Geschenktipps (nicht nur) zu Weihnachten

Frank Bösch, Potsdam


Michael Rutschky: Das Merkbuch - Eine Vatergeschichte, Berlin 2012.

Rutschky geht detektivisch den wenigen Spuren nach, die sein Vater in den 1950er Jahren in seinen Taschenkalendern hinterließ. Über Vermerke zu Hoteladressen, Ausgaben für Blumen oder Namen von Geschäftspartnern nähert er sich trotz der dürftigen Einträge feinfühlig dem kleinbürgerlichen Leben des ersten Nachkriegsjahrzehnts an und damit den Erlebnissen seiner eigenen Jugend, die der Autor schließlich ebenfalls in kurzen Kalendereinträgen notierte. Daraus entsteht eine einfühlsame Reflexion über die Alltagsgeschichte der Ära Adenauer, aber auch eine kreative Spurensuche, die selbst für Historiker anregend ist.

Film: "This ain't California", 2012.

Auch wer glaubt, er kenne schon alle Genre des Geschichtsfilms, wird hier überrascht. Auf den ersten Blick ist die Story über Skateboarder in der DDR ein sehr amüsantes Dokudrama, das mit Zeitzeugen, alten Schmalfilmen und ein paar Reenactments eine unangepasste Jugend im Sozialismus rekonstruiert. Auf den zweiten Blick oder spätestens nach Lektüre der vielen Feuilleton-Artikel erweist sich der Film jedoch als ein raffiniertes Spiel mit jener historischen Authentizität, die die Fernsehdokus à la Knopp uns bieten. Empört stellten Blätter wie der "Spiegel" und die "Zeit" fest, man wisse bei diesem Film am Ende gar nicht mehr, was nun die echten Filmquellen seien. Gerade dies ist die wunderbare Herausforderung für Historiker, um über den Status von Quellen im Medienzeitalter nachzudenken. Derzeit im Kino, bald auf DVD.

Hans-Peter Schwarz: Helmut Kohl. Eine politische Biographie. München 2012.

Hans-Peter Schwarz erweist sich ein weiteres Mal als ein Meister der Biographie und erinnert uns daran, welchen sprachlichen Genuss auch historische Bücher bieten können. Mit feinem Humor und einfühlsamen Überlegungen nähert er sich dem Machtmenschen Kohl. Natürlich steht Schwarz dem Altkanzler oft nahe und beruft sich auf dessen Erinnerungen. Aber er bricht diese nicht selten und weist sie als typische Anekdoten aus, mit denen Kohl sein Umfeld unterhielt, was zugleich sein Buch so unterhaltsam macht.

Josef Foschepoth: Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik, Göttingen 2012

Foschepoth bietet einen besonders spektakulären Vorgeschmack auf die ab 2013 bevorstehende Öffnung der VS-Akten. Sein Buch ist zwar kein klassischer Schmöker für die Weihnachtstage, sondern eher eine durchaus politisch pointierte Spezialstudie mit spannenden Erkenntnissen. So zeigt es, wie in der frühen Bundesrepublik millionenfach Post aus der DDR geöffnet und vernichtet wurde, Telefonleitungen überwacht und Adenauer die alliierten Vorbehaltsrechte gezielt instrumentalisierte, um diese am Grundgesetz vorbeischrammende Praxis zu ermöglichen. Zumindest in dieser Hinsicht ist es ein Thriller.

Maren Möhring: Fremdes Essen. Die Geschichte der ausländischen Gastronomie in der Bundesrepublik Deutschland, München 2012.

Wie kam die italienische Küche oder der "Balkan-Grill" nach Deutschland? Maren Möhring bietet Geschichte mit Geschmack und erschließt vielschichtig ein ungewöhnliches Thema. Sie eröffnet neue Zugänge zur Geschichte der Migranten, zur Esskultur als zeithistorischem Thema und macht mit dichten Beschreibungen von Gaststätten deutlich, wie sich von den ersten italienischen Eisdielen an die deutsche Kultur veränderte. Ebenso zeigt sie, welche Steine die Behörden den Migranten bis in die 1970er Jahre in den Weg legten, wenn sie Restaurants eröffnen wollten, und unterstreicht damit die Grenzen der Liberalisierung. Schade, dass es trotz des spannenden Themas für ein schnelles Geschenk zu teuer ist und man auf die Taschenbuchausgabe hoffen muss.