sehepunkte 14 (2014), Nr. 10

Rezension: Die Sammlung Heinz Beck

Das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen ist bekannt nicht nur für seine Sammlungsschwerpunkte in Klassischer Moderne und konstruktiv-konkreter Kunst, sondern auch für seinen hervorragenden Bestand an Grafiken und Multiples der 1960er- und 70er-Jahre. Diese entstammen der Sammlung des Düsseldorfer Rechtsanwaltes und Kunstliebhabers Heinz Beck (1923-1988). Als Schenkung kamen die über 2500 Objekte 1989 an das Museum nach Ludwigshafen. Mehrere Ausstellungen und Publikationen nicht nur des Wilhelm-Hack-Museums präsentierten in den vergangenen Jahrzehnten Ausschnitte der Sammlung. [1] Nun liegt erstmals ein von den Kuratorinnen Kerstin Skrobanek und Nina Schallenberg, dem Restaurator Herbert Nolden und dem vormaligen Museumsdirektor Reinhard Spieler herausgegebener, umfassender Bestandskatalog vor, der die Sammlung Beck in ihrer Vielfältigkeit angemessen dokumentiert und wissenschaftlich aufarbeitet.

Mit der Publikation des Bestandskatalogs ging die Ausstellung "Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck" einher. Im Ausstellungskatalog wird die Bestandsaufnahme der Sammlung Beck ergänzt um Überlegungen zur Rolle und Bedeutung des Multiples im Kontext der Entwicklung des Kunstmarkts der 1960er-Jahre, zur künstlerischen Editionspraxis sowie zur restauratorischen Perspektive vor allem auf die Druckgrafiken. Dem schließt sich ein ausführlicher Abbildungsteil an, welcher nach den Galeristen und Verlegern gegliedert ist, bei denen Heinz Beck seine Werke bezog. Einige von ihnen - darunter René Block, Klaus Staeck und Wolfgang Feelisch - kommen in Interviews selbst zu Wort.

Ausgehend von der Person Becks und seiner Sammeltätigkeit setzt sich Kerstin Skrobanek mit dem "Multiple als Motor unterschiedlicher Liberalisierungs- und Demokratisierungsprozesse in den 1960er Jahren" auseinander (AK, 8-27). Zu Beginn ihrer Überlegungen steht der Versuch einer näheren Bestimmung des Begriffs Multiple: Angesichts eines Definitionen tendenziell verweigernden Mediums, das von Künstlern und Verlegern unterschiedlich bearbeitet und betrachtet wird, lässt sich konstatieren, dass das Multiple als Auflagenobjekt - erwerbbar zu deutlich niedrigeren Preisen als Malerei und Skulptur und somit für ein größeres Publikum erschwinglich - paradigmatisch steht für die Öffnung des Kunstmarkts wie auch für den liberalisierten Umgang mit Kunst. Beides sollte nicht mehr auf den musealen Raum beschränkt sein, sondern stattdessen in den Alltag auch 'kunstferner' Schichten hinein reichen. Skrobanek reiht sich mit dieser Einschätzung in die Forschungsdiskussion ein. [2] Was ihren Beitrag im Besonderen und die Herangehensweise an die Sammlung Beck im Ausstellungs- wie im Bestandskatalog so lesenswert macht, ist die enge Verknüpfung mit ebenjener Sammlung, die neben Objekten und Drucken auch Bücher, Schallplatten, Ausstellungsplakate und Postkarten umfasst, außerdem ein Zeitungsarchiv und über 2600 Karteikarten, auf denen Beck jedes einzelne Werk katalogisierte und den Kaufpreis vermerkte. Indem Skorbanek den Werdegang des Sammlers, seine zunehmende Vernetzung in der Kunstszene des Rheinlands und darüber hinaus nachzeichnet, entsteht zugleich auch ein lebendiges Bild des Kunsthandels und der florierenden Editionspraxis der späten 1960er- und der 1970er-Jahre. So zeugt beispielsweise ein sorgfältig geführtes Fotoalbum Becks - im Ausstellungskatalog auf einer Doppelseite abgebildet - von dessen regelmäßigen Besuchen des 1967 von Hein Stünke und Rudolf Zwirner gegründeten Kölner Kunstmarkts (AK, 11-13). Becks Kontakte zu Verlegern wie Wolfgang Feelisch, dessen VICE-Versand für seine zunächst unlimitierten Auflagen bekannt war, oder Klaus Staeck, der mit begrenzten Auflagen arbeitete und viel Wert auf die Signatur des Künstlers und die Nummerierung der Multiples legte, macht die prinzipielle Offenheit des Mediums deutlich: Multiples konnten in hoher oder auch nur in kleiner Auflage erscheinen. Sie konnten vom Künstler signiert oder unsigniert sein. Dieser war mitunter auch der Produzent des Objektes, manchmal aber lediglich sein Ideengeber. All diese Parameter wurden letztendlich individuell von Verleger und Künstler entschieden. Die Flexibilität des Mediums Multiple, seine jeweils von Künstlern und Verlegern bevorzugten Herstellungsbedingungen sind nicht nur Gegenstand von Skrobaneks Ausführungen, sondern zentrales Thema des gesamten Ausstellungskataloges und wird auch in den Interviews mit Staeck, Feelisch und weiteren Verlegern sichtbar.

