KOMMENTAR ZU

Friedrich Edelmayer: Rezension von: Markus Reinbold: Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf, Gleichen: Muster-Schmidt 2009, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 2 [15.02.2012], URL: http://www.sehepunkte.de/2012/02/16974.html

Von Markus Reinbold

In der Rezension - oder sollte man besser sagen: dem bösartigen Verdikt - Friedrich Edelmayers zu meiner Biografie Philipps II. von Spanien in der bekanntermaßen kompakten Reihe "Persönlichkeit und Geschichte" vergisst der Rezensent nicht, seine eigene Biografie des spanischen Königs anzupreisen. Sein Buch erschien eineinhalb Monate nach meinem, was ihn nicht daran hinderte, auf dem Klappentext und im Vorwort vollmundig zu behaupten, er sei der erste, der das deutschsprachige Publikum seit Jahrzehnten über Philipp II. umfassend aufkläre. So viel zu der Faktentreue des Historikers Edelmayer.

Um den Autor des rezensierten Buches gleich zu Anfang herabzuwürdigen, berichtet Edelmayer von seiner Leseblockade: Mindestens zehn Mal habe er sich überwinden müssen, um über die ersten Seiten hinauszukommen - so hart kann das Rezensions-Geschäft sein! Erstaunlich, dass andere Rezensenten zu ganz anderen Eindrücken gelangten, etwa der Frühneuzeit-Historiker Michael Rohrschneider. Dessen für Edelmayer wenig schmeichelhafter Vergleich beider Biografien [1] hat den Professor aus Österreich dann wohl auf die Idee gebracht, den Konkurrenten einmal ordentlich zurechtzustutzen.

Bezeichnenderweise interessiert sich Edelmayer dann auch in seiner Besprechung nicht weiter für die Positionen des Autors oder dessen "Bilanz"-Kapitel (S. 108-116), das eben eine differenzierte, aber auch klare Bewertung der Herrschaft Philipps II. im Kontext der aktuellen Forschungsdiskussionen beinhaltet. Denn er selbst meidet derlei. In Edelmayers Biografie erschöpft sich das Resümee in Banalitäten (S. 269f.), zu maßgeblichen Forschungsdebatten hat er entweder keine Meinung, oder er verschweigt sie dem Leser. Kein Wunder also, dass er sich in seiner Rezension darauf konzentriert, Erbsen zu zählen, sprich Jahreszahlen zu überprüfen, an Formulierungen herumzumäkeln und zu lamentieren, welche Fakteninformationen man unbedingt noch hätte mitteilen müssen. Dabei geht er mitunter recht perfide vor, reißt Aussagen aus dem Sinnzusammenhang und stellt sie in einen erfundenen. Die Auswüchse dieser Rezensionsmethode sollen im Folgenden dargestellt und die Verdrehungen richtiggestellt werden.

