sehepunkte 13 (2013), Nr. 9

Kathryn Welch: Magnus Pius

Das anzuzeigende Werk macht von Beginn an neugierig: Es will mit Sextus Pompeius einen bislang eher als Randfigur gesehenen Politiker in den Rang erheben, der ihm zustehe, um damit zu zeigen, dass die Bürgerkriege auch nach Philippi noch massiv von altem Gedankengut geprägt waren, das von eben Sextus Pompeius vertreten wurde. Damit würde ein als "Pirat", "Rebell" , "Abenteurer" o.ä. apostrophierter Akteur zum letzten großen Republikaner mutieren und als Erbe der freiheitlichen Idee eine andere Aufmerksamkeit beanspruchen können, als dies bislang der Fall ist.

Zunächst überzeugt die Prämisse der Autorin: "Pompeius' sustained success over such a long period [zwischen 44 und 36] must have made an impact on his contemporaries and yet for the most part we ignore or minimise it." (2) Dass sie sich vorwiegend auf das Verdikt Ronald Symes aus der "Roman Revolution" stützt [1], um diese Tendenz zu belegen (3), andere Stimmen, wie etwa den um Ausgewogenheit bemühten RE-Artikel von Franz Miltner [2], dabei kaum berücksichtigt, verwundert (obwohl sie durchaus deutschsprachige Literatur rezipiert). Nichtsdestotrotz deckt Welch auf, wie selten die zentrale Bedeutung von Sextus Pompeius im großen Strom der modernen Forschung aufscheint.

Zur Leitfrage des Werks gerät also, ob Sextus Pompeius, wenn auch als Pirat etc. gekennzeichnet, letztlich der defensor rei publicae war - nur ist die Frage früh beantwortet (11: "The causa rei publicae had a way of renewing itself because it was based on an idea, not a person" und "it fell to [...] Pompeius to keep the cause alive and [...] he accepted the challenge."), und die Darstellung dient in der Folge dem Beleg. Damit ist die Bedeutung der Figur ebenso früh auf die causa rei publicae fokussiert (32: "It suggests that a different narrative needs to be written about the very Republic that he and his allies were fighting to preserve."; so auch z.B. 154 u. 196f. u. 312), und weitere möglicherweise relevante Einflussnahmen werden dementsprechend a priori marginalisiert.

Dabei sieht Welch entscheidende strukturelle Faktoren (23: "The story of Sextus Pompeius [...] is a seminal part of the history of Roman engagement with the Mediterranean Sea. Only once naval activity and its impact on events from 49 to 42 have been closely examined do we have a proper context against which that life can be understood."), sie ordnet sie jedoch ihrer Rehabilitierungsabsicht unter; dies macht auch vor der als republikanisch bezeichneten jeweiligen Konfliktpartei nicht halt, die durchweg als um Anstand bemüht gezeichnet wird (26: Pompeius und Cato "wanted an ethical civil war"), während propagandistische Aktionen der als Gegenseite wahrgenommenen Akteure gern mit deutlicher Tendenz belegt werden (15: die Piratenbezeichnung der Res gestae als "infamous").

Das Erbe, mit dem sich Sextus Pompeius nach Pharsalos konfrontiert sah, wird in den Kapiteln 2 und 3 dargestellt, ebenso wie die Traditionslinie zu seines Vaters Politik; ob die Fortführung des Bürgerkriegs tatsächlich von pietas diktiert war (115), mag dahinstehen, doch verdeutlicht Welch Abhängigkeiten und personale Infrastrukturen, die der Sohn des Cn. Pompeius zu berücksichtigen hatte. Das intensive vierte Kapitel versucht ein weiteres Mal die Nachzeichnung der Ereignisse in Rom nach den Iden des März, und andere Befassungen von Welch kommen hier zum Tragen - hier bemüht sie sich, Sextus Pompeius' Rolle als virtus-Träger auch in der stadtrömischen Auseinandersetzung zu erhöhen. Auch in den folgenden Kapiteln wird der Rahmen der letzten republikanischen Jahre mit prosopographischem Einschlag beleuchtet, wobei manches Detail entbehrlich wirkt.

