sehepunkte 12 (2012), Nr. 1

Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684

Unter dem Schlagwort "Germania Sacra" verbergen sich seit dem 18. Jahrhundert mehrere Anläufe, die Institutionen der Kirche (Bistümer, Stifte, Klöster) des römisch-deutschen Reiches für die Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit flächendeckend historisch-statistisch zu beschreiben. Seit 2008 wird dieses Anliegen in einem an der Göttinger Akademie der Wissenschaften angesiedelten, auf die Bistümer und Domstifte im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland reduzierten Forschungsvorhaben verfolgt. In diesen Kontext eingegliedert wurde das vorliegende Werk über die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684, das als ein von der Diözese Würzburg finanziertes Drittmittelprojekt unter Leitung des Kirchenhistorikers Wolfgang Weiß an der Universität Würzburg entstanden ist. Es setzt die drei von Alfred Wendehorst bearbeiteten Bände über die Würzburger Bischöfe von 741/42 bis 1617 fort, die von 1962 bis 1978 in der "Neuen Folge" der Germania Sacra erschienen waren, und konnte in Teilen auf unveröffentlichte Vorarbeiten Wendehorsts aufbauen, die dieser dem Bearbeiter zur Verfügung gestellt hatte.

Nach dem aktuellen Konzept der Germania Sacra sollen Quellen und Forschungen zum jeweiligen Bistum erschlossen, eine historische Übersicht gegeben, Verfassung und Verwaltung, religiöses und geistiges Leben sowie die Besitzverhältnisse dargestellt und schließlich das Wirken der einzelnen Bischöfe knapp und mit dem Schwerpunkt auf der geistlichen Tätigkeit umrissen werden. Im zu besprechenden Band stehen dagegen - nach einer 24seitigen strukturorientierten Einführung, die teilweise den Charakter einer Zusammenfassung annimmt - die sieben Bischofsviten von Johann Gottfried von Aschhausen (1617-1622), Philipp Adolph von Ehrenberg (1623-1631), Franz von Hatzfeld (1631-1642), Johann Philipp von Schönborn (1642-1673), Johann Hartmann von Rosenbach (1673-1675), Peter Philipp von Dernbach (1675-1683) und Conrad Wilhelm von Wernau (1683-1684) ganz im Zentrum der Betrachtung. Sie folgen im Wesentlichen einem chronologisch-thematisch rubrizierenden Muster, insbesondere: Herkunft und früher Werdegang - Sedisvakanz - Übernahme des Bischofamtes - Beziehungen zu Kaiser und Reich, Reichskreis, Nachbarn und Reichsritterschaft - Hofhaltung und Landtage - Verwaltung und Justiz - Wirtschaft und Finanzen - Bildungs-, Gesundheits- und Sozialwesen - Kriegswesen - Kulturgeschichtliches - Familienpolitik - Beziehungen zu Kurie und Nuntiatur - Kirchenorganisation, Kirchenbau und Frömmigkeitspflege - Persönliches, Tod, Begräbnis - Siegel, Wappen, Titulatur, Unterschrift, Porträts. Am Ende aller Bischofsviten stehen jeweils eine Skizze "Forschungslage und historische Einordnung" sowie noch einmal eine Übersicht der einschlägigen Archivalien.

Es handelt sich demnach nicht um eine geschlossene Darstellung, die einer expliziten Argumentationslinie verpflichtet wäre, und ebenso wenig um eine rein aufzählende Materialsammlung. Vielmehr besteht der Band aus einer themenorientierten und diszipliniert verdichteten Faktenauswahl mit möglichst direktem Bezug zu Archivalien und publizierten Quellen. Die unmittelbar einschlägigen Forschungen werden umfassend berücksichtigt, dagegen nicht die Fachdiskussionen zur Epoche (also zum Beispiel allgemeine Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg oder zum Themenkreis "Absolutismus"). Den Bezugspunkt bildet mehr oder weniger der Bischof, doch gibt es keine Darlegungen zu den Auswahlkriterien. Neben rein biographischen Details können daher zum Beispiel auch einmal kontextlose Wettermeldungen auftauchen (so 102, 506). Dabei bleibt nicht nur undiskutiert, inwieweit in dieser Epoche das historische Geschehen oder auch das konkrete Regierungshandeln an die Person eines Bischofs zu binden seien, sondern auch die Auswahl der Archivbestände folgt offenkundig praktischen Erwägungen, wenn etwa zum Pfarrwesen Informationen aus den verschiedensten Quellen zusammengestellt werden, die umfangreichen Landkapitelsakten dabei jedoch nur ausschnitthaft über die Literatur rezipiert werden (vgl. etwa 104-107, 289f).

Die so markierten Eigenheiten und Unschärfen des Werkes sind bei seiner Benutzung in Rechnung zu stellen, aber nicht als Relativierung seines überaus großen Wertes zu verstehen. Ob zu Themen der Reichs- und Territorialpolitik, zu Fragen der Priesterausbildung oder zur literarischen Tätigkeit einzelner Bischöfe, zur Militärorganisation oder zu Hexenprozessen, zur Lage der Juden oder zur Musikgeschichte: kaum ein relevant erscheinendes Thema bleibt unbeachtet; selbst entlegene Publikationen und Fundstellen sind zumindest am Rande notiert und werden in eine lesbare Darstellung integriert. Man kommt dabei um eine gründliche Lektüre nicht herum, weil es zwar ein Personen- und Ortsregister, aber keinen Sachindex gibt. Wer sich mit dem Fürstbistum Würzburg im behandelten Zeitraum befassen will, kann sich hier auf grundlegende, detaillierte, zuverlässige und selbstlos dargebotene Vorarbeiten stützen. Dem Autor gebührt großer Dank für diese enorm umfangreiche und fachkompetente Arbeitsleistung.

Rezension über:

Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684 (= GERMANIA SACRA. Dritte Folge 4. Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Würzburg; 7), Berlin: De Gruyter 2011, XIII + 609 S., 10 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-025183-8, EUR 149,95

Rezension von:
Johannes Merz
Archiv und Bibliothek des Bistums Würzburg
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Merz: Rezension von: Winfried Romberg (Bearb.): Die Würzburger Bischöfe von 1617 bis 1684, Berlin: De Gruyter 2011, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 1 [15.01.2012], URL: https://www.sehepunkte.de/2012/01/20016.html


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