Die dreist aus dem Zusammenhang gerissenen und vom Rezensenten neu zu einem wirren Text zusammengesetzten Zitate der Seiten 9 bis 17 im dritten Abschnitt seiner Rezension zeigen Friedrich Edelmayer als gescheiterten Cut-up-Künstler. Danach nimmt er sich längere Passagen vor und dreht dem angegriffenen Autor die Sätze und das Wort im Munde herum, z.B.: "Philipp II. dagegen las den Ritterroman Amadís de Gauda. Dass er den Don Quijote von Cervantes nicht lesen konnte, weil das Werk erst am Beginn des 17. Jahrhunderts publiziert wurde (17), müsste klar sein. Was hat Cervantes also hier zu suchen, wenn ohnedies kein Platz für differenzierte und kontextualisierte Darstellungen ist?" Erstens hat Amadís de Gaula, wie der Roman korrekterweise auch in meinem Buch heißt, nichts mit dem Schweizer Käse Gouda oder nun: Gauda zu tun, als den Edelmayer ihn groteskerweise bezeichnet; zweitens schreibe ich im Original: "Was die Gattung des Romans betrifft, so war der 1508 erstmals erschienene Ritterroman "Amadís de Gaula" (Amadis von Gallien) das gesamte 16. Jahrhundert hindurch erfolgreich und zählte auch zur Lektüre Philipps II. Der größte Roman in spanischer Sprache, Cervantes' 'Don Quijote' (1605), hat sich bereits von der Zeit des Katholischen Königs abgelöst: 'Das Spanien Don Quijotes ist das Spanien Philipps III. und der korrupten Verwaltung des Herzogs von Lerma, dem dieser König die lästigen Regierungsgeschäfte überließ' (Vicente Cantarino)." (S. 17.) Nicht jeder interessierte Leser - das weiß man im Elfenbeinturm in Wien vielleicht nicht - kennt das genaue Erscheinungsdatum des "Don Quijote", zumal in einer Zeit, da Anglistik-Studenten Shakespeare bei Umfragen in einer Bandbreite vom 13. bis 19. Jahrhundert einordnen. Daher sehe ich in dem Hinweis, dass Cervantes’ Werk in die Zeit nach Philipp II. fällt, kein Sakrileg. Doch weiter im Edelmayer-Stakkato: "Als Philipp II. die Niederlande besuchte, konnte er bemerken, dass in Antwerpen der 'Reichtum auch kulturelle Blüten trieb' (25). Philipp II. erledigte in den Niederlanden einen 'wahre[n] Werbe-Marathon, wie ihn sonst nur Politiker der Moderne in Wahlkampfzeiten absolvieren' (25)." Man muss schon ein wahrer Beckmesser sein, um sich an diesen Formulierungen zu stoßen.

Nächste Attacke: "Es ist beispielsweise davon auszugehen, dass Philipp II. seinen Elefanten und das Nashorn nicht verspeisen wollte, aber sie kommen in einer Reihe mit den aufzuessenden Tieren vor", kritisiert Edelmayer. Meine Textstelle lautet im Original: "Doch es befanden sich nicht nur Nutztiere am Hof, zu denen im übrigen auch zehn Kamele zählten: Neben dem für den Verzehr vorgesehenen Federvieh konnte man auch Ziervögel wie die 34 Kanarienvögel bewundern, die man 1575 in einer Voliere gegenüber dem Palast zur Schau stellte. In zooähnlichen Gehegen in der Anlage von El Escorial lebten zudem seit 1583 ein Elefant und ein Nashorn." (S. 31f.) Ein weiterer Kommentar zur Verfälschung meiner Aussage durch Edelmayer erübrigt sich hier.

Das Philipp II. von mir "unterstellte" Verhältnis mit Isabel de Osorio, so Edelmayer weiter, falle in den Bereich der Mythen. Nun, entweder war Edelmayer im Schlafzimmer Philipps II. dabei, was seine apodiktische Äußerung fast vermuten ließe; oder aber er akzeptiert, dass es in der Forschung durchaus auch anderslautende Einschätzungen gibt wie zuletzt bei Geoffrey Parker. [2] Nächste Verdrehung Edelmayers: "Auch wenn sich Reinbold auf Carlos Fuentes beruft, ist es ein Unsinn, Buenos Aires in der Zeit Philipps II. als 'große Abflußrinne der Silbermine von Potosí in den Atlantik' zu bezeichnen (92). Das Silber von Potosí ging im 16. Jahrhundert über die Pazifikroute zur Landenge von Panamá und von dort weiter in den atlantischen Raum." Im Original schreibe ich: "Manche Städte wie Potosí stiegen durch die Silberminen wie Phönix aus der Asche: In der 1543 gegründeten Bergwerksstadt , in der bald 15000 Zwangsarbeiter schufteten, lebten 1573 bereits 150000 Menschen, während heute bekannte Metropolen wie Buenos Aires, 'die große Abflußrinne der Silbermine von Potosí in den Atlantik' (Carlos Fuentes), oder Santiago de Chile lange noch ein Schattendasein mit wenigen Tausend Einwohnern fristeten." Ausdrücklich spreche ich davon, dass diese Großstädte der Zukunft - von denen schreibt auch Fuentes in seinem bekannten Panorama "Der vergrabene Spiegel" - zur Zeit Philipps II. noch unbedeutend sind. Die von Edelmayer oberlehrerhaft skizzierte Route des Silbers über den Landweg stelle ich noch auf genau derselben Buchseite (S. 92f.) detailliert dar - Edelmayer freilich unterschlägt dies und tut so, als bliebe der Leser darüber im Unklaren. Wie unredlich kann ein Rezensent sein?

