Rezension über:

Philipp Kobusch: Die Grabbauten im römischen Hispanien. Zur kulturellen Prägung der Sepulkralarchitektur (= Tübinger Archäologische Forschungen; Bd. 14), Rahden/Westf.: Verlag Marie Leidorf 2014, X + 553 S., 179 Abb., 74 Tafeln, 17 Beilagen, ISBN 978-3-89646-994-6, EUR 64,80
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Rezension von:
Henner von Hesberg
Deutsches Archäologisches Institut, Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Sabine Panzram
Empfohlene Zitierweise:
Henner von Hesberg: Rezension von: Philipp Kobusch: Die Grabbauten im römischen Hispanien. Zur kulturellen Prägung der Sepulkralarchitektur, Rahden/Westf.: Verlag Marie Leidorf 2014, in: sehepunkte 15 (2015), Nr. 9 [15.09.2015], URL: https://www.sehepunkte.de
/2015/09/26446.html


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Philipp Kobusch: Die Grabbauten im römischen Hispanien

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In der Erforschung römischen Grabarchitektur hat die iberische Halbinsel lange Zeit eine nachgeordnete Rolle gespielt. Es fehlten spektakuläre Überreste in der Art des Baus für die Caecilia Metella an der Via Appia in Rom oder des Grabmals von Igel und damit entsprechende Anreize. Bauten wie die sogenannte Torre de los Escipiones bei Tarragona boten nur eingeschränkt Ersatz. Aber auch größere Komplexe an Bauten wie die Gräberstraßen Italiens oder an wiederverwendeten Bauteilen wie etwa in Narbonne oder Neumagen sind selten. Trotz einer großen Zahl an Einzelstudien blieb ein Überblick und eine kritische Sichtung des Bestandes aus. Dieses Defizit wird durch die vorliegende gewichtige Arbeit gelöst und mit berechtigtem Stolz bildet sie nach den Worten des Autors die "umfassendste Materialsammlung hispanischer Grabbauten" (7).

Der ausführliche Katalog umfasst 140 Bauten, von denen die meisten soweit erhalten sind, dass sie zumindest eine Vorstellung vom ursprünglichen Aussehen erlauben. Die Beispiele sind nach heutigen politischen Grenzen geordnet und der ausführliche beschreibende Text wird von untereinander maßstabgleichen Skizzen der Anlagen begleitet, die eine reichhaltige Zahl weiterer Bilder ergänzen.

Damit ist eine sehr gute Grundlage für die Auswertung gegeben, die sich in zwei große Abschnitte untergliedert. Im ersten Durchgang behandelt der Verfasser die Möglichkeiten einer typologischen Zuordnung der Bauten, im zweiten an vier ausgewählten Städten oder auch der Region des Ebrotales die "Kontextualisierung" von Grabbauten in ihrer Umgebung.

Sehr ausführlich diskutiert der Verfasser Probleme der Kategorisierung römischer Grabbauten. Denn die Auftraggeber wählten sehr frei unterschiedliche Elemente, kombinierten sie und auf diese Weise entstanden selbst in den Provinzen merkwürdige Mischformen. Ein gutes Beispiel auf der iberischen Halbinsel bilden etwa der sogenannte Torre Ciega (Kat. 97), ein Monument mit einem Aufsatz in Form einer Wendesäule, und das Zweisäulenmonument von Zalamea (Kat. Nr. 28). Selbst wenn sich bei dem Säulenmonument um keinen Grabbau handelte, fiele es aus den konventionellen Typologien der Ehrenmonumente heraus. Im ersten Fall ist die besonders Stellung des Baus auch in der Verwendung des sonst unüblichen Retikulats ablesbar. Von den unterschiedlichen Bautypen werden in der Arbeit fünf Möglichkeiten genauer untersucht und in der Beilage übersichtlich zusammengestellt: Tumuli, turmartige und daneben tempelförmige Grabbauten, Hypogäen und Bezirke. Die Altargräber werden nur kurz gewürdigt, da für sie ausführliche Studien vorliegen.