Ein weiteres wesentliches Thema der Publikation ist der Stellenwert der Originalität des einzelnen Objekts sowie dessen Rezeption: "Das ursprüngliche Ideal der Multiples, die künstlerische Idee losgelöst von der Person des Künstlers zu kommunizieren, konnte [...] nur in Ansätzen verwirklicht werden", konstatiert Skrobanek, denn "[d]ie Käufer erwarteten signierte Werke, um sich zu versichern, dass sie Originale gekauft hatten" (AK, 18). Die konzeptuelle Offenheit des vervielfältigten Kunstwerks scheitert an der Erwartungshaltung des Publikums, das auf der Künstlersignatur und der darin konservierten Aura des Originals besteht. Von einer Auflösung des traditionellen Werkbegriffs kann demnach nicht gesprochen werden. Hier distanziert sich Skrobanek von der einschlägigen Literatur zum Thema. [3]

Im einleitenden Beitrag zum Bestandskatalog richtet sich Skrobaneks und Schallenbergs Blick auf die Geschichte der Sammlung Heinz Beck im Wilhelm-Hack-Museum. Eine reine Bestandsaufnahme ist der Band demnach nicht; vielmehr wird er ergänzt um kurze, "Zooms" genannte Exkurse, die verschiedene aus (kunst-)historischer oder restauratorischer Sicht bedeutsame Objekte und Grafiken fokussieren. So ist beispielsweise Thomas Bayrles bedruckten Regenmänteln von 1968 eine Doppelseite gewidmet. Während Skrobanek die "tragbaren Graphiken" (BK, 21) kunsthistorisch kontextualisiert, erläutert der Restaurator Herbert Nolden ihre Herstellungsweise. Durch die in die Inventarliste eingestreuten "Zooms" wird die Diversität der Sammlung Heinz Beck, die bis 2013 unter dem missverständlichen Namen 'Pop-Sammlung Beck' geführt wurde, deutlich: Neben Pop-Art Grafiken finden sich auch Arbeiten des Nouveau Réalisme, von Fluxus und der Concept Art.

Bestands- und Ausstellungskatalog in Union erfüllen die Ansprüche, die sich das Kuratorenteam selbst gesetzt hat: dem Leser "Informationen aus allen wichtigen die Sammlung und ihre Entstehungszeit betreffenden Bereichen und Anregungen für eine erneute Auseinandersetzung mit der Kunst der 1960er und 1970er Jahre zu liefern" (BK, 16). Dass dies immer im Verweis auf die Sammlerpersönlichkeit Heinz Beck und seine heute im Wilhelm-Hack-Museum zu findenden Schätze geschieht, ist angesichts des primären Interesses des Projekts, erstmals einen vollständigen Bestandskatalog der Sammlung vorzulegen, nachvollziehbar.


Anmerkungen:

[1] Hier ist unter anderem die Ausstellung "Leben mit Pop! Grafik der 1960er Jahre von Warhol bis Richter" des Museums der Bildenden Künste in Leipzig zu nennen: Hans-Werner Schmidt / Frédéric Bußmann (Hgg.): Leben mit Pop! Grafik der 1960er-Jahre von Warhol bis Richter, Leipzig 2012; ebenso: Jo Enzweiler (Hg.): A Cup of Pop, Künstlertassen aus der Sammlung Heinz Beck, Saarbrücken 2008. Im Wilhelm-Hack-Museum wurden Teile der Sammlung in den Ausstellungen "Pop. Kunst der 60er Jahre. Druckgraphik und Tassen" (1991), "Fluxus & Concept Art" (1991) und "Von Pop bis Polit. Kunst der 60er Jahre in der Bundesrepublik" (1996) gewürdigt.

[2] Siehe u.a. Chris Dercon / Julienne Lorz (Hgg.): Made in Munich. Editionen von 1968 bis 2008, Ausstellungskatalog Haus der Kunst in München, Köln 2011, darin besonders Julienne Lorz' ausführlicher Beitrag zur Geschichte des Multiples und seiner Stellung im Kontext der Kunstproduktion der 1960er-Jahre (265-320); sowie: Peter Schmieder: Unlimitiert. Der VICE-Versand von Wolfgang Feelisch. Kommentiertes Editionsverzeihnis der Multiples von 1967 bis in die Gegenwart, Köln 1998; Peter Weibel (Hg.): Kunst ohne Unikat. Edition Atelier 1985-1998, Köln 1998, darin besonders Birgit Maria Sturm: Das Multiple und sein Markt. Ein künstlerisches Medium und Wege seiner Vermittlung (26-43).

[3] Z.B. von Peter Schmieder: Unlimitiert. Der VICE-Versand von Wolfgang Feelisch, Köln 1998, 185f.

Rezension über:

Kerstin Skrobanek / Nina Schallenberg / Reinhard Spieler (Hgg.): Die Sammlung Heinz Beck. Bestandskatalog, Köln: Wienand 2013, 200 S., 150 Farbabb., ISBN 978-3-86832-191-3, EUR 34,00

Kerstin Skrobanek / Nina Schallenberg / Reinhard Spieler (Hgg.): Gut aufgelegt. Die Sammlung Heinz Beck, Köln: Wienand 2013, 196 S., 227 Farb-, 43 s/w-Abb., ISBN 978-3-86832-166-1, EUR 34,00

Rezension von:
Katrin Kolk
Kunstgeschichtliches Institut, Goethe-Universität, Frankfurt/M.
Empfohlene Zitierweise:
Katrin Kolk: Die Sammlung Heinz Beck (Rezension), in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 10 [15.10.2014], URL: https://www.sehepunkte.de/2014/10/24170.html


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