Eine Vielzahl von Lesern und alle bisherigen Rezensenten meines Buches von FAZ [3] und WELT [4] bis zu Fachzeitschriften wie der ZHF beurteilten meine Biografie Philipps II. überaus positiv. Edelmayer in seiner nicht gerade sine ira et studio verfassten Rezension hingegen polemisiert, seine Werkzeuge sind Häme und böswillige Paraphrasen, das Ergebnis ist ein Zerrbild. Die Leser seien aufgefordert, sich ein eigenes Bild von meinem bewusst kompakten Büchlein zu machen, das sicher nicht vollkommen ist, das aber als erster Zugriff auf die Person Philipps II. von Spanien gern gelesen wird.

Anmerkungen:

[1] "Reinbolds Darstellung ist in zweierlei Hinsicht besonders bemerkenswert: Zum einen erweist sich die Lektüre als ausgesprochen kurzweilig, was sich im Hinblick auf die beabsichtigte Gewinnung eines breiteren Leserkreises sicherlich auszahlen wird; zum anderen ist es ihm trotz der Kürze seiner Darstellung gelungen, in wichtigen Fragen der Forschung zu überzeugenden Bewertungen zu gelangen."; "Ein explizites Aufgreifen der Forschungskontroversen über die Bedeutung des Faktors "Konfession" in der Außenpolitik oder über die vermeintliche "grand strategy" Philipps II. (im Sinne Geoffrey Parkers) findet man in Edelmayers Darstellung nicht. Auf der Grundlage seiner langjährigen wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem spanischen Monarchen legt er vielmehr eine ausgesprochen faktenintensive Biografie vor [...]", in: Michael Rohrschneider: Doppelrezension zu Friedrich Edelmayer: Philipp II. Biographie eines Weltherrschers. Stuttgart 2009 und zu Markus Reinbold: Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf. Gleichen 2009, in: ZHF 37 (2010), S. 716f.

[2] Geoffrey Parker: Felipe II. La biografía definitiva. Barcelona 2010, S. 80f.

[3] Martina Lenzen-Schulte: Beim wunderbaren Gott - der Mann nimmt ein! Hier irrte Schiller und ein Psychoanalytiker erst recht: Markus Reinbold hellt das Bild von Philipp II. auf, in: FAZ vom 28.10.2009, S. 30.

[4] Johanna Schmeller: Rezension zu Markus Reinbold: Philipp II. von Spanien. Machtpolitik und Glaubenskampf, in: DIE WELT vom 22.05.2010, S. 30.


REPLIK

Von Friedrich Edelmayer

In seiner Antwort auf meine Rezension sind mit Markus Reinbold die Pferde sprichwörtlich durchgegangen. Seine Formulierungen sind knapp an der Grenze dessen, was als persönliche Beleidigung aufzufassen ist. Wie Reinbold in seinem ersten Absatz schreibt, sind die Biographien knapp hintereinander erschienen - Reinbold behauptet, sein Werk sei sechs Wochen vor meinem auf den Markt gekommen, mein Verlag meint, es seien in jenem Sommer 2009 drei Wochen gewesen. Das genaue Datum tut nichts zur Sache, denn als ich mein Vorwort im Frühling 2009 verfasste, war von Reinbolds künftigem Büchlein nichts bekannt. Als "Konkurrenten", der "einmal ordentlich zurechtzustutzen" sei, betrachte ich ihn somit keinesfalls. Und für den Klappentext sind bekanntlich die Verlage verantwortlich. Mir also mangelnde "Faktentreue" und "vollmundig[e]" Behauptungen vorzuwerfen, grenzt an den Versuch der Verleumdung.