Die einzelnen Betrachtungen gliedern sich in der gleichen Weise. Nach der Definition oder einem allgemeinen Überblick zur Bedeutung des Typus im mediterranen Raum werden die Beispiele auf der iberischen Halbinsel geprüft. Den Abschluss bildet jeweils der schon im Untertitel der Abhandlung enthaltene Aspekt, nämlich die "kulturelle Prägung". Mit diesem Begriff, der in der Einleitung der Arbeit definiert wird, meint der Verfasser vor allem die "kulturelle Identität", die durch die "Selbstzuschreibung des Auftraggebers zu einem bestimmten Kulturkreis" erreicht wird (2). Als Kulturkreise werden neben den Okkupanten und Einwanderern im Zuge der "römischen Landnahme" die Bewohner der iberischen und keltiberischen Gebiete, Punier und Griechen gesehen. Im Verlauf der Arbeit konzentriert es sich aber im Wesentlichen auf Römer, Punier und daneben die Einheimischen als kaum mehr unter sich differenzierbare Gruppe. Der Verfasser ist sich bewusst, auf was für einem schwierigen Terrain er sich befindet, denn nur in seltenen Fällen ist es möglich, die Herkunft bestimmter Eigenarten in den Typen aus einer dieser Bereiche abzuleiten, sie methodisch durch andere Phänomene - etwa die Grabsitten - auch abzusichern und dadurch zu klären, ob die Grabherren in ihrem kulturellen Umfeld mit der Gestaltung ihres Begräbnisplatzes so etwas wie eine bewusste Position eingenommen hatten.

Dabei wird eine schwer überschaubare Fülle an Möglichkeiten deutlich, bei der auch die Aussage der weiteren Medien eine wichtige Rolle spielen konnte, etwa wenn an einem turmartigen Grabbau in Tarragona die Inschrift zweisprachig ausgeführt wird, während Typus und Dekor eindeutig italisch ausfallen (51). Die typologischen Eigenheiten der Bauten führen immer wieder neu vor Augen, wie offen und damit wie kombinationsfähig die Formen blieben, etwa die Tumuli, die einerseits an lokale Traditionen anknüpften und zugleich neue Elemente integrierten. Dass dabei die Tumuli in Cordoba als römisch und die in Carmona in einheimischer Tradition stehen, wird man gerne glauben, es hängt aber auch am lokalen Habitus. Mir schiene es nicht ausgeschlossen, dass sich die Auftraggeber in Carmona ebenfalls in Einklang mit ihrer römisch geprägten Umgebung sahen. Ähnlich könnte man nun alle die typologischen Betrachtungen durchgehen und es stellte sich das Dilemma in ähnlicher Weise.

Dem begegnet der Verfasser in einem zweiten Durchgang durch die Betrachtung der Kontexte. Aus den Nekropolen leitet er unterschiedliche "kulturelle Prägungen" ab. Dabei geben vereinfacht resümiert jene von Cordoba den Charakter einer durchwegs römischen Stadt zu erkennen, jene von Carmona einer Stadt mit indigen-punischem Substrat, jene von Baelo Claudia hingegen stellen eine eigentümlich lokale Ausprägung dar, während schließlich die großformatigen Grabbauten im Tal des Ebro wiederum römisch geprägt sind. Die Bewohner der Hauptstadt einer Provinz und die Villenbesitzer orientieren sich also an Rom, in den kleineren Städten hingegen kommt es zu individuellen Ausprägungen, so könnte man die Befunde lesen. Der Verfasser dämpft aber zugleich die Erwartungen, wenn er betont, das "diachrone Veränderungen" (154) nicht ablesbar sind.

So bleiben Fragen offen. Denn der heuristische Wert der Fokussierung auf die "kulturellen Prägungen" kann meines Erachtens nur eingelöst werden, wenn das Umfeld einer Stadt in seiner Gesamtheit mit in den Blick genommen wird. Es kann ja gar kein Zweifel daran bestehen, dass es so etwas wie städtische Identitäten gab, wobei sich die Städte schon in einer Region deutlich voneinander absetzten. Welche Qualitäten dabei nicht zuletzt auch durch die verschiedenen sozialen Gruppen und damit zusammenhängend den politischen Status einer Stadt in welcher Weise instrumentalisiert werden, lässt sich selten klar erkennen. Hierzu hätte man wohl stärker die Zeugnisse der Inschriften, die Aussage der Bilder und die Hinweise auf Grabriten mit einbeziehen müssen. Das bringt der Verfasser auch an vielen Stellen zum Ausdruck. Wenn überhaupt käme man aber erst auf diese Weise der jeweiligen semantischen Qualität auf die Spur. Denn das Feld der kulturellen Spannungen ist ja extrem komplex. Römische Werte wie Einfachheit der Lebensweise können dabei auch in einheimischen Mustern zum Ausdruck kommen und römische Muster wie etwa Luxus umgekehrt problematische Vorstellungen enthalten.

Die Arbeit bietet folglich eine gute Grundlage für alle weiteren Auseinandersetzungen mit der Materie. Ob sich dabei der Begriff der "kulturellen Prägung" in der vom Verfasser vertretenen Weise bewährt, wird sich zeigen. Zumindest aber sollte man zukünftig die soziale Zugehörigkeit der Auftraggeber nicht so rigoros ausblenden, wie es in der vorliegenden Arbeit geschah.

Henner von Hesberg