderen Kollegiatstiften zu entsprechend umfangreichen Ergebnissen geführt hat. Bei Institutionen wie dem Bautzener Kollegiatstift, das bislang weitgehend unerforscht war, eine verhältnismäßig gute Überlieferungslage aufweist und innerhalb der Diözese Meißen eine bedeutende Stellung einnahm, ist eine ausführliche Darstellung folgerichtig und wünschenswert. Die Stiftsmonografien der Germania Sacra bieten keine Kurzdarstellung für den eiligen Leser, sondern besitzen Handbuchcharakter, der sie künftig für vielfältige Fragestellungen nutzbar macht.

Die in diesem Zusammenhang geäußerte Sorge des Rezensenten, "welchen Umfang eine Arbeit zum Hochstift Meißen dereinst einnehmen soll", lässt erkennen, dass er mit elementaren Sachverhalten der Kirchenverfassung (und nebenbei bemerkt, auch mit der Konzeption des Projekts "Germania Sacra") nicht vertraut ist, denn selbstverständlich ist es nicht Aufgabe dieses Vorhabens, "Hochstifte" zu bearbeiten, sondern - so das Konzept der 3. Folge der "Germania Sacra" - Bistümer und Domkapitel. Das Hochstift als Territorialbesitz der Bischöfe nimmt nur einen kleinen Teil innerhalb der entsprechenden Bandkonzeption ein. Diese Bände werden zur Zeit von mir bearbeitet. Dass sich in diesem Zusammenhang Hermann Kinne mit seiner Dissertation darauf eingelassen hat, ein entsprechendes Grundlagenwerk über das bedeutende Kollegiatstift in Bautzen zu erarbeiten, ist ihm nicht hoch genug anzurechnen.

Die Gesamtkonzeption der Germania Sacra-Bände wird von Dannenberg nur kursorisch gestreift. Stattdessen setzt seine Kritik bei der ausführlichen Darstellung der Gründungsgeschichte des Bautzener Stiftes ein, indem er moniert, Kinne habe sich nicht mit den vom Rezensenten in einem 2009 publizierten Aufsatz geäußerten Thesen zur Gründung des Stifts auseinander gesetzt. Dass dieser in Ansatz und Ausführung bezüglich der Gründungsgeschichte eher oberflächliche Aufsatz eine eingehende Auseinandersetzung nicht lohnt, scheint dem Rezensenten nicht in den Sinn zu kommen. So wird der Leser im Glauben gelassen, Kinne habe die Stiftsgründung nicht ausführlich diskutiert, was jedoch nicht der Fall ist.

Ähnlich erhellend sind die anschließenden Auslassungen des Rezensenten zur Geschichte des Petri-Stifts in der Reformationszeit, behauptet Dannenberg hier doch, dem Stift habe tatsächlich gar nicht durch die mögliche Sequestration von Stiftsgütern seitens des böhmischen Königs gedroht, sondern von Kurfürst August von Sachsen sei die eigentliche Gefahr ausgegangen. Der Rezensent glaubt offenbar, der Wettiner habe allen Ernstes eine Option gehabt, territorialpolitisch in der böhmischen Oberlausitz einzugreifen. Man nimmt derlei Ausführungen von Dannenberg nur mit Kopfschütteln zur Kenntnis.