Auf meine Kappe nehme ich selbstverständlich den Tippfehler - wo immer er sich eingeschlichen haben mag - im Zusammenhang mit Amadís de Gaula. Dass sich Reinbold gleich auf einen Käse stürzt, zeigt nur, dass er versucht, die Rezension ins Lächerliche zu ziehen, statt sich ernsthaft mit der Kritik auseinander zu setzen. Leider muss "der Professor aus Österreich", der "im Elfenbeinturm in Wien" sitzt - sollten das etwa überhebliche Attacken auf die akademische Landschaft im südlichen Nachbarland sein? - beim Text des wütenden Replikanten neuerlich "Erbsen [...] zählen" und ihn darauf hinweisen, dass der Gouda-/Gauda-Käse aus den Niederlanden kommt und nicht aus der Schweiz. Diese Verwechslung ist symptomatisch für die gesamte Arbeitsweise von Reinbold in seiner Biographie - salopp wird schnell etwas hingeschrieben, ist es nicht ganz richtig, dann sucht Reinbold nicht den Fehler bei sich, sondern attackiert jemanden, der auf falsche Darstellungen hinweist, als "gescheiterten Cut-up-Künstler". Das ist wohl nicht der Ton, in dem sich wissenschaftliche Auseinandersetzungen abspielen sollten, vor allem dann nicht, wenn derselbe Autor in seinem eigenen Buch dieser Methode nicht abgeneigt gegenübersteht. Das zeigt sich beispielsweise in Reinbolds 10. Kapitel "Der Herrscher der Neuen Welt" (89-101), in dem nicht nur Carlos Fuentes (92) vorkommt. Auf den Seiten 89 bis 92 stützt sich der Autor stark auf einen älteren Text von mir [1] und zitiert mich auch zweimal. Würde eine/r meiner Studierenden einen Text so exzerpieren und dann weiterverwerten, würde ich sie/ihn bitten, die Formulierungen noch einmal zu überdenken, die so nahe an der Vorlage sind. Das macht Reinbold allerdings öfter, exzerpiert einen Absatz aus einem Werk, dann einen anderen aus einem anderen, und genau das führt dann zu seinen vielen fehlerhaften Zusammenstellungen, von denen ich in der Rezension nur eine Auswahl gegeben habe. Auf diese Praktik hinzuweisen, soll "unredlich" sein?

Schließlich spricht gerade die Wortwahl im letzten Absatz der Antwort von Reinbold für sich selbst. Dies kann doch nicht die Sprache sein, in der sich Kontroversen abspielen!!! Trotz unterschiedlicher Ansichten sollte ein Minimum an Hochachtung vor anderen Meinungen möglich sein und nicht eine Ansammlung von Beleidigungen. Doch möglicherweise hat die Aggressivität von Reinbold auch etwas Gutes und wirkt sich verkaufsfördernd für sein Buch aus. Vielleicht kommt es dann sogar zu einer Neuauflage des Werks. Sollte in dieser dann Reinbold die aufgezeigten Fehler und noch einige andere mehr vielleicht doch noch ausbessern, dann würde meine Rezension möglicherweise ihr Ziel erreichen und vielleicht doch noch eine gute Biographie von Philipp II. herauskommen. Möglicherweise könnte das Buch dann doch noch lesenswert werden.

Anmerkung:

[1] Friedrich Edelmayer: Hispanoamerika im 16. Jahrhundert. In: Friedrich Edelmayer / Margarete Grandner / Bernd Hausberger (Hgg.), Die Neue Welt. Süd- und Nordamerika in ihrer kolonialen Epoche (= Edition Weltregionen, Bd. 3), Wien 2001, 61-82.