Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Frank Rexroth, Göttingen


Kurz vor dem Gedenkjahr 2014 erschienen nicht nur Biographien Karls des Großen: Joachim Ehlers, Otto von Freising. Ein Intellektueller im Mittelalter, München 2014, perspektiviert seinen 'Helden' von dessen Schulbesuch in Paris aus, von seiner Teilhabe an der intellektuellen Welt der frühen Scholastik, von der er sich schließlich abwandte. Ehlers hat in der Vergangenheit oft die Frage aufgeworfen, inwiefern man mit der sozialen Herkunft des Episkopats erklären kann, warum die Kirche im Reich im Vergleich mit Frankreich so bildungsfern geblieben ist. Hier präsentiert er nun den interessanten Ausnahmefall eines Mannes, der die Pariser Schulen besuchte, um sich dann - habituell bedingt - vom Mainstream der frühen Scholastiker zu distanzieren. Auf die Diskussionen, die dieses Werk anregen wird, darf man gespannt sein.

Eine der vertracktesten Aufgaben, die einen Mediävisten beschäftigen kann, ist die Edition der karolingischen Kapitularien. Das Vorhaben, die Ausgabe aus dem späten 19. Jahrhundert zu ersetzen, stand lange im Raum. Auf der Grundlage der Vorarbeiten des verstorbenen Hubert Mordek und des 2010 völlig überraschend verstorbenen Klaus Zechiel-Eckes besorgte Michael Glatthaar für die Monumenta Germaniae Historica eine mustergültige, mit einer deutschen Übersetzung versehene Edition eines der bedeutendsten Kapitularien: Die Admonitio generalis Karls des Großen, hg. v. Hubert Mordek, Klaus Zechiel-Eckes und Michael Glatthaar (MGH Fontes iuris Bd. 16), Hannover 2012. Im Karlsjahr 2014 wird ihr hoffentlich viel Beachtung zuteil werden.

Die politische Brisanz von Mittelalterbildern im Deutschland vor 1945 (und freilich auch danach) ist gut bekannt, und es gibt eine ganze Reihe von Studien, die diese Bilder erklären und ideengeschichtlich plausibel einordnen. Besonders wertvoll finde ich dabei eine noch recht junge literaturwissenschaftliche Berliner Dissertation: Bastian Schlüter, Explodierende Altertümlichkeit. Imaginationen vom Mittelalter zwischen den Weltkriegen. Göttingen 2011. Der Autor schafft es, die wahrscheinlich meistrezipierten Evokationen des Mittelalters, die Werke bspw. Hermann Hesses und Hermann Brochs, Rudolf Borchardts und Stefan Georges sowie letztlich Thomas Manns (von den 'Betrachtungen eines Unpolitischen' bis zu 'Der Erwählte') mit den Werken der zeitgenössischen Sinngebungsliteratur zusammenzuführen und damit in ihrem Zeitbezug verständlich zu machen.

Mein persönliches Buch des Jahres in der Sparte "Grundsätzliches" war Albrecht Koschorke, Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Erzähltheorie. Frankfurt am Main 2012. Erzählen ist eine "sprachlich elaborierte Form sozialen Handelns", eine fundamentale Kulturtechnik, über die wir uns eine Vorstellung von unserer Welt machen und mittels derer wir in dieser Welt interagieren. Ausgangspunkt ist dabei der Gedanke, dass die "epistemisch indifferente" (d.h. Wahres und Erfundenes gleichermaßen vermittelnde) Erzählung dies zu leisten vermag, indem sie auf Veruneindeutigung hin angelegt ist, indem sie also den Sinn des Vermittelten nicht schärft, sondern reduziert, Schemata bildet und sich damit zu ganz verschiedenen Verständnisweisen hin öffnet. Wie man sich dies vorstellen kann, legt der Autor dar, indem er ganz verschiedene Wissensfelder und Disziplinen miteinander vermittelt.

Wer sich müde gelesen hat, kann etwas hören, zum Beispiel die Audio-Geschichte Deutschlands, die der Hörverlag in Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk 2012 in zwölf Folgen produzierte: Unterwegs in der Geschichte Deutschlands: 800 bis heute, hg. v. Andreas Horchler, Christiane Hillebrand u.a., 2012. Ich finde das Projekt insgesamt sehr gut gelungen (ich war selbst daran beteiligt, insofern ist das zu Teilen auch pro domo gesprochen). Die Autorinnen und Autoren der Folgen setzen Schwerpunkte, lassen sich aber auch auf die Themen ein, die den herangezogenen Historiker-Experten am Herzen lagen. Mangels Originalton-Dokumenten taucht in den ersten Folgen leitmotivisch eine Improvisation über das Deutschlandlied auf, historisierend gespielt von einem Ensemble für mittelalterliche Musik. Roll over Joe Haydn!