Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Sven Reichardt, Konstanz


Friedrich Kittler: Die Wahrheit der technischen Welt. Essays zur Genealogie der Gegenwart, Berlin 2013.

Keine innovative Mediengeschichte kommt an den Denkanstößen des zu früh verstorbenen Berliner Literaturwissenschaftlers und Medientheoretikers vorbei. Die Wirkung von Technik, Krieg, Militär und Aufschreibesystemen auf die Literatur werden in diesem Essayband als Geistesblitze präsentiert. Eine schöne Einführung in Kittlers unvollendetes Werk und in seine unvergleichliche Diktion, mit klug ausgewählten Aufsätzen von 1978 bis 2010.


Antonio Pennacchi: Canale Mussolini, München 2012.

Der preisgekrönte historische Roman des Schriftstellers Antonio Pennacchi erzählt die Geschichte des Faschismus aus der Perspektive der Familie Peruzzi, Bauern und Halbpächter aus der Region der Emilia-Romagna, dem Herzen des aufsteigenden Faschismus. Gefolgschaft und Faszination der in die Pontinischen Sümpfe umgesiedelten Familie werden anschaulich und packend beschrieben. Wer den europäischen Faschismus von innen heraus, ergänzend zu den neuen Fachbüchern von Fabio Fabbri, Alexander Korb oder Thomas Rohkrämer verstehen will, der lese diesen provokanten Roman.


Jonathan Sperber: Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert, München 2013.

Wie oft wurde Karl Marx nun schon totgesagt und wie oft haben ihn die Wirtschaftskrisen wieder auferstehen lassen? Die umstrittene Biographie des US-amerikanischen Historikers zeigt den Philosophen, Ökonomen, Journalisten und Politiker als Revolutionär und als Menschen des 19. Jahrhunderts. Akribisch recherchiert und voller Anschaulichkeit.


Jan-Werner Müller: Das demokratische Zeitalter. Eine politische Ideengeschichte im 20. Jahrhundert, Berlin 2013.

Eine Überblicksdarstellung darf in der Liste nicht fehlen und diese innovative Ideengeschichte, die ganz Europa in den Blick nimmt, setzt 1918 ein und reicht bis zum Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten. Angereichert mit einer Fülle von biografischen Skizzen zeichnet der in Princeton lehrende Historiker Jan-Werner Müller die Geschichte des ebenso unscharf konturierten wie facettenreichen Modells liberaldemokratischer Politik nach.


Josef Foschepoth: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen 2012.

Dass das Ende der Privatsphäre nicht erst mit der freiwilligen Selbstüberwachung durch Facebook und dem computervernetzendem Big Data einsetzte, zeigt diese detailreiche Studie zum Post- und Fernmeldeverkehr in der alten Bundesrepublik zwischen 1949 und 1989. Die Nachrichtendienste des Bundes und der Siegermächte hatten bereits früh einen großen, effizienten und effektiven Überwachungsstaat auf- und ausgebaut. Aktueller kann ein historisches Buch nicht sein.