Nachdem sich der Rezensent einen ganzen Absatz über die Fährnisse des Bistums Meißen und des Bautzener Stifts im 16. Jahrhundert verbreitet hat, ohne dass sich der Sinn und Zweck für diese Besprechung erschließen würde, lässt er sich über "Desideratatopoi" der "Graduierungsschrift" (dass es sich um eine Leipziger Dissertation handelt, erfährt der Leser nicht) aus und gibt wohlfeile Empfehlungen, wie "das Volumen entschlackt" hätte werden können. Dazu spießt der Rezensent als Zitat eine sachlich wie sprachlich völlige korrekte Aussage Hermann Kinnes über die notwendige Auswertung der Statuten für die Darstellung der Stiftsverfassung auf (wozu hier mit einem "sic!" ein Warnzeichen steht, wird das Geheimnis des Rezensenten bleiben) und verbreitet sich dann über die "Eigengesetzgebung" der Kanonikerstifte, die laut Rezensent "auch die Augustinusregel" umfasst habe. Ganz abgesehen davon, dass es im Mittelalter mehrere Regeln gab, die unter dem Namen des hl. Augustinus kursierten, ist Dannenberg offenkundig nicht bekannt, dass diese Regeln gar keine Bedeutung für Säkularkanonikerstifte, also auch nicht für St. Petri zu Bautzen hatten, sondern nur für regulierte Chorherrenstifte von Belang waren. Allen Ernstes fragt der Rezensent dann, "welche Bewandtnis es mit der Aachener Regel oder der Regel des Chrodegang von Metz" hatte, obwohl Kinne völlig korrekt und im vollkommenen Einklang mit der gesamten Forschung zu Säkularkanonikerstiften betont, dass diese Regeln auch für das Kollegiatstift im späten Mittelalter ohne Bedeutung waren und deshalb auch kein Bezug der Bautzener Statuten zu diesen Regeln bestand. Insofern läuft auch die vom Rezensenten aufgeworfene Frage, "weshalb und wie hätte sich das Bautzener Petri-Stift einer Reformkongregation anschließen sollen?", mit der er offenbar besonderes Problembewusstsein demonstrieren möchte, völlig ins Leere. Es gab bekanntlich keine Reformkongregation von Kollegiatstiften. Bereits diese Auslassungen machen deutlich, dass sich Dannenberg in der Stiftsforschung nicht sonderlich auskennt.

Zur Prosopografie, dem umfangreichsten Teil des Buches, vermag der Rezensent ein paar Hinweise zur Präzisierung von Personennamen zu geben, die gelegentlich in die richtige Richtung weisen mögen. Dass aber die eine oder andere Neueinstufung von Stiftsherren als adlig statt bürgerlich (oder umgekehrt) zu "Verzerrungen" des prosopografischen Befundes führen würden, geht doch an den Auswertungsmöglichkeiten spätmittelalterlicher Personengruppen völlig vorbei. Hier wird der Eindruck erweckt, als stünde eine Informationsdichte zur Verfügung, auf die sozialstatistische Methoden des 20. Jahrhunderts anwendbar wären. Als Rezensent sollte man auch Augenmaß an den Tag legen.

Als gravierend verstehe ich die Ausstellungen des Rezensenten zur ausgewerteten Quellenbasis. So behauptet Dannenberg, der Verfasser habe sich "sehr stark auf die von dem unlängst verstorbenen langjährigen Domarchivar (korrekt wäre Diözesanarchivar, E.B.) Siegfried Seifert zur Edition vorbereiteten Urkunden aus dem Domstiftsarchiv" verlassen. Daran ist richtig, dass die von Hermann Kinne ausgewertete Hauptüberlieferung selbstverständlich die Stiftsurkunden sind, die ohnehin die Masse der mittelalterlichen Stiftsüberlieferung ausmachen. Wenn hier aber der Eindruck erweckt werden soll, Kinne habe sich vor allem auf ein von anderer Seite erarbeitetes Editionsmanuskript gestützt und dieses - so muss der unbefangene Leser annehmen - sozusagen "ausgeschlachtet", geht Dannenberg völlig in die Irre. Von der Qualität dieses Manuskripts, das ich zweimal begutachtet habe, hat der Rezensent offenkundig keine Kenntnis, sonst würde er nicht auf die Idee kommen, dass es Grundlage einer Auswertung geworden sein könnte. Kinne hat sich selbstverständlich auf die Originalurkunden und die kopiale Überlieferung, die im erwähnten Urkundenbuch übrigens gar nicht berücksichtigt wurde, gestützt.