Die Darstellung mit intensiver Quellendiskussion um das Bellum Siculum (Kap. 7, 261-289) ist der stärkste Abschnitt des Buchs. Welch zeigt nachdrücklich die Dimension dieser gewaltigen Auseinandersetzung, sie eruiert Handlungsalternativen und deckt die Darstellungstendenzen der antiken Autoren auf, etwa anhand der Frage, weshalb Sextus Pompeius seine zwischenzeitlichen Siege nicht besser zu nutzen verstand. Hier endlich weist Welch auf die aus ihrer (und des Rezensenten) Sicht falsche Tendenz der Forschung hin, die Relevanz der Figur Sextus Pompeius zu gering zu veranschlagen - und dies unabhängig von der Frage, ob er weiterhin für die res publica kämpfte. Mit der das Kapitel beschließenden Interpretation des Nachrufs bei Appian (civ. 5,143) kehrt sie allerdings wieder in ihre engere Sichtweise auf das Phänomen zurück.

Sehr gelungen ist auch die Diskussion (294-9) um die Selbstdarstellung von Octavian als "Neptune's new favourite?" nach Naulochos, auch wenn erneut die Frage nach dem Umgang mit der Person Sextus im Vordergrund steht, anstatt das systemische Potential der Frage auszuloten (was im Rahmen der Fragestellung völlig legitim ist). In ihrem Plädoyer für eine frühe Datierung navaler Momente im Bildprogramm des Siegers als auch des Bostoner Intaglio mit Octavian in Neptunpose belegt Welch die Bedeutung der Überwindung des Sextus Pompeius für den späteren princeps.

Nach dem ersten Kapitel sind indes die wesentlichen Fragen zumindest thesenhaft beantwortet, und stets schimmert ein leidenschaftliches Plädoyer für die Bewahrung der Republik mitsamt dem von Welch ausgemachten Hoffnungsträger Sextus Pompeius durch. Dabei kann sie sich durchaus in der Tradition der Überlieferung von Appian (der allerdings Lucius Antonius eher in der Rolle sieht, siehe dazu die Diskussion 218ff.) und Cassius Dio verorten und deren Einschätzungen pointiert zugespitzt herausarbeiten. In jedem Fall wird sehr deutlich und richtig betont, dass Sextus Pompeius in den Quellen keinesfalls als bloßer Rebell, Pirat o.ä. erscheint, sondern vielmehr als der zunächst fälschlich ins Unrecht gesetzte Antipode der Triumvirn, teils gar der moralische Widerpart. Schon in dieser Hinsicht ist das Buch ein Gewinn. Darüber hinausgehende Interpretationen, die bereits 2002 prägend für die Konzeption eines Sammelbandes waren [3], scheinen jedoch zweifelhaft, und dies offenbart sich z.B., wenn Welch die eindeutige Überlieferungslage hinsichtlich der auch numismatisch belegten Neptun-Bezugnahme abschwächt, um einzelne republikanisch verstandene Faktoren wie die Pius-Stilisierung dagegen aufzuwerten. Die Rekonstruktion der wahren Motive des "Seekönigs" wird damit zur Überzeugungstat, anstatt die Ambivalenz und die Besonderheit der Figur Sextus Pompeius herauszustellen.

So wird die detaillierte Sachkenntnis, die dem Werk zugrundeliegt, in den Dienst einer tendenziösen Aussage gestellt. Ist man bereit, entweder Welchs Deutung zu folgen oder aber besagte Tendenz geringer zu gewichten, erbringt das Buch einen wertvollen Beitrag zur Beurteilung der letzten Krisenzeit der römischen Republik. Dass womöglich gerade Sextus Pompeius eine geeignete Figur gewesen wäre, gewohnte Schemata der Einteilung, etwa in Pro- und Antirepublikaner, zu verlassen, steht auf einem anderen Blatt.


Anmerkungen:

[1] R. Syme: The Roman Revolution, Oxford 1939.

[2] F. Miltner: S. Pompeius Magnus, RE XXI,2, Stuttgart 1952, Sp. 2213-2250.

[3] A. Powell / K. Welch (Hgg.): Sextus Pompeius, London/Swansea 2002.

Rezension über:

Kathryn Welch: Magnus Pius. Sextus Pompeius and the Transformation of the Roman Republic, Swansea: The Classical Press of Wales 2012, XVIII + 364 S., 35 s/w-Abb., 11 Karten, ISBN 978-1-905125-44-9, GBP 50,00

Rezension von:
Christian Wendt
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Empfohlene Zitierweise:
Christian Wendt: Rezension von: Kathryn Welch: Magnus Pius. Sextus Pompeius and the Transformation of the Roman Republic, Swansea: The Classical Press of Wales 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 9 [15.09.2013], URL: https://www.sehepunkte.de/2013/09/22849.html


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