Selbstredend hat Hermann Kinne auch die Urkunden im Stadtarchiv Bautzen herangezogen, wie aus dem Germania Sacra-Band S. 4 und aus vielen Einzelnachweisen im Band ersichtlich ist. Gleichwohl mutmaßt der Rezensent, dies sei "offenbar nicht geschehen". Gewissermaßen als Trumpf spielt Dannenberg hier den Hinweis auf einen Urkundenbeleg aus, der dem Verfasser entgangen sei: der "prominente Kanoniker Johannes Rahslow" (worin die Prominenz besteht, verrät der Rezensent leider nicht) sei nicht nur bis 1505, sondern noch 1506 bei einem Zinsgeschäft nachweisbar. Von ähnlicher Tragweite ist der Hinweis von Dannenberg, der "eigentliche Erwerb des Dorfes Ratzen" sei 1512 erfolgt. Natürlich sind solche ergänzenden Nachweise willkommen, wenngleich zumeist - wie in diesen Fällen - nicht sehr aufregend. Die immer mehr anschwellende Überlieferung des ausgehenden Mittelalters wird gewiss noch manche Ergänzungen zur Personen- und Besitzgeschichte enthalten. An dieser Stelle darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass Kinne zum Zeitpunkt der Bearbeitung der Dissertation als Findhilfsmittel nur die von Paul Arras (1857 - 1942) angefertigte Regestenkartei zur Verfügung stand. Erst danach erfolgte die Digitalisierung der Urkunden, und dann wurde Lars-Arne Dannenberg mit der Neuregestierung dieser Urkunden betraut, die als Publikation bislang übrigens nicht vorliegt. Es mag also durchaus sein, dass Dannenberg noch einige weitere Belege beisteuern könnte, was löblich wäre, aber man muss solche Quellenfunde doch immer auch in Relation zur Gesamtüberlieferung sehen, die für die Bautzener Stiftsgeschichte zur Verfügung steht.

Wer aber aufgrund solcher personen- und besitzgeschichtlicher Petitessen zum Urteil kommt, dass das Orts- und Personenverzeichnis "nicht immer weiter hilft", wird dem Gehalt eines 1000-Seiten-Werk, das auf der Auswertung einer gewaltigen ungedruckten Überlieferung beruht und das gegenüber der bisherigen Forschung zum Bautzener Stift einen Quantensprung darstellt, nicht gerecht. Wie die Besprechung erkennen lässt, gebricht es Dannenberg nicht nur streckenweise an der nötigen Sachkenntnis über mittelalterliche Kollegiatstifte, sondern es mangelt ihm auch an Urteilsvermögen, eine grundstürzende Forschungsleistung zu beurteilen, wie sie Kinne vorgelegt hat. Die Auslassungen von Dannenberg sind keine Rezension, sondern ein Ärgernis.


REPLIK

Von Lars-Arne Dannenberg

Über Sinn, Anlage und Duktus von Rezensionen kann man trefflich streiten. Doch halte ich es mit einer sachlich-inhaltlichen Auseinandersetzung, statt persönlicher Diskreditierungen, denn bislang war ich der Meinung, dass Rezensionen eben diesen Zweck verfolgen und ggf. Hinweise geben sollen. Insofern rate ich zu ein bisschen mehr Gelassenheit, weniger Emotionen und vor allem eine adäquate Einordnung von Rezensionen in den Diskurs! Überdies ist man verwundert, dass der knapp 40jährige Autor nicht selbst das Wort ergreift, sollte er doch eigentlich am besten die gegebenen Hinweise beurteilen können. Aber der Reihe nach zum Kommentar:

Was als - zugegeben etwas launiger - Einstieg in die Besprechung gedacht war (da als Titel zunächst übergroß "Das (exemte) Bistum Meissen" steht), wird über mehrere Absätze aufgebauscht und geht an der Sache vorbei, denn es wird nicht das Konzept der Germania sacra in Frage gestellt. Schon aufgrund der knappen vorgegebenen Zeichenzahl (die aber offenbar für den Kommentar nicht gilt) war keine ausführliche Vorstellung des Konzepts der Germania sacra möglich, deren Verdienst im Übrigen hinlänglich bekannt ist und deren Bände auch der Rezensent schon vielfach gewinnbringend benutzt hat. Vielmehr wurde sich bei der Rezension auf den vorliegenden Band konzentriert. Dass diese Besprechung entsprechend einer chronologischen Abfolge bei den Gründungsverhältnissen einsetzt, ist übliche Vorgehensweise. Nicht üblich ist dagegen, dass die durchaus kontrovers diskutierten Gründungsverhältnisse übergangen wurden, worauf in der Rezension hingewiesen wurde. Dass diese Hinweise heruntergespielt werden, obwohl in dem besagten Band sowohl Autor als auch Kommentator kenntnisreiche Beiträge beigesteuert haben, ist mehr als befremdlich.

Ferner wurde keineswegs behauptet, dass von Seiten des böhmischen Königs keine Sequestration von Stiftsgütern gedroht habe, sondern es wurde gezeigt, dass sehr wohl von Seiten des sächsischen Kurfürsten Gefahr für das Stift ausging und es nur durch geschicktes Lavieren erhalten blieb. Denn richtig ist, dass die Oberlausitz zwar ein böhmisches Kronland war, richtig ist aber auch, dass der Archidiakonat Teil des Bistums Meißen war, der mithin kirchenrechtlich dem Bischof von Meißen unterstand und es sich um ein Kollegiatstift im Bistum Meißen handelte und nicht etwa im Erzbistum Prag. Deshalb war es gerade der Kurfürst von Sachsen, der entsprechenden Druck ausübte und sich bereits des unweit entfernten Stolpener Bischofslandes bemächtigt hatte. Tatsächlich hatten es Kurfürst (und auch letztlich auch der König von Böhmen) auf den hochstiftischen Besitz abgesehen und versuchten Einfluss auf Bischof und Kapitel zu nehmen. Dies richtig zu stellen, war "Sinn und Zweck für diese Besprechung", zumal der König von Böhmen - ein Habsburger - beim alten Glauben geblieben war und sich nicht ohne weiteres mit Papst und Kurie überworfen hätte, während der lutherische Kurfürst von Sachsen gerade die alte Kirche in Frage stellte. Das diffizile Vorgehen des Kurfürsten ist im übrigen gut aufgearbeitet.

Sodann kurz zur Erläuterung, welche Bewandtnis es mit dem Einschub "(sic)" auf sich hat: "Sic!" ist ein redaktionelles, gewissermaßen grafisches Zeichen, welches anzeigt, dass sprachliche Fehler nicht vom Zitierenden, in diesem Falle vom Rezensenten, verschuldet wurden, sondern dem zugrundeliegenden Originaltext entstammen. Konkret handelt es sich bei "selbstverständlich" um ein Adverb, das nicht gebeugt wird, mithin also in dieser (ungebeugten) Form bestehen bleiben muss.

Abgesehen davon, handelt es sich hier um einen jener überflüssigen Füllsätze, der aber - einmal in die Welt gesetzt - hätte diskutiert werden müssen. Denn es ist leicht ersichtlich, dass es sich um ein Zitat handelt, mithin gerade Kinne die Augustinusregel bzw. die Regel des Chrodegang (von Metz - wie zu ergänzen wäre) ins Spiel gebracht hat. Da aber Domstifte - wie der Kommentator richtig bemerkt - keiner Regel folgten, hätte der Autor seinen Einwurf erläutern müssen. Der Vorwurf der Unkenntnis trifft dann also wohl eher den Autor als den Rezensenten.

Auch ist nicht zu erkennen, worin der Vorwurf liegen soll, dass sich der Rezensent in den einschlägigen Urkundenbeständen auskennt. Deshalb ist ihm der Band von der Redaktion der sehepunkte zur Besprechung angetragen worden, worum er sich keineswegs beworben hat. Im übrigen sind die Urkunden durch Zettelregesten gut erschlossen und stehen jedem Nutzer zur Verfügung, erst recht Doktoranten.

Zumindest sprachlich korrekt ist auch der Satz, dass der Autor sich maßgeblich auf die Urkunden aus dem Domstiftsarchiv gestützt hat. Dass diese Urkunden von Siegfried Seifert zur Edition vorbereitet wurden, ist vom Rezensenten lediglich ergänzende Aussage. Wenn hier freilich die Aussage dieses Satzes dahin gedeutet wird, dass sich weniger auf die Originalurkunden, als vielmehr auf Seiferts Urkundenaufnahme gestützt wurde, dann lässt dies tief blicken ...

Dagegen werden die Korrekturen zur Prosopografie und Besitzgeschichte, an denen es faktisch nichts zu deuteln gibt, marginalisiert. Wenn aber beide Themen angeblich nicht zum Konzept der Germania sacra gehören (obwohl von Mitarbeitern der Germania sacra genau dies bestätigt wurde), dann hätte der vorliegende Band das Thema verfehlt, denn beide Themenbereiche nehmen nahezu zwei Drittel des Bandes ein. Insofern sind hier Unzulänglichkeiten besonders ärgerlich, weil sich der Nutzer auf die Angaben verlässt, denn er wird nicht mehr die Archive aufsuchen. Die angeblichen Quisquilien ließen sich beliebig fortsetzen; nur ein Beispiel: In § 20 wird das "Verhältnis zu anderen geistlichen Einrichtungen" befragt, u. a. zur "Terminei der Dresdener Augustinereremiten". Jedoch wird nicht erst "um 1500 [...] aus der Auseinandersetzung zwischen Bautzener Rat und Dresdener Augustinereremiten um den Zugang zum Gebäude [...] die Existenz der Terminei bekannt" (S. 470), sondern mindestens seit Januar 1491 ist nicht nur die Bautzener Terminei bezeugt, sondern auch der eigentlich zugrunde liegende Konflikt zwischen den Klöstern in Herzberg und Dresden um den Besitz des Terminierhauses klar ersichtlich. Hier hätte man sich eben nicht auf die "Regestenbeiträge" von Arras verlassen dürfen, sondern mal in die einschlägigen Urkunden hineinschauen müssen. Aus denen ergibt sich nämlich, dass die Berührungspunkte zwischen Stift und den (offenbar mit Reformversuchen konfrontierten) Bautzener Augustinereremiten sehr viel enger waren, als hier vorgestellt, denn die Herzberger berichten, dass sie in der Advents- und der Fastenzeit einen Bruder nach Bautzen entsenden, der die Beichte hört, Messen liest, Almosen sammelt und selbst Seelsorgeaufgaben für die Bautzener Bevölkerung übernimmt, die nun auf gemeinsamen Beschluss vom Bautzener Stift übernommen werden sollen. Im Übrigen handelt es sich bei einem der Akteure nicht lediglich um "Herzog Sigismund in Schlesien als Landvogt der Ober- und der Niederlausitz", sondern um den Bruder des Königs von Böhmen und Ungarn und zu diesem Zeitpunkt bereits designierten Königs von Polen Sigismund den Alten aus dem Fürstengeschlecht der Jagiellonen. Diese Ergänzung ist wichtig, um die Wirkmächtigkeit der Anordnung adäquat bewerten zu können.

Im Übrigen schmälern die Hinweise nicht den Wert des Bandes insgesamt, der bei aller späteren synoptischen Arbeitsweise zunächst die individuellen Grundlagen erarbeiten sollte, was der Rezensent auch lobend zum Ausdruck gebracht hat. Mit der Rezension wurden lediglich die ureigensten Anforderungen jener Gattung erfüllt. Wenn man aber keinerlei kritische Töne anschlagen darf, ohne sofort persönlich diskreditiert zu werden, dann ist das Niveau der wissenschaftlichen Streitkultur auf einem Tiefpunkt angekommen. Insofern stehen die zugrundeliegende Rezension und der Kommentar auch in keinem Verhältnis zueinander. Es ist eine Rezension, und dabei sollte man es auch